Porträt Klaus Endress und Matthias Altendorf

Dr. h.c. Klaus Endress und CEO Matthias Altendorf freuen sich über die Ergebnisse in 2019 (Quelle: Endress+Hauser)

„2019 war ein gutes Jahr für Endress+Hauser“, so CEO Matthias Altendorf. „Unser Wachstum war breit abgestützt und ausgewogen.“ Dabei sei diese Entwicklung nicht von Großaufträgen, sondern kleineren und mittleren Projekten getragen worden, erläuterte der Firmenchef auf der Bilanzmedienkonferenz in Basel/Schweiz.

Den Erfolg führt M. Altendorf auch auf die ungebrochenen Innovationskraft des auf Mess- und Automatisierungstechnik für Prozess und Labor spezialisierte Familienunternehmen zurück. Er verwies auf 318 Entwicklungen, die 2019 erstmals zum Patent angemeldet wurden. "7,6 % des Umsatzes fließen in Forschung und Entwicklung. Mehr als 1.100 Beschäftigte arbeiten an neuen Produkten, Lösungen und Dienstleistungen", vermeldet das Unternehmen. Ende 2019 zählte Endress+Hauser weltweit 14.328 Beschäftigte. Damit sind binnen Jahresfrist 400 Stellen hinzugekommen.

Fortschritte erzielte das Unternehmen auch auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit. Im jährlichen EcoVadis-Audit erreichte Endress+Hauser 72 Punkte, 4 mehr als 2018, und platzierte sich damit unter den Top-2-Prozent der weltweiten Vergleichsgruppe. Durch die Umstellung auf Ökostrom in der Produktion senkte Endress+Hauser den CO2-Ausstoß um mehr als ein Drittel. Neue Gebäude erfüllen durchweg höchste Standards. Derzeit errichtet die Gruppe in Kanada ein neues Kundenzentrum, das energieautark arbeiten wird.

Länder- und Ergebnisentwicklung

Starke Wachstumsimpulse kamen 2019 aus Asien. Europa entwickelte sich gut, Südamerika sehr gut. Nordamerika blieb dagegen hinter den Erwartungen, während das Geschäft in Afrika und dem Nahen Osten rückläufig war. China überflügelte beim Umsatz Deutschland und liegt nun knapp hinter den USA, die weiter der größte Absatzmarkt für Endress+Hauser sind. Chief Financial Officer Dr. Luc Schultheiss zufolge konnte die Firmengruppe Marktanteile gewinnen.

Das veränderte Marktumfeld zeigt sich im Betriebsergebnis (Ebit) von 343,4 Mio. € (plus 3,9 %). Das Ergebnis vor Steuern (EBT) wuchs um 9,9 % auf 346,9 Mio. €. Dahinter steht ein gegenüber 2018 deutlich verbessertes Finanzergebnis. Die Währungsabsicherung verursachte zwar weiterhin hohe Kosten, doch warfen die Finanzanlagen im positiven Börsenumfeld des Jahres 2019 eine gute Rendite ab. Die Umsatzrendite (ROS) kletterte um 0,2 Punkte auf 13,1 %.

Das Ergebnis nach Steuern stieg 2019 um 14,3 % auf 265,9 Mio. €. Dies spiegelt einen auf 23,4 % gesunkenen effektiven Steuersatz wider – die Folge eines einmaligen Effekts durch die Unternehmenssteuerreform in der Schweiz. Die Eigenkapitalquote erreichte 75,6 %, 4,6 Prozentpunkte mehr als 2018. Diese Entwicklung wurde unter anderem durch die Auslagerung der deutschen Pensionsverpflichtungen in einen eigenständigen Fonds beeinflusst.

Die Firmengruppe ist praktisch frei von Bankschulden – dies trotz weltweiter Investitionen von 231,1 Millionen Euro. In den vergangenen fünf Jahren steckte das Unternehmen mehr als 840 Millionen Euro in neue Gebäude, Anlagen und Ausrüstung. Finanzchef Luc Schultheiss zufolge verfügt Endress+Hauser über ein Liquiditätspolster von fast 800 Mio. €. „Dies wird helfen, die aktuelle Wirtschaftssituation gut zu meistern.“

Digitalisierung im Fokus

M. Altendorf verweist darauf, dass die Firmengruppe früh auf die Ausbreitung des Corona-Virus reagiert und alles getan habe, um die Gesundheit der Menschen zu schützen und Kunden weiterhin gut zu unterstützen. „Wir überbrücken die physische Distanz durch digitale und emotionale Nähe“, sagte er. Er treibt seit Jahren die Digitalisierung bei Endress+Hauser voran – in Produkten und Services ebenso wie in der Interaktion mit Kunden und der internen Kollaboration. So arbeiten derzeit in der Spitze bis zu 10.000 Beschäftigte aus dem Homeoffice. Kunden können die Website nutzen, um Geräte zu bestellen oder Aufträge zu verfolgen. "Die Zahl der Besuche unserer Website ist im Vergleich zum Vorjehreszeitraum um rund 20 % gestiegen; der Online-Auftragseingang um 90 %", berichtet er und fügt an: "In einem Dutzend Ländern macht das digitale Geschäft heute mehr als 10 % des Umsatzes aus – das ist für unsere beratungsintensiven Produkte ein ansehnlicher Wert. Das zeigt, wohin die Reise geht." Über ein Online-Tool stellt Endress+Hauser zudem Support aus der Ferne mit Video-Unterstützung bereit. Dieser Service soll so lange kostenlos zur Verfügung gestellt werden, wie das Corona-Virus graciert.

