Der Feldbus in der realen Welt

Abbild Feldbus Stahl

Bild 2: Feldbus (Quelle: Stahl)

In der Praxis findet man eine Mischung aus mittlerweile drei Generationen von Feldgeräten. Klassische 4...20-mA-Technik, Hart-Feldgeräte und Feldbusgeräte existieren im friedlichen Nebeneinander. Auch Pneumatik wird noch in vielen Anlagen eingesetzt.

In explosionsgefährdeten Bereichen installierte 4...20-mA-Feldgeräte wurden und werden über konventionelle Trennstufen in althergebrachter Punkt-zu-Punkt-Verbindung an Ein-/Ausgangskarten des Leitsystems angeschlossen. Selbst Neuinstallationen werden häufig mit dieser Technik ausgestattet. „Besteht zum Beispiel die Forderung nach einkanaliger Technik, galvanischer Trennung oder dem Einsatz von Stromkreisen der funktionalen Sicherheit nach DIN EN 61508, ist eine Lösung mit konventionellen Trennstufen weiterhin die beste und kosteneffektivste Lösung“, so der Experte. Zudem sei die einfache Installation und Diagnose solcher Installationen für manche Anwender ein wichtiges Argument.

Vor vielen Jahren konnte sich das Hart-Protokoll als Defacto-Standard der digitalen Kommunikation auf Basis des 4...20-mA-Signals gegen andere Lösungen durchsetzen. „Die seither installierten Hart-Feldgeräte gehen in die Millionen, und es ist derzeit kein echter Rückgang festzustellen. Weiterhin werden weit mehr Hart-Feldgeräte verkauft als Geräte mit Feldbusschnittstelle“, stellt er heraus. So lassen sich viele Diagnose- und Wartungsaufgaben mit dem recht einfachen Protokoll durchführen, sodass wenig Bedarf seitens der Anwender besteht, diese Technik abzulösen. Der Anschluss der Hart-Feldgeräte in explosionsgefährdeten Bereichen erfolgt ebenfalls mit konventionellen Trennstufen, wobei das Hart-Signal selbst häufig über Hart-Multiplexer aus dem Analogsignal ausgekoppelt und an spezielle Hart-Management-Systeme übertragen wird. Auf diesen Systemen erfolgt dann losgelöst vom Leitsystem die Konfiguration, Diagnose oder Protokollierung.

„Beiden Lösungen gemein ist der Aufwand und die Fehleranfälligkeit der Einzelverdrahtung“, nennt A. Fritsch die Nachteile. Mit der Remote-IO-Technik integrieren sich analoge Feldgeräte über ein digitales Busprotokoll elegant in Leitsysteme. Viele Ein-/Ausgangskarten des Leitsystems werden durch wenige Kommunikationsbaugruppen ersetzt, was Geld und Platz spart. Zudem sind die vorhandenen Feldgeräte mit oder ohne Hart-Kommunikation weiterhin einsetzbar. „Das bringt angesichts von Standzeiten von über 15 Jahren einen klaren Kostenvorteil mit sich“, sagt er weiter. Auch das Hart-Signal kann wahlweise über den Profibus DP zum Leitsystem oder einen separaten Servicebus zum autarken Hart-Management-System übertragen werden.

„Insbesondere bei einfachen digitalen Signalen von Kontakten, Näherungsinitiatoren oder Magnetventilen und Anzeigeelementen ist und bleibt die Remote-IO-Technik die kosteneffektivste Lösung“, ist der Senior Product Manager Fieldbus & Remote IO überzeugt. „Bei der Forderung nach höchster Verfügbarkeit und Redundanzlösungen bietet sie nach wie vor die beste Umsetzung. Mit der Feldbustechnik wurden einige interessante Vorteile, sowohl technischer als auch kommerzieller Natur, in die Automatisierungswelt eingeführt.“ Mit Funktionen, wie „Control in the Field“ des H1-Feldbusses, lassen sich Anwendungen optimieren. Rechenintensive Vorgänge, wie ein PID-Regelalgorithmus oder Grenzwertüberwachungen und -aktionen, sind systemunabhängig in den Feldgeräten vor Ort durchführbar. Damit wird das Leitsystem entlastet und die Verfügbarkeit der Prozessregelung auch ohne den Eingriff des Systems gewährleistet.

Planung, Installation und Wartung von Feldbusnetzwerken können effizient und kostensparend durchgeführt werden. „Mit den umfangreichen Diagnosemöglichkeiten und -meldungen eröffnet sich das Feld der vorbeugenden Wartung unter dem Schlagwort ,Predicitve Maintenance’ auch für die Prozessautomatisierung. Damit ergibt sich wiederum ein Einsparpotential im Rahmen der Lifecycle Costs einer Anlage“, ist A. Fritsch ferner überzeugt.

