Bosch investiert rund 1 Mrd. € in die nun eröffnete Chipfabrik in Dresden

Bosch investiert rund 1 Mrd. € in die nun eröffnete Chipfabrik in Dresden (Quelle: Bosch)

„Es ist für Bosch von strategischer Bedeutung, Halbleiter als eine Kerntechnologie selbst zu entwickeln und zu fertigen. Mithilfe von künstlicher Intelligenz heben wir in Dresden die Produktion von Halbleitern auf ein neues Level“, sagte Dr. Volkmar Denner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH. „In Dresden eröffnen wir damit unsere erste AIoT-Fabrik: von Beginn an vollvernetzt, datengesteuert, selbstoptimierend.“ Bosch investiert rund 1 Mrd. € in den High-Tech-Standort.  

„Die hochmoderne Technik in Boschs neuer Halbleiterfabrik in Dresden zeigt, welch ausgezeichnete Ergebnisse sich erzielen lassen, wenn Industrie und öffentliche Hand ihre Kräfte bündeln. Halbleiter werden zur Entwicklung von Branchen, wie Transport, Produktion, Energie und Gesundheitswesen, beitragen – in denen Europa Herausragendes leistet. Dies hilft, die Wettbewerbsfähigkeit Europas als Wiege für Spitzeninnovationen zu stärken“, so Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission.

Der Planung voraus

Die Produktion in Dresden soll im Juli starten – ein halbes Jahr früher als geplant. Ab dann kommen die im neuen Werk produzierten Halbleiter in Bosch-Elektrowerkzeugen zum Einsatz. Für den Bedarf der Automobilindustrie beginnt die Chip-Produktion im September und damit ein Vierteljahr früher als geplant. „Die neue Chipfabrik ist gut für Europa, für Deutschland und für Sachsen. Damit verbunden sind direkt und indirekt viele neue Arbeitsplätze in einer riesigen Wachstumsbranche. Die Milliardeninvestition stärkt Silicon Saxony und die gesamte europäische Halbleiterindustrie“, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Heute arbeiten im Halbleiterwerk in der sächsischen Landeshauptstadt bereits rund 250 Menschen auf einer Fläche von 72.000 m2. Die Zahl der Beschäftigten soll in der Endausbauphase des Standorts auf 700 Mitarbeiter anwachsen.

Langjährige Halbleiterkompetenz

Bosch beschäftigt sich seit den 1950er-Jahren mit Mikroelektronik. Seit 1958 produziert das Unternehmen Halbleiter selbst. Im Werk in Reutlingen werden seit 1970 Spezialbauelemente gefertigt. Seit der Einführung der 200-mm-Technologie im Jahr 2010 investierte das Unternehmen mehr als 2,5 Mrd. € alleine in seine Halbleiterfertigungen in Reutlingen und Dresden. Hinzu kommen weitere Investitionen in Milliardenhöhe für die Entwicklung der Mikroelektronik. Damit wird die eigene Wachstumsstrategie in der Halbleiterentwicklung und -fertigung weiter verfolgt. „Diese Kompetenz ist der Schlüssel für zahlreiche überlegene Systemlösungen von Bosch“, so Dr. V. Denner.