Im Zusammenhang mit dem Thema Digitalisierung verweist M. Altendorf auf ein neues Produkt: den Micropilot FWR30. "Es ist das erste Füllstandsmessgerät, das wir gezielt für das industrielle Internet der Dinge entwickelt haben. Es handelt sich um einen Radarsensor mit 80-GHz-Technologie für die Überwachung von Kunststofftanks – sogenannten Intermediate Bulk Container, oder kurz IBC. Diese Tanks werden oft mobil oder zumindest in flexiblen Installationen eingesetzt. Nachschub wird deshalb oft erst bestellt, wenn der Tank leer ist."

Ausblick auf 2020

Endress+Hauser ist mit einem nochmals gewachsenen Auftragsbestand ins Jahr 2020 gestartet. Die Coronavirus-Pandemie erschwert ein Erreichen der ursprünglichen Ziele jedoch massiv. „Noch können wir die wirtschaftlichen Auswirkungen nicht abschätzen. Aber die Krise wird bei unseren Kunden und uns Spuren hinterlassen“, sagte der CEO. Er verwies zusätzlich darauf, dass man es nicht allein mit dem Coronavirus zu tun habe. "Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie treffen auf eine ohnehin schwierige politische und konjunkturelle Gemengelage", ergänzte er und zählte auf: "Handelsstreit und politische Spannungen, die Strukturkrise im Automobilsektor und der Druck zur Dekarbonisierung der Industrie sind weiterhin da und werden von der derzeitigen Krise nur überlagert. Die Schulden- und Tiefzinsproblematik war ebenfalls schon vorhanden. Sie wird erneut aufflammen durch die Maßnahmen, die Politik und Zentralbanken weltweit ergriffen haben, um die Wirtschaft zu stützen und die sozialen Folgen der Pandemie abzufedern. Wie sich dies alles in der globalen Wirtschaft und in unserem Geschäft kurz-, mittel- und langfristig niederschlagen wird, ist offen. Aber es wird Veränderungen geben."

Als Unternehmen konzentriere man sich darauf, die Gesundheit der Menschen zu schützen, Arbeitsplätze zu sichern, Kunden bestmöglich zu bedienen sowie das externe Netzwerk aus Lieferanten, Dienstleistern und Partnern zu pflegen und zu entwickeln. "Dafür werden wir auch kurzfristig finanzielle Einbußen in Kauf nehmen", sagte M. Altendorf. Die Erfahrungen aus der Finanzkrise 2008/2009 sollen in dieser akuten Phase helfen. "Wenn sich eine Situation sehr dynamisch entwickelt, ist es wichtig, flexibel und agil zu handeln. Auf Sicht zu fahren, wie wir sagen, um auf neue Situationen rasch zu reagieren und den Kurs bei Bedarf neu zu justieren. Dabei dürfen wir das langfristige Ziel nicht aus den Augen verlieren: Die Verbindung von operativer Agilität und langfristiger Zielsetzung beherrschen Menschen, unsere Mitarbeitenden, am besten", so der CEO.

Firmengruppe will Beschäftigung sichern

„Unsere Helden des Alltags arbeiten in Produktion, Logistik und Service, oder unter erschwerten Bedingungen in Büro und Homeoffice“, sagte M. Altendorf weiter. Dank großer Anstrengungen sei es gelungen, die Materialverfügbarkeit zu gewährleisten, Transportketten intakt zu halten und die Kunden in allen Belangen zu unterstützen. „Die Werke der Firmengruppe arbeiten, Endress+Hauser ist weiter lieferfähig.“ Der CEO sieht das Unternehmen deshalb gut gerüstet für schwierige Zeiten.

„Wir haben stets solide gewirtschaftet und sind als Unternehmen bestens aufgestellt“, gab er an. „Wir werden alles tun, um Beschäftigung zu sichern und Endress+Hauser gut durch diese Krise zu bringen. Das nutzt Kunden, Mitarbeitenden und Gesellschaftern.“ Die Gesellschafterfamilie trage diesen Kurs mit und nehme einen Gewinnrückgang in Kauf, sagte Verwaltungsratspräsident Dr. h.c. Klaus Endress. „Wir möchten, dass möglichst alle an Bord sind, wenn der Wind sich dreht und es wieder vorwärts geht.“

Endress+Hauser (ih)

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