Verschiedene Meinungen – verschiedene Lösungen

„Natürlich wird man unterschiedliche Meinungen hören, wenn man die Eingangsfrage ,Was ist die beste Lösung?’ stellt“, weiß er aber auch. So würden viele Anwender nach wie vor die konventionelle Installation mit Ex-Trennstufen bei Anwendungen in explosionsgefährdeten Bereichen bevorzugen. So kann das Signal mit einfachen Stromstärke-Messgeräten ermittelt werden; es wird kein speziell ausgebildetes Personal benötigt und Änderungen lassen sich häufig durch das „Umklemmen“ diverser Drähte durchführen.

Die Befürworter der Remote-IO-Technik argumentieren mit ihren guten Erfahrungen über die letzten Jahre. Außerdem erfordert der Einsatz der Remote-IO-Technik keinen Austausch der Feldgeräte, der einen erheblichen Kostenfaktor darstellen würde.

„Feldbus-Nutzer heben insbesondere die neue Funktionen, wie ,Control in the Field’ oder die erweiterten Diagnosemöglichkeiten hervor sowie die vereinfachte Installationstechnik durch den Wegfall der Energieversorgung im Feld“, so A. Fritsch. „So mancher Anwender schaut bereits in die Zukunft und betrachtet die existierende Feldbustechnik als Übergangslösung für neue, wirklich universell einsetzbare Lösungen. Hier spielen dann beispielsweise neue Übertragungstechniken, wie Industrial Ethernet oder Wireless, eine Rolle.“

Diverse Veröffentlichungen und Marktanalysen haben sich mit den Vor- und Nachteilen der Feldbustechnik gegenüber Remote IO oder konventioneller Technik beschäftigt. Ein Erfahrungsbericht des Namur Arbeitskreises AK 2.6 „Feldbustechnik“ vom November 2004 stellt den Anteil von Feldbus-Feldgeräten zu konventionellen Geräten anhand einiger Beispielprojekte dar. Das Ergebnis: nur 20 % aller eingesetzten Feldgeräte waren mit einer Feldbusschnittstelle ausgestattet. „Das klingt auf der einen Seite nicht besonders positiv für diese Technik, aber gilt natürlich nur für eben die analysierten Projekte und sollte nicht als weltweite Erkenntnis gewertet werden“, stellt A. Fritsch heraus und erläutert weiter: „Bei anderen Projekten werden bis zu 95 % aller Feldgeräte mit Feldbus ausgestattet. Dies hängt stark vom Endanwender, dem Leitsystemhersteller und der Anwendung ab.“

Eine recht bekannte Untersuchung stellt die Furios-Studie dar. Diese versucht die Kosten für eine Feldbusinstallation mit den Kosten für Remote IO anhand eines realen Projekts mit allen Parametern zu vergleichen. Einbezogen wurden zum Beispiel die Kosten für Planung, Installation, Feldgeräte, Kalibrierung und Inbetriebnahme. Als Ergebnis der Analyse kam heraus, dass eine Feldbusinstallation ca. 4 % günstiger als eine vergleichbare Remote-IO-Technik ist. „Unter den untersuchten Randbedingungen für dieses Projekt ein absolut korrekter Wert“, sagt der R. Stahl-Experte. „Untersuchungen bei anderen Projekten mit anderen Randbedingungen führen allerdings womöglich auch zu ganz anderen Ergebnissen. Anzumerken bleibt hier noch, dass das untersuchte Projekt letztendlich komplett anders umgesetzt wurde.“

Die Auswertung von Verkaufszahlen von Feldgeräteherstellern über den Anteil von tatsächlich verkauften Feldbus-Feldgeräten im Vergleich zu konventionellen bzw. Hart-fähigen Geräten ergibt ebenfalls ein interessantes Bild. „Ein großer Hersteller berichtet hinter vorgehaltener Hand, dass zurzeit lediglich 2 % aller verkauften Geräte ein Feldbus-Interface aufweisen. Betrachtet man hingegen die prozentualen Wachstumsraten in der Statistik über die letzten Jahre, stellt man einen ganz klaren Trend hin zum Feldbus fest: über 20 % pro Jahr. Das Fazit des Herstellers ist daher eindeutig: Der Feldbusmarkt entwickelt sich gerade erst noch“, berichtet A. Fritsch.

Einige Großprojekte der letzten Jahre, zum Beispiel in China das SCIP-Projekt (Shanghai Chemical Industry Park), scheinen die Vorteile und die Akzeptanz des Feldbusses zu unterstreichen. Mehr als 23 000 Signale wurden hier mit Geräten im FF-H1-Protokoll umgesetzt. „Eine wirklich beeindruckende Menge. Schaut man sich allerdings die digitalen Signale an, die typischerweise in mindestens der gleichen Größenordnung vorhanden sind, stellt man fest, dass diese mit konventionellen Trennstufen installiert wurden“, so der Produktmanager. „Einer der hauptverantwortlichen Endanwender für dieses Projekt berichtet in einem Interview von seinen Überlegungen, dafür Feldbusse einzusetzen. Eine sehr wichtige Anforderung von seiner Seite aus war es, die modernste am Markt verfügbare Technik zu verwenden. Natürlich fiel dann die Entscheidung hier klar für die Feldbustechnik“, informiert er weiter.

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