MHP und LMU München haben Ergebnisse des Industrie 4.0 Barometers 2024 zusammengefasst (Quelle: MHP)
„Wir konnten bei sämtlichen Technologien eine positive Entwicklung registrieren“, sagt Prof. Dr. Christina Reich von der FOM Hochschule für Oekonomie & Management sowie Managerin bei MHP. „Wir sehen beispielsweise am Barometerwert von 60 % bei Ortungstechnologien – das sind 11 Prozentpunkte mehr als 2023 –, dass in diesem Bereich noch mehr Technologien partiell oder vollständig im Einsatz sind, die Einzelteile von Produkten oder Endprodukte über die gesamte Wertschöpfungskette orten können, als im vergangenen Jahr. Denn 2023 lag dieser Wert noch bei 49 %, 2022 bei 43 %. Wir sind hier also auf einem stetigen und guten Weg.“
Regionale Unterschiede sind deutlich
Allerdings lassen sich – wie schon in der Vergangenheit – deutliche Unterschiede beim Vergleich der einzelnen Länder feststellen. Während in China 66 % der an der Studie Teilnehmenden angeben, partiell oder vollständig Ortungstechnologien zu nutzen, in den USA 64 % und im Vereinigten Königreich 47 %, sind es in der DACH-Region lediglich 36 %. Hier haben zudem 30 % der Befragten auch gar nicht vor, daran etwas zu ändern.
Noch gravierender sind die Unterschiede laut MHP beim Thema digitaler Zwilling: In China haben 72 % der befragten Unternehmen partiell oder vollständig ein digitales Abbild der gesamten Logistik etabliert, das Prozess- und Zustandsdaten erfasst. In den USA sind es 43 %, im Vereinigten Königreich 29 % und in der DACH-Region 25 %. Und während in der DACH-Region 41 % der Teilnehmer sagten, keine autonomen Maschinen oder Roboter zu nutzen, bestätigten das in den USA 28 % – und in China gaben das nur 2 % an.
Industrial-AI-Potenziale erkannt
„Im Grunde findet sich dieses Bild bei allen Industrie-4.0-Aspekten: China führt mit erheblichem Abstand – mittlerweile liegen auch die USA fast überall ein gutes Stück zurück. Das Vereinigte Königreich folgt in der Regel auf dem dritten Rang. Die DACH-Region hat meist den größten Nachholbedarf“, sagt Prof. Dr. C. Reich.
Das ist laut der Studie auch bei der Industrial AI so, die in diesem Jahr bei der Untersuchung im Fokus stand: In China setzen 94 % der befragten Unternehmen bereits KI-basierte Lösungen in den Fertigungsprozessen ein. "Das sind mehr als doppelt so viele Unternehmen wie in den USA, die mit 46 % folgen", wird berichtet. Im Vereinigten Königreich gaben 29 % der Teilnehmer an, KI-basierte Lösungen im Einsatz zu haben, in der DACH-Region 20 %. Besonders bemerkenswert sei diese Divergenz, weil 6 % aller Befragten die Auswirkungen von KI in Fertigungsprozessen in den kommenden Jahren als grundlegend einschätzen, 22 % als sehr hoch, 32 % als hoch und 27 % immerhin noch als moderat, meinen die Experten.
„Das enorme Potenzial von Industrial AI haben eigentlich alle erkannt. Umso bedenklicher ist aus unserer Sicht, dass insbesondere im Vereinigten Königreich und in der DACH-Region verpasst wird, dieses Potenzial auch zu nutzen“, sagt Prof. Dr. Johann Kranz, Professor für Digital Services and Sustainability an der LMU. Ein entscheidender Grund für die deutlichen Unterschiede zwischen den Ländern bei KI-basierten Lösungen ist der Mangel an entsprechend qualifizierten Mitarbeitern. In China stimmten 88 % der Befragten der Aussage zu, über ausreichend viele Teammitglieder zu verfügen, um die Arbeit in KI-Projekten zu erledigen. In der DACH-Region bejahten das nur 36 %.
Fachkräftemangel als Hemmschuh
Der Mangel an Fachkräften wird als das größte Hemmnis bei der Einführung von Industrie-4.0-Technologien angegeben. Weltweit sehen das laut der Studie 52 % der Teilnehmer so. Es folgen das Vorhandensein von Legacy-Systemen (vereinfacht ausgedrückt: veraltete bzw. inkompatible Unternehmenssoftware) und die komplizierte Einbindung ins Tagesgeschäft mit einer Zustimmung von jeweils 47 %. Als bemerkenswert stellt MHP heraus: "Im Vorjahr war die unsichere Bewertung des Returns on Investment mit 67 % noch das am häufigsten genannte Argument. In der diesjährigen Untersuchung stimmten dem nur noch 43 % der Befragten zu."
Absolut positiv wirkt sich laut den Experten auf die Einführung von Industrie-4.0-Technologien und die Realisierung von KI-Projekten aus, wenn der Chief Information Officer (CIO) Teil der Geschäftsführung ist. "Ist das der Fall, schneiden Unternehmen bei allen Aspekten besser ab. Beispielsweise bewerten Teilnehmer aus solchen Unternehmen den eigenen KI-Reifegrad um 91 % höher als Teilnehmer aus Unternehmen ohne CIO in der Geschäftsführung. Und sie sind mit der Finanzierung von KI-Projekten signifikant zufriedener", wird berichtet. Dass China bei nahezu allen Industrie-4.0- und Industrial-AI-Aspekten den Ton angibt, wird deshalb auch mit einem Blick auf die Rolle des CIO erklärt: "Bei 48 % aller befragten Unternehmen ist der CIO Teil der Geschäftsführung. In China ist er das in 83 % aller Fälle."
Über die Studie
Das Industrie 4.0 Barometer 2024 wird von der Management- und IT-Beratung MHP in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) herausgegeben. An der Befragung, die im Jahr 2023 zum sechsten Mal durchgeführt wurde, nahmen 856 Personen, die in Industrieunternehmen aus China (248), den USA (204), der DACH-Region (203) und dem Vereinigten Königreich (201) beschäftigt sind, teil.
Der zugrundeliegende Fragebogen bezieht sich wegen der Vergleichbarkeit in jedem Jahr auf die vier Themencluster Technologie, IT-Integration, Strategie und Ziele sowie Hemmnisse und Treiber. Ergänzend hierzu wurde diesmal das Fokusthema Industrial AI genauer untersucht. Der empirische Teil wird durch Interviews mit verschiedenen Experten und die Vorstellung erfolgreicher Industrie-4.0-Anwendungsfälle ergänzt.