Abbildung zur Vorstellung der Dateninfrastruktur-Pläne Gaia-X

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek bei der Vorstellung der Pläne für Gaia-X auf dem Digital-Gipfel (Quelle: BMBF/Hans-Joachim Rickel)

Auf dem Digital-Gipfel in Dortmund hat Bundesforschungsministerin Anja Karliczek zusammen mit dem Beauftragten für Digitale Wirtschaft des Bundeswirtschaftsministeriums, Thomas Jarzombek, Pläne für den Aufbau einer vernetzten, offenen Dateninfrastruktur auf Basis europäischer Werte vorgestellt.

Mit Gaia-X soll Europa ein Stück weit unabhängiger werden und die Souveränität im Umgang mit den Daten von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen gestärkt werden. Dies soll unter anderem dadurch möglich werden, dass Gaia-X technisch sicherstellt, dass die Daten den europäischen Raum nicht ungewünscht verlassen können.

„Gaia-X ist eines der wichtigsten Digitalprojekte, um die Spitzenposition der deutschen und europäischen Wirtschaft international zu verteidigen. Mit Gaia-X wird ein sicherer europäischer Raum für die Datenspeicherung und -verarbeitung geschaffen werden. Das ist dringend notwendig: Denn die Macht über die Daten in Europa soll nicht mehr in den Händen einiger weniger internationaler Konzerne liegen. Mit unserem Projekt werden in Europa sichere Straßen in der digitalen Welt gebaut. Das ist für die weitere Entwicklung der Wirtschaft in Deutschland und Europa von zentraler Bedeutung", sagte Forschungsministerin A. Karliczek.

Keine Konkurrenz zu amerikanischen Anbietern

Das Projekt sieht die Vernetzung dezentraler Infrastrukturdienste, insbesondere von Cloud- und Edge-Instanzen, zu einem homogenen, nutzerfreundlichen System vor. Dafür könnten sich zum Beispiel Unternehmen zusammenschließen und sich gegenseitig Serverkapazitäten anbieten. Zudem soll es damit möglich werden, moderne Methoden des Maschinellen Lernens sowie die Künstlichen Intelligenz als Servicedienstleistung interessierten Unternehmen – insbesondere aus dem Mittelstand – auf einfache Weise über standardisierte Schnittstellen zur Verfügung zu stellen. Die daraus entstehende vernetzte Form der Dateninfrastruktur würde sowohl die digitale Souveränität der Nachfrager von Clouddienstleistungen als auch die Skalierungsfähigkeit und Wettbewerbsposition europäischer Cloudanbieter stärken.

In Dortmund wurde betont, dass das neue System nicht als Konkurrenz zu den großen amerikanischen Anbietern, wie Amazon, Google oder Microsoft, gesehen werden soll. Stattdessen würde es mit deren Unterstützung als Infrastrukturdienstleister als Ergänzung aufgebaut werden. Letztlich soll insbesondere für den europäischen Mittelstand eine Wahlfreiheit geschaffen werden, auf welchen Servern und mit welchen Sicherheitsstandards sensible Daten gelagert werden. Dadurch sollen auch neue Impulse für die mittelständische Wirtschaft entstehen, vermehrt auf innovative Technologien zu setzen. Die dadurch steigende Nachfrage kommt allen, insbesondere auch den klassischen Cloudanbietern zugute.

„Europa wird damit die Souveränität über die sichere wirtschaftliche Nutzung von Daten durch den Aufbau eigener Strukturen auf Cloudservern gewinnen. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass Unternehmen stärker bereit sein werden, die Chancen der Digitalisierung voll zu nutzen. Nur wer sicher ist, dass er selbst vollständig bestimmen kann, wie seine Daten verwendet werden, wird bereit sein, seine Daten in Datenwolken zu speichern und sie mit anderen zu teilen“, sagte A. Karliczek.

