Rückwärtsgewand-urbanzentriertes Politdenken

Abbild Glasfaseraufbau

Glasfaserausbau auch auf dem flachen Land wäre extrem notwendig. Doch gerade hier, wo es nur wenige Abnehmer gibt, scheuen Unternehmen oft die Kosten. (Quelle: fotolia.com © puehringer)

  • 3. Rückwärtsgewand-urbanzentriertes Politdenken
    Den meisten Menschen in unserer Branche ist bewusst, dass erfolgreiche Unternehmen nicht zwingend in der Nähe großer Städte angesiedelt sind. Ecom Instruments etwa, sitzt im 2000-Seelen-Örtchen Assamstadt in Baden-Württemberg. Guntermann & Drunck residiert im Nordrhein-Westfälischen Wilnsdorf mit immerhin 20.000 Einwohnern. Viele andere Unternehmen, teils Weltmarktführer, haben ihren Stammsitz ebenfalls „weitab vom Schuss“. Unter diesem Eindruck mutet das, was Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) Ende 2018 in einem Reuters-Interview sagte, mehr als befremdlich an: „5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig. […] Wenn wir 4G flächendeckend haben, sind wir schon sehr gut ausgestattet“. Solche Sätze Ende der 2010er würde man vielleicht von einem sehr ländlichen Ortsbürgermeister erwarten; sicher jedoch nicht vom Kopf der obersten Bundesbehörde für die Vorgabe der digitalen Marschrichtung in die Zukunft. Und es ist ja nicht nur so, als wenn solche Sätze einzigartig wären. Praktisch alle Parteien und sämtliche aktuellen und zurückliegenden Regierungen müssen sich vorwerfen lassen, die Brisanz des Themas schlichtweg verschlafen zu haben.
    Dass Städte vorrangig mit 5G ausgestattet werden sollen, mag für die Städter schön sein. Doch diese Technik ist eben nicht nur für schnelles Serienstreaming gedacht (das geht tatsächlich mit 4G bestens), sondern das Schlüsselinstrument für künstliche Intelligenz, für den Mobilitätswandel, für den Kampf gegen die urbane Wohnungsnot. Tatsächlich mutet es so an, dass viele politische Entscheider nicht begriffen zu haben scheinen, dass enorm viele Dinge, die sie für die Zukunft planen und/oder die aktuell Handlungsbedarf haben, gerade davon abhängen, dass 5G „an jeder Milchkanne“ vorhanden ist. Denn nur dann ist gegeben, dass selbstfahrende Autos, Arbeitgeber-unabhängiges Arbeiten, zeitgenössischer Datenaustausch etc. tatsächlich überall in Deutschland verfügbar wären.

Die Wunschliste oder: Was muss sich schleunigst ändern
Für jemanden, der mit Digitaltechnik nicht viel am Hut hat, mag das, was ihm jetzt zur Verfügung steht, reichen. Insbesondere jedoch für unsere Branche muss gehandelt werden. Und ja, das kostet Geld, sehr viel Geld. Aber es wird noch unendlich teurer, wenn weiterhin falsch gespart wird.

1. Das staatliche Glasfaser-Monopol
Aus marktwirtschaftlicher Sicht mag es wünschenswert sein, wenn der Staat möglichst wenig eingreift und am besten alles der Privatwirtschaft überlässt. Allerdings wurde die Zeit für diesen Luxus durch das zögerliche, teils auch konträr zueinander laufende Handeln in der Vergangenheit vertan. Jetzt wäre es notwendig, dass die Bundesregierung eingreift:

  • Verbot, kupferbasierende Leitungstechniken weiterhin zu installieren oder zu verbessern.
  • Eine Konkretisierung zur Pflicht der Glasfaserverlegung. Keine Straßenbauarbeiten mehr ohne dass Glasfaserleitungen verlegt werden.
  • Ein staatlich gemanagtes Umbauprogramm zum Austausch sämtlicher Kupferleitungen mit Fokus auf Gemeinden, in denen Schlüsselindustrien residieren.

Das alles muss nicht komplett durch den Staat abgewickelt werden. Doch vor allem dort, wo es sich rechnerisch für Privatfirmen nicht lohnen würde, Glasfaser zu installieren, sollte er nötigenfalls selbst eingreifen. Ob mit Geld oder eigenen Bautrupps wäre gleich.

2. Weniger reden, mehr handeln
Es ist ja nicht so, dass Digitalisierung im Bundes- und den Landtagen kein Thema wäre. Im Gegenteil, Sprechzeit wird sehr viel darauf verwendet.

Das Problem scheint jedoch, dass viel zu viel über das Thema geredet und dagegen notorisch wenig gehandelt wird.
Damit zusammen hängt auch viel inter-ministeriales Kompetenzgerangel, sodass am „Digitalisierungstopf“ viele Köche arbeiten, die sich aber gegenseitig im Weg stehen.
Was notwendig wäre, wäre eine Task Force, eine Eingreiftruppe, ein Krisenstab. Egal wie man es nennen möchte, es sollte eine einzige Behörde sein, die alle Fäden in der Hand hält und nur eine Zielrichtung hat:
Die Probleme eruieren
Die Probleme priorisieren
Die Probleme beseitigen

Dazu wäre es auch notwendig, einen sehr unkonventionellen Weg zu gehen: Eine solche Behörde müsste mit echten Experten besetzt sein. Nicht mit Politikern, die gute Berater haben, sondern mit Leuten, die selbst Ahnung von der Materie haben.
Noch gibt es in Deutschland mehr als genug solcher brillanten Köpfe. Bloß muss dazu gehandelt werden.

Fazit

Ja, es ist leider so. Deutschland ist in der Tat auf dem besten Weg, ein digitales Entwicklungsland zu werden. Das liegt vor allem daran, dass politisch lange Zeit vollkommen verkannt wurde, welche Schlüsselbedeutung Digitalisierung für die Aufrechterhaltung des Wirtschaftsstandortes hat. Das Zeitfenster schließt sich, doch noch ist Zeit, um zu handeln.

ETZ Redaktion
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