Smart Factory?

Eine falsche MRP-Berechnung verursacht hohe Bestände und gleichzeitig viele Fehlteile (Quelle: Asprova)

Vielfach steht die Aussage im Raum, dass Produktionsressourcen, wie Produktionsanlagen oder Roboter, Informationen direkt in Echtzeit austauschen und die Abläufe und Termine selbstständig untereinander koordinieren. Das würde bedeuten, um beim Vergleich mit dem menschlichen Körper zu bleiben, dass die Gliedmaßen direkt miteinander kommunizieren und sich selbstständig koordinieren – ohne das Zwischenhirn als „Schaltstelle“. In dieser Diskussion kommt allerdings das Thema „Rolle der Produktionsplanung“ zu kurz.

Fehler bei der Materialbedarfsplanung

Auch nach Einführung von ERP-Systemen vor 20 bis 40 Jahren sind in Deutschland die häufigsten Störungen bei der Produktion nach wie vor Fehlteile – egal in welcher Branche. Andererseits haben viele Produktionsunternehmen mit hohen Lagerbeständen zu kämpfen. Wie kommt es zu diesem Widerspruch?

Die Terminierung des Materialbedarfs wird durch einen MRP-Lauf im ERP-System ermittelt. Dabei berechnet das ERP-System den Bedarfstermin wie folgt: Ausgehend vom Liefertermin wird das Timing für den Produktionsstart der Komponenten bzw. Teile zurückberechnet – unter zusätzlicher Berücksichtigung von Pufferzeiten. Das bedeutet, dass der Produktionsstart somit von vornherein falsch ermittelt wird:

  • Fehler 1: Die Berechnung des Start Timings für den Produktionsauftrag erfolgt auf Basis von fixen Durchlaufzeiten. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass in Wirklichkeit die Durchlaufzeit selbst für das gleiche Produkt variabel ist – abhängig von der Auslastung aller Prozesse und Ressourcen.
  • Fehler 2: ERP-Systeme berechnen Produktionspläne mit infiniten Kapazitäten. Das kann aber nur bei einfachen Produktionsprozessen funktionieren, zum Beispiel ein kontinuierlicher Prozess über einen längeren Zeitraum. Doch gibt es heutzutage noch derart einfache Produktionsprozesse? Die meisten produzierenden Unternehmen haben komplexe, zusammenführende und sich verzweigende, Parallelprozesse.

Wenn der ERP-Output also von vornherein so unpräzise und unrealistisch ist, muss bei der Materialbedarfsberechnung manuell nachgesteuert werden. Die Abweichungen gehen in beide Richtungen: Material wird entweder zu früh oder zu spät bestellt.

Die falsche Terminierung hat wiederum massive Auswirkungen auf die Bestandsmengen. In der Konsequenz haben viele Unternehmen sowohl zu hohe Bestände als auch Fehlteile.

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