International Data Space liefert Impulse

Ganz neu ist die Idee allerdings nicht. Mit der Initiative zum International Data Space IDS leistet das BMBF schon seit Jahren einen wichtigen Beitrag zur europäischen Datensouveränität. Seit 2014 wird ein sicherer Datenraum geschaffen, der Unternehmen verschiedener Branchen die souveräne Bewirtschaftung ihrer Datengüter ermöglicht. Der dadurch sichere Austausch und die einfache Kombination von Daten in Wertschöpfungsnetzwerken ist die Voraussetzung für smarte Services, innovative Leistungsangebote und automatisierte Geschäftsprozesse. Der IDS ist maßgeblich bei der Ausgestaltung von Gaia-X eingebunden und soll mit seiner Expertise und seinen Partnern zum Erfolg beitragen.

„In diesem Datenraum arbeiten heute schon 100 Unternehmen zusammen und tauschen darüber Daten aus, zum Beispiel in der Materialforschung und der Medizin. Gaia-X soll auch dazu beitragen, die Erkenntnisse aus der Forschung schneller in die Unternehmen zu bringen. Der Transfer muss hier dringend beschleunigt werden. Gerade in Deutschland gibt es noch Defizite, die aufgeholt werden müssen“, so A. Karliczek.

Stimmen von Festo, Friedhelm Loh Group und VDMA

Nach der Rede von A. Karliczek, Bundesministerin für Bildung und Forschung, sowie Teilnehmern des Netzwerks Plattform Industrie 4.0 verdeutlichte Prof. Dr. Friedhelm Loh, Inhaber und Vorstandsvorsitzender der Friedhelm Loh Group, die Sicht des deutschen Mittelstands: „Haben wir Datensouveränität, Echtzeit und Edge Computing im Griff, dann gelingt es uns, die Einführung von Industrie 4.0 in den Unternehmen auf eine ganz neue Basis zu stellen und Wertschöpfungsketten zu installieren und funktionsfähig zu machen, um wettbewerbsfähig zu sein“. Für den Unternehmer ist die Datensouveränität, das heißt die Entscheidungshoheit im eigenen Haus sowie im Netz, eines der großen Themen. Er stellte heraus: „Wir arbeiten nicht gegen die Unternehmen der Private und Public Cloud, sondern wollen einen Weg, der die Kompatibilität eigener Wege mit bestehenden Cloudlösungen in die eigene Entscheidungshoheit überführt.“

Mit Blick auf das eigene Unternehmen fügte er an: „Die Friedhelm Loh Group hat in den Gesprächen mit dem Bundesministerium unternehmensseitig und aus Sicht der Industrie Gaia-X vorangetrieben. Unser Ziel war es, Edge- und Cloud-Computing für den industriellen Mittelstand zugänglich zu machen und dafür den Weg zu bereiten. Wir haben mit Kunden und auch in den eigenen Fabriken gelernt, was wichtig für den industriellen Mittelstand ist: Datensouveränität, Echtzeitfähigkeit und die Anbindung an bestehende Cloudlösungen. Diese Expertise haben wir in das Gaia-X-Projekt eingebracht.“

Man kenne die Anforderungen aus der eigenen Praxis beim Aufbau des komplett digital integrierten Rittal Werks in Haiger. „Weil es für unsere Anforderungen noch keine passende Antwort gab, haben wir gemeinsam mit den Start-ups German Edge Cloud und Iotos, jüngste Unternehmen der Friedhelm Loh Group, sowie mit Bosch Connected Industry eine Lösung entwickelt. Oncite ist das erste schlüsselfertige KI-basierte Edge-Cloud-Rechenzentrum zur sicheren, echtzeitfähigen Verarbeitung und intelligenten Analyse von Daten im Produktionsumfeld. „Damit ist eine Lösung von der deutschen Industrie für die deutsche Industrie entstanden – in der Zusammenarbeit mit kompetenten Partnern wie Fraunhofer, IT- und KI-Spezialisten sowie anderen Unternehmen“, so Prof. Dr. F. Loh.