Diesen Weg will Bosch in Dresden weiter gehen: Maschinen, die mitdenken, Wartungen aus 9.000 km Distanz, Brillen mit eingebauten Kameras - im Halbleiterwerk in Dresden. „Dank der Kombination von künstlicher Intelligenz und dem Internet der Dinge schaffen wir die Grundlage für datengesteuerte, kontinuierliche Verbesserung in der Produktion“, sagt Dr. V. Denner. Konkret bedeutet das: Alle Daten der Halbleiterfabrik – von Anlagen, Sensoren und Produkten – werden in einem zentralen Datenspeicher gesammelt. Im Werk entstehen dadurch pro Sekunde Produktionsdaten mit einem Umfang von umgerechnet 500 Textseiten. An einem Tag entspricht das mehr als 42 Mio. beschriebener Blätter. Diese Daten werden anschließend mit Methoden der künstlichen Intelligenz ausgewertet. Selbstoptimierende Algorithmen lernen dabei, aus den Daten Vorhersagen abzuleiten. "So lassen sich Fertigungs- und Wartungsvorgänge in Echtzeit analysieren. Ein AI-Algorithmus erkennt beispielsweise selbst kleinste Auffälligkeiten an den Produkten, die durch spezifische Fehlerbilder, sogenannte Signaturen, auf den Wafern sichtbar werden. Die Ursachen werden sofort analysiert und Prozessabweichungen umgehend korrigiert, noch bevor sie die Zuverlässigkeit des Produkts beeinflussen können", heißt es von Unternehmensseite. „Künstliche Intelligenz ist der Schlüssel, um Fertigungsprozesse und Qualität der Halbleiter weiter zu verbessern und einen hohen Grad an Prozessstabilität zu erreichen“, so Dr. V. Denner. Das wiederum führe zu einem schnellen Serienstart von Halbleiterprodukten und erspare Kunden aufwendige Erprobungen, wie sie sonst beispielswiese in der Automobilindustrie zur Freigabe einer neuen Fertigung notwendig sind. Auch Wartungsarbeiten lassen sich mit künstlicher Intelligenz optimieren. "Algorithmen können präzise Vorhersagen treffen, ob und wann eine Fertigungsmaschine oder ein Roboter gewartet oder nachjustiert werden muss. Die Arbeiten finden also nicht nach einem starren Plan statt, sondern genau dann, wenn sie erforderlich sind – und rechtzeitig, bevor es zu Problemen kommt", verdeutlichen die Experten den Nutzen.

Der digitale Werkszwilling

Eine weitere Besonderheit des Halbleiterwerks ist, dass es doppelt existiert – einmal in der realen Welt und einmal in der digitalen. Man spricht vom „digitalen Zwilling“. Alle Teile der Fabrik und alle relevanten Bauwerksdaten des kompletten Halbleiterwerks wurden dafür bereits während der Bauphase digital erfasst und in Form eines dreidimensionalen Modells visualisiert. Der Zwilling besteht aus rund einer halben Million 3D-Objekten – von Gebäuden und Infrastruktur, über Ver- und Entsorgungsanlagen, Kabeltrassen und Lüftungssystemen bis zu den Maschinen und Fertigungsanlagen. Damit lassen sich Prozessoptimierungen, aber auch Umbauarbeiten simulieren, ohne in die laufende Fertigung einzugreifen. Auch bei Wartungsarbeiten in der Dresdner Fabrik kommt nach Unternehmensangaben High-Tech zum Einsatz: Denn via Datenbrille und Augmented Reality lassen sich Maschinen auch aus der Ferne warten. Damit können Wartungsarbeiten in Dresden von dem Spezialisten eines Anlagenherstellers in Asien erledigt werden, ohne dass dieser vor Ort sein muss. Die Kamera der Datenbrille überträgt Videobilder einmal um die halbe Welt, der Experte dort führt den Mitarbeiter in Dresden dann in Echtzeit durch den Wartungsprozess. Diese Technologie war auch ganz entscheidend, um die Maschinen trotz coronabedingter Reisebeschränkung in Betrieb nehmen zu können.

