Gunther Koschnick ist ZVEI-Fachverbandsgeschäftsführer Automation (Quelle: ZVEI)

Gunther Koschnick ist ZVEI-Fachverbandsgeschäftsführer Automation (Quelle: ZVEI)

Herr Koschnick, der ZVEI hat die Verwaltungsschale vor rund sechs Jahren auf den Weg gebracht. Bisher befasste sich eine Arbeitsgruppe innerhalb der Plattform Industrie 4.0 mit deren Weiterentwicklung. Was waren die Beweggründe für ZVEI und VDMA, nun rund um die AAS eine gemeinsame Nutzerorganisation zu gründen?

G. Koschnick: Es gibt derzeit viele Gruppen, auch innerhalb der Verbände, die der Plattform Industrie 4.0 zuarbeiten. Der ZVEI ist hier beispielsweise federführend beim Thema Verwaltungsschale und Merkmalsbeschreibung von Produktgruppen mit ecl@ss und der VDMA bei der Erstellung von Companion Specifications für OPC UA, Umati usw. unterwegs. Diese Inhalte haben wir in die Plattformarbeit eingebracht und nun gemeinsam entschieden, aus der Zeit der Whitepaper und Powerpoint-Präsentationen heraus in die Operationalisierung zu gehen – also das „Produkt Verwaltungsschale" weiterzuführen. Mit diesem Ansinnen sind wir in der Plattform I4.0 auf die Suche nach einer etablierten Organisation gegangen, an der wir mit unserem Thema optimal andocken können. Nach einem zirka halbjährigen Sondierungsprozess kamen wir zu dem Schluss, dass es am sinnvollsten ist, eine eigene Nutzerorganisation rund um die Verwaltungsschale zu gründen – initiiert von ZVEI und VDMA. Vor diesem Hintergrund ist die Industrial Digital Twin Association entstanden.

Der Bitkom zählt nun ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern. Inwieweit ist er mit seinen Unternehmen und Kompetenzen eingebunden?

G. Koschnick: Bitkom ist in letzter Minute Gründungsmitglied geworden. Wir freuen uns über die Entscheidung, denn Bitkom wird die Nutzerorganisation dabei unterstützen, die Verwaltungsschale in die IT-Welt zu bringen. Ein Beispiel ist Gaia-X, die von der Bundesregierung initiierte Europäische Datenplattform. Hier ist Bitkom mit seinen Mitgliedern sehr aktiv: Unternehmen der Domain Industrie 4.0 formulieren ihre Anforderungen, damit Gaia-X dann auch die erforderliche Usability für die Industrie hat. Eine Anforderung wird Plug-and-produce durch die Verwaltungsschale sein.

Welche Auswirkungen hat die Gründung Ihres Vereins auf die Arbeit der entsprechenden Arbeitsgruppe innerhalb der Plattform Industrie 4.0 – wird sie die Technologie weiter vorantreiben, oder geht der Part in der Association auf?

G. Koschnick: Die Plattform Industrie 4.0 ist eine politische Plattform, die zu 100 % vom Bund finanziert und getragen wird. Dass hier auch viele technische Aspekte weiterentwickelt wurden, liegt in der Vergangenheit begründet, als es noch eine „Verbände-Plattform" war. Dementsprechend wurden hier Themen von der IT bis in den Shopfloor diskutiert und eben auch die vom ZVEI eingebrachte Asset Administration Shell weiterentwickelt. Allerdings stellt die Plattform Industrie 4.0 keine juristische Person dar. Aus diesem Grund müssen wir die Weiterentwicklung und Verbreitung der AAS auf eigene juristische Beine stellen. Genauso wichtig ist es, sie dadurch auch leichter für jedermann zugänglich zu machen.

Der Verein soll also einerseits technologischer Anker für Entwickler und Mitgestalter sein. Innerhalb dieses juristisch geregelten Umfelds, auch die Patente betreffend, können sie nun ihre Ideen gemeinsam weiter vorantreiben .

Auf der anderen Seite wollen wir einen One-Stop-Shop rund um die AAS schaffen. Das heißt, hier finden Interessierte alle notwendigen Informationen, Ansprechpartner, Open-Source-Codes usw. – und zwar aus „einer Hand".

Aber nicht nur Einzelpersonen oder Unternehmen sind zur Teilnahme eingeladen, sondern auch andere Nutzerorganisa­tionen, Vereine, Kompetenzzentren usw. Ein Beispiel ist die Profibus Nutzerorganisation, mit der wir uns aktuell in Gesprächen befinden. Sie ist rund um das Thema Vernetzung ein wichtiger Partner mit viel internationaler Erfahrung.

Ein weiteres Thema unseres Vereins ist die Sicherstellung der Interoperabilität, die beispielsweise mittels Prüfungen bestätigt werden soll. Solche Leistungen möchten wir ebenfalls anbieten – aber nicht zwingend selbst. Dazu holen wir uns die Partner ins Boot.

Werden die Experten aus der Plattform-Industrie-4.0-AG auch in die neue Nutzerorganisation „überführt"?

G. Koschnick: Würden wir alle Arbeitsgruppen, die heute innerhalb der Plattform rund um das Thema Industrie-4.0-Interoperabilität tätig sind, adhoc mitnehmen, würden wir den Verein überfrachten. Es wird sicherlich in irgendeiner Form eine Integration stattfinden, allerdings nicht auf einmal. Was uns beim ZVEI und in der Plattform am meisten Bauchschmerzen bereitete war, dass wir kein „Haus" hatten, um die Ergebnisse zur Verfügung zu stellen und Qualitätssicherung zu betreiben. Ein Beispiel ist die Ende letzten Jahres vorgestellte Software AASX-Package Explorer, mit der die einfache manuelle Erstellung von Verwaltungsschalen möglich ist. Um diese einsetzen zu können, müssen Interessenten wissen, wo sie sie downloaden können. Bei der Industrial Digital Twin Association finden sie künftig alle Themen rund um AAS und Interoperabilität unter einem Dach.

Wie weit ist aus Ihrer Sicht die Verwaltungsschale in der deutschen Industrie aktuell verbreitet?

 

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