Konstruktive Mängel

Abbildung einer Baugruppe ohne Schirmkontakt

Bild 1: Wenn der Schirm wie hier (Strom gleich Null) nicht angeschlossen ist, ist keine ­Abschirmung vorhanden (Quelle: IVG Göhringer)

Abbildung einer Schneidklemme ohne Zugentlasung

Bild 2: Ohne Zugent­lastung wirken Zug­kräfte direkt auf die Schneidklemmen (Quelle: IVG Göhringer)

Abbildung zu statischer Aufladung in der Netzwerkkommunikation

Bild 3:  Entladeströme aufgrund statischer Aufladung können die Netzwerkkommunikation stören (Quelle: IVG Göhringer)

Bei der Suche nach den Ursachen für die Störungen ist eine Unterscheidung zwischen konstruktiven Mängeln und der Alterung der Businstallation sinnvoll.
Zu den konstruktiven Mängeln zählen:

  • minderwertige Steckverbinder statt Industriequalität,
  • Schirm nur einseitig aufgelegt,
  • Schirm per Pigtail (Schweineschwanz) angeschlossen, ­anstatt flächig verbunden,
  • fehlender oder unzureichend dimensionierter Potentialausgleich,
  • fehlende Trennung zwischen Strom- und Datenleitungen sowie
  • sternförmige Erdung und unsymmetrische Belastung der Stromversorgung (Bild 1, 2 und 3).

Es ist jedoch zu beobachten, dass – im Vergleich zur Situation vor zehn Jahren – in der heutigen Praxis wesentlich mehr Wert auf ein EMV-gerechtes Anlagendesign ­gelegt wird.

Schirmauflage ist ­wesentlich

Die wichtigste Maßnahme zum Schutz von Maschinen und Anlagen vor elektromagnetischen Störungen ist eine ordnungsgemäße Schirmleitung und Schirm­anbindung. Dazu gehört eine flächige ­Schirmauflage und Erdung an beiden ­Enden. In der Praxis ist hin und wieder zu sehen, dass der Schirm, ähnlich wie die Signalleitungen, nur punktförmig angelötet ist. Die Abschirmung erfüllt ihren Zweck nur gut, wenn sie unterbrechungsfrei und durchgängig geschlossen ist und zudem gut leitend mit der Funktionserde verbunden ist. Mit metallischen Kabel­durchführungen wird verhindert, dass hochfrequente Störungen in Steuerungen und Schaltschränke eindringen. „Manchmal wird der Schirm nur einseitig aufgelegt, mit dem Argument, dann könne auf dem Schirm kein Strom fließen“, berichtet Hans-Ludwig Göhringer von IVG Göhringer [1] aus der Praxis und erläutert weiter: „Das gilt nur für magnetische Felder. Ein hoher Schirmstrom lässt auf einen fehlenden Potentialausgleich schließen – dort muss der Hebel angesetzt werden“. Damit sind wir beim nächsten Thema.

Erdungsstruktur und Potentialausgleich

In der DIN EN 50310 [2] und in den Empfehlungen der PNO [3] sind die Mindestanforderungen an Erdung und Potentialausgleich für Gebäude und Anlagen mit informa­tionstechnischen Einrichtungen festgelegt. Darunter fallen auch die elektrische Steuerungstechnik, Bussysteme und Netzwerke. Grundsätzlich wird der Übergang von der Sternpunkterdung zu einem vermaschten Erdungssystem empfohlen. Die Norm DIN EN 50310 ist zwar im Zusammenhang mit der Ethernet-Verkabelung entstanden, galt aber auch als Wegweiser für die PNO-Empfehlung und beliebige andere Bussysteme. „Der Leitgedanke, der hinter der vermaschten Struktur steht, ist, dass sich der Strom den richtigen Weg sucht“, erläutert Hans-Ludwig Göhringer und fügt an: „Im Grundsatz ist der Weg richtig. Aber es gibt keine Lösungswege, die pauschal richtig sind und für jede Anlage passen. In einer Maschenerdung nach Lehrbuch kann es auch passieren, dass man den Strom an einen Punkt leitet, an dem man ihn gar nicht haben möchte“. Zudem fehlt in der DIN EN 50310 der praktische Bezug. Vorgeschlagen wird dem Anwender deshalb eine strukturierte Vorgehensweise, in die auch die vorhandene Felderfahrung mit einfließt.

Workshop zum Thema

Zu den Themen Installation und Instandhaltung bietet IVG Göhringer einen eintägigen Workshop an. Im eintägigen Praxis-Workshop lernen die Teilnehmer die Grundlagen zu Themen wie Leitungsabschirmung und Potentialausgleich. Wichtige Aspekte bei der Kabelführung werden ebenso behandelt wie die einfache EMV-Bewertung einer Gesamtanlage. Mit einem Schulungskoffer werden sowohl die Suche nach EMV-Störern wie auch verschiedene Fixing-Maßnahmen praktisch vorgeführt. Dabei kommt auch der Quicktester ESD-QT 16 zum Einsatz. Er signalisiert Entladungen per Alarmleuchte oder Hupe. Mögliche Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden an elektronischen Baugruppen runden den Workshop ab. Im Workshop-Paket ist für jeden Teilnehmer ein persönlicher Sondenbausatz enthalten, mit dem er in seinen Anlagen selber nach Störern suchen kann.

Anpassungen und Erweiterungen in der Normenwelt werden ebenfalls behandelt, beispielsweise die „Planungs- und Installationsempfehlungen für die Funktionserdung und Schirmung von Profibus- und Profinet-Netzwerken“ oder „DKE/AK 712.0.6 PA-Ströme“ [4]. Anmeldungen zum Workshop sind unter [5] möglich.

Fazit

Das Thema Erdung und EMV ist in den letzten Jahren zwar mehr in den Fokus der Instandhalter gerückt – erfährt aber trotzdem noch nicht die erforderliche Aufmerksamkeit. „Auch die teilweise vorherrschende Meinung, mit Profinet wird alles besser, kann ich nicht teilen“, so H.-L. Göhringer und schließt ab: „Es gibt zwar weniger Probleme, aber sie sind schwieriger zu finden, da die Datenübertragung in ­einem wesentlich höheren Frequenzbereich stattfindet“.

Literatur

[1]    IVG Göhringer, Holzgerlingen: i-v-g.de


[2]    DIN EN 50310 (VDE 0800-2-310):2017-02 Telekommunikationstechnische Potentialausgleichsanlagen für Gebäude und andere Strukturen. VDE VERLAG: Berlin · Offenbach
[3]    Profibus Nutzerorganisation e. V. (PNO), Karlsruhe: www.profibus.com
[4]    DKE Deutsche Kommisssion Elektrotechnik Elektronik ­Informationstechnik in DIN und VDE, Frankfurt/M.: www.dke.de

[5]    IVG-Workshop beim Automatisierungstreff: t1p.de/ym5a

Gerhard Bäurle, IVG Göhringer (hz)
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