„Digital Trust ist die Grundvoraussetzung für neue datenbasierte Lösungsansätze und digitale Geschäftsmodelle. Deshalb brauchen wir eine vertrauenswürdige und sichere, aber auch leistungsfähige Dateninfrastruktur in Europa“, sagt Dr. Frank Melzer, Vorstand Product and Technology Management bei Festo. Als derzeitiger Leiter des Lenkungskreises der Plattform Industrie 4.0 hat er das Projekt Gaia-X mit initiiert. Festo will sich insbesondere bei der Validierung und Praxiserprobung von verschiedenen Use Cases beteiligen. „Für unsere Kunden – und damit auch für uns – sind Sicherheit und Vertrauen die Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung neuer Geschäftsmodelle mit einer transparenten Nutzung unterschiedlichster Daten in einem gut verzahnten Ökosystem. Uns ist dabei ein zentrales Anliegen, dass die Daten nicht nur sicher sind, sondern dass die neue digitale Infrastruktur auch auf internationaler Offenheit und Partnerschaft beruht“, so Dr. F. Melzer.  

Unter dem Vorsitz von Dr. F. Melzer wurde ein ganzheitliches Leitbild 2030 für die Industrie 4.0 mit dem Titel „Digitale Ökosysteme global gestalten“ erstellt und der Öffentlichkeit vorgestellt. Zentrale Ankerpunkte des Leitbilds sind die drei „grund-europäischen“ Werte Souveränität, Interoperabilität und Nachhaltigkeit. Basierend auf diesem Leitbild erarbeitete die Plattform einen Zehn-Punkte-Plan, in dem auch das Gaia-X-Projekt verankert ist. Weitere Fokusprojekte sind etwa die breite Anwendung der Referenzarchitektur Industrie 4.0 mit der sogenannten Verwaltungsschale oder die Herausarbeitung von guten Praktiken und Handlungsbeiträgen für eine klimaneutrale Produktion.

Festo hat den Anspruch, Innovationsführer und damit auch bevorzugter Automatisierungspartner für seine Kunden weltweit zu sein. Der Fokus liegt dabei auf der Weiterentwicklung dezentraler, autonomer Systeme und künstlicher Intelligenz (KI), die eine sichere Dateninfrastruktur erfordern. Festo hat daher im April 2018 den KI-Spezialisten Resolto gekauft. „Das Thema Analytics und künstliche Intelligenz wird unser Produktportfolio enorm beeinflussen, indem beispielsweise KI-Algorithmen sowohl in die Cloud als auch direkt in Komponenten von Festo eingebunden werden können“, so Dr. F. Melzer.

"Der Aufbau einer europäischen Cloud wäre ein vielversprechender Ansatz, um den Vorsprung, den wir uns mit Industrie 4.0 im internationalen Wettbewerb erarbeitet haben, zu sichern und auszubauen", sagteder stellvertretende VDMA-Hauptgeschäftsführer Hartmut Rauen. "Der Wohlstand in Deutschland und Europa ist unmittelbar mit der Stärke der industriellen Produktion verbunden. Das Projekt Gaia-X könnte seinen Teil dazu beitragen, die Rahmenbedingungen für eine moderne, digitalisierte Produktion zu verbessern. Dies gilt zum Beispiel mit Blick auf die von uns vorangetriebene Erfolgsgeschichte OPC UA, die weltweit anerkannte Sprache, mit der Maschinen untereinander kommunizieren. Der mittelständische Maschinenbau benötigt darüber hinaus eine sachstandsgerechte Bepreisung von 5G, die am Finanzministerium zu scheitern droht. Und wir benötigen für die künftigen datenbasierten Geschäftsmodelle unserer Produktionswelten auch eine vertrauenswürdige Datensouveränität.“

Ausblick

Als nächstes sollen nun Partner aus ganz Europa ins Gaia-X-Boot geholt werden. Im ersten Halbjahr 2020 soll eine Organisation gegründet werden, Ende 2020 soll es erste Anwendungen geben.

„Fest steht: Je mehr Unternehmen bei Gaia-X mitmachen, desto größer wird die Schlagkraft sein. Möglichst viele Unternehmen sollten Gaia-X zu einem Gewinn für sich selbst machen. Die Voraussetzungen werden nun geschaffen. Man kann den Unternehmen nur zurufen: Machen Sie mit!“, so Ministerin Karliczek.

Download der Broschüre "Das Gaia-X-Projekt"

www.bmbf.de

BMBF

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