Halbleiter sind Bausteine des Fortschritts

Halbleiter stecken in Form von Mikrochips in beinahe jedem technischen Gerät – in Smartphones, Fernsehern, Fitnessarmbändern. Und ohne Halbleiter fährt heute und in Zukunft kein Auto mehr. 2016 hatte weltweit jedes Neufahrzeug im Schnitt mehr als neun Chips von Bosch an Bord, zum Beispiel im Airbagsteuergerät, im Bremssystem oder im Parkassistenten. 2019 waren es bereits mehr als 17. Das bedeutet nahezu eine Verdopplung binnen weniger Jahre. Die stärksten Zuwächse sehen Experten in den kommenden Jahren bei Fahrerassistenzsystemen, im Infotainment sowie in der Elektrifizierung des Antriebs. Mit seiner Chipfabrik in Dresden reagiert Bosch auf diese gestiegene Nachfrage nach Halbleitern. „Halbleiter sind Bausteine des Fortschritts. Elektronische Komponenten, die mit den Chips aus Dresden ausgestattet sind, ermöglichen Anwendungen wie automatisiertes und ressourcenschonendes Fahren sowie bestmöglichen Insassenschutz“, sagte Harald Kröger, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH. Das Wachstum bestätigen Erhebungen: Noch 1998 betrug der Wert der Mikroelektronik in einem Neuwagen 120 €. 2018 lag dieser Wert bereits bei 500 €, und 2023 wird er voraussichtlich 600 € übertreffen (Quelle: ZVEI). Damit sind Halbleiter ein Wachstumsfeld auch für Bosch. 

„Chips für Fahrzeuge sind die Königsdisziplin der Halbleitertechnik. Denn im Auto müssen die kleinen Bausteine besonders widerstandsfähig sein“, sagt Harald Kröger, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH. So sind die Chips über die gesamte Dauer eines Fahrzeuglebens starken Vibrationen und Temperaturschwankungen ausgesetzt – mal weit unter dem Gefrierpunkt, mal weit über dem Siedepunkt von Wasser. Das bedeutet höhere Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Chips. Die Entwicklung automobiler Halbleiter ist daher aufwendiger als in anderen Anwendungen. Dies erfordert spezifisches Know-how, das sich Bosch über Jahrzehnte aufgebaut hat. Die Entwickler und Ingenieure verstehen die physikalischen Prinzipien der mikroelektronischen Bauteile im Fahrzeug. Damit werden komplette Systeme für den automobilen Unfall- und Umweltschutz möglich, die das Unternehmen ebenso entwickelt und fertigt – und das aus einem Guss. „Diese doppelte Stärke, also die Kombination von Chip- und System-Know-how, ist für Bosch von strategischer Bedeutung“, so H. Kröger. Zudem komplettiert Bosch seine Stärke in der Entwicklung und Fertigung von Halbleitern mit seinem System-Know-how in den Bereichen Elektronik und Software. Das ermöglicht dem Unternehmen, die Qualität seiner Produkte zu sichern, diese kontinuierlich weiterzuentwickeln und Kosten zu senken. 

„Silicon Saxony“

Bosch hatte sich nach einem weltweiten Städtevergleich für Dresden als Standort für seine Halbleiterfabrik entschieden. Als Grund wird genannt: Das „Silicon Saxony“ ist Europas größter Mikroelektronik-Standort und der fünftgrößte weltweit. Jeder dritte in Europa produzierte Chip wird hier gefertigt. Dafür bietet die Region optimale Bedingungen. „Ansiedlung und Bau der Fabrik sprechen für das große Vertrauen in den Hochtechnologiestandort Sachsen mit seinen erfahrenen und qualifizierten Fachleuten und dem hier über Jahrzehnte gewachsenen einzigartigen Netzwerk“, sagte Sachsens Ministerpräsident Kretschmer. So verfügt Dresden über eine gute Infrastruktur mit kurzen Wegen und guten Anbindungen. Das umfasst Unternehmen der Zulieferer-, Dienstleister- und Anwenderindustrie sowie Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit entsprechender technologischer Expertise. „In Dresden trifft modernes Unternehmertum auf wissenschaftliche Exzellenz und industriepolitische Verantwortung“, so H. Kröger. „Bosch hat sich daher bewusst entschieden, die größte Einzelinvestition in seiner mehr als 130-jährigen Geschichte hier in der Region zu tätigen“. 

Bosch (ih)

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