Agilität als Antwort

Die Chancen des digitalen Zeitalters zu nutzen obliegt dem Einzelnen. Kreativität und menschliche/soziale Interaktion werden dem Menschen vorbehalten bleiben – hier wird der Schwerpunkt der Beschäftigung im digitalen Zeitalter liegen. So wird in Studien beispielsweise für die Bereiche Fine Arts, Originality, Negotiation, Persuasion, Social Perceptiveness und Assisting and Caring for Others ein nur geringes Risiko der Verdrängung durch Maschinen gesehen. Damit sind Tätigkeitskategorien wie Wahrnehmung und Manipulation, also sich in komplexen und unstrukturierten Umwelten zurechtzufinden, kreativ-intelligente Fähigkeiten, also neue und wertvolle Ideen zu entwickeln sowie soziale Intelligenz beim Verhandeln oder Überzeugen gemeint. Was für den Einzelnen in der neuen digitalen Arbeitswelt gilt, ist ein Postulat für jedes Unternehmen im Wettbewerb, dessen Spielregeln durch die Digitalisierung neu definiert werden. Deshalb bleibt auch Unternehmen nichts anderes übrig, als die Digitalisierung mit all den Risiken und Chancen selbstbewusst anzugehen. Die Voraussetzung dafür liegt in einer digitalen Kultur, die heute noch die wenigsten „traditionellen“ Unternehmen aufweisen. Es ist erstaunlich, wie wenig Fantasie und Mut zum Teil in Organisationen herrschen, die Digitalisierung auf breiter Front als Beschleuniger der eigenen Entwicklung zu nutzen. Dabei ist es nicht mit einem ­„Digital Lab“ getan, das am besten noch in Berlin angesiedelt wird. So betreiben oder planen nach einer Studie des IT-Analysten Crisp Research Mitte 2016 rund 60 % der Dax-Konzerne ein Digital Lab, wovon mehr als die Hälfte der 61 untersuchten Labs wiederum in Berlin angesiedelt sind. Doch dieser Trend klingt gerade ab – nicht zuletzt aufgrund verfehlter Erwartungen und Ziele. Die Vorstellung, dass diese organisatorischen Fremdkörper als Schnellboote neue Geschäftsmodelle entwickeln, ganze Branchen neue erfinden, hat sich nicht erfüllt. Eine gelungene digitale Transformation kann nach unserer Erfahrung nur in der Breite der Organisation stattfinden. Viele der Unternehmen haben sich dazu entschieden, die Digitalisierung in ihr Unternehmen zu tragen und jeden Mitarbeiter dabei einzubinden. Partizipation ist das Mittel, mit dem wir nicht erst seit gestern sowohl den Kopf als auch das Herz der Organisation gewinnen können. Partizipation ist für viele Unternehmen ein Paradigmenwechsel. Es bedingt die Abkehr von einem hierarchischen Führungsverständnis und das Aufbrechen funktionaler Silos. Gelingt das, besteht die Chance, eine digitale Kultur Wirklichkeit werden zu lassen, die einen Aufbruch in ein neues Zeitalter ermöglicht. Ist mit einer digitalen Kultur das „Wollen“ sichergestellt, bleibt die Herausforderung des „Könnens“. Dabei sollten mit Blick auf die Belegschaft die Gestalter und die Anwender der digitalen Arbeitswelt unterschieden werden. Aktuell konzentrieren wir uns aus unternehmerischer Perspektive meist auf die digitalen Gestalter, also zum Beispiel die Programmierer, die Online-Marketeers oder Business-Analysten. Notwendig für den Erfolg der digitalen Transformation und heftig umworben am Arbeitsmarkt (weil überall gefragt). Weniger im Fokus, aber ebenso wichtig für den Erfolg ist die Qualifizierung aller Mitarbeitenden. Wenn es nicht gelingt, den sinnvollen und mehrwertstiftenden Einsatz digitaler Technologien sicherzustellen, wird die Transformation misslingen. Digitale Kompetenzen sind der Schlüssel, um in der neuen digitalen Arbeitswelt erfolgreich zu sein.

In Summe bekommen die Herausforderungen einzelner Unternehmen wieder eine makroökonomische, gesellschaft-liche Dimension. Wir sind zurück bei der Forderung nach mehr und besserer Bildung und Ausbildung auf Basis der Erkenntnisse, die sich an unterschiedlichen Stellen ihren Weg bahnen. Das Gesamtbild, das sich ergibt, ist komplex und unsicher, volatil und vieldeutig. Wir leben in einer VUCA-Welt – sich nicht damit auseinanderzusetzen ist keine Option, weder für den Einzelnen noch für Unternehmen, noch für die Gesellschaft.

Der Text ist erschienen im Buch „Digital human – Der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung“ von Bettina Volkens und Kai Anderson.
Gebundene Ausgabe: 248 Seiten
Verlag: Campus Verlag, 1. Auflage (2017)
ISBN-10: 3593508354
ISBN-13: 978-3593508351

Kai Anderson (Vorstand und Gründer der Promerit AG)
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