Agile Zusammenarbeit beim Engineering wegen Corona

Ein digitaler Zwilling ist erst dann ein digitaler Zwilling, wenn tiefgreifendes Prozess-Know-how in die erstellten individuellen Simulationsbibliotheken einfließt. Allerdings findet man dieses Know-how kaum beim Engineering-Dienstleister, sondern es gehört zum alltäglichen Kerngeschäft von Partnern wie Kroenert. Deshalb setzten sich alle Beteiligten zusammen, um die Entwicklung des Simulationsmodells voranzutreiben. Dabei stellte sich schnell heraus, dass die normale Vorgehensweise mit einem Top-Down-Modell und einem fest definierten Lastenheft zu keinem Erfolg führt. Wenn beispielsweise Kleinigkeiten übersehen oder Anlagenkonzepte geändert werden müssen, durchläuft das Engineering immer wieder kostenintensive Iterationen und es schleichen sich Fehler ein, die unter Umständen erst bei der Inbetriebnahme entdeckt werden. Deshalb setzte das Entwicklerteam auf eine agile Entwicklung und zerlegte das komplexe Projekt in viele kleine Teilschritte mit einer terminierten Zeit und einer definierten Funktion. Die dadurch entstehende Transparenz kann genutzt werden, um das Gesamtvorhaben zu überprüfen und aufgrund neu gewonnener Erkenntnisse anzupassen. Basis bildete deshalb eine streng modularisierte, objekt- orientierte und auf Projekt- und Treibergeneratoren basierende Kooperationsentwicklung.

Die im März dieses Jahres einsetzende Corona-Krise verlangte von der Entwicklermannschaft zusätzliche Kreativität. Zeitwei- se fanden die Entwicklung und Validierung der Module parallel über drei Standorte in ganz Deutschland verteilt statt. Hierzu wurde der Hardware-in-the-Loop-Testaufbau dupliziert und die Softwarestände über Update-Mechanismen immer wieder synchronisiert. Auf diese Weise war es möglich, gleichzeitig die neu entstandenen Module bei Kroenert bereits auf Funktionalität und Leistungsfähigkeit zu überprüfen, während parallel dazu das Heitec-Team in Erlangen und im Homeoffice die Module sukzes- siv ergänzt und andere Module weiterentwickelt hat. So kam es, dass bis zu drei Entwickler parallel an unterschiedlichen Funktionen an verschiedenen Standorten gearbeitet haben.

„Corona hat uns gezeigt, dass solche Projekte unter den Umständen nicht nur möglich waren, sondern sich tatsächlich durch die erzwungene parallelisierte Arbeit ein erheblicher Effizienz- schub bei der Entwicklung einstellte“, resümiert M. Kasseckert und ergänzt: „Auch wenn wir bereits seit mehr als zehn Jahren im digitalen Engineering Steuersoftware durch Validierung am digitalen Zwilling optimieren, so wird uns die Bedeutung dieser Modelle gerade in Zeiten von Corona noch einmal richtig be- wusst. Dabei hat sich der digitale Zwilling in der Inbetriebnahme und im Retrofit schon immer bewährt, sodass die Steuersoft- ware noch vor dem Betrieb der realen Anlage abgenommen werden kann und funktionsbereit ist. Allerdings konnten wir mit der gemeinschaftlichen Arbeit mit Kroenert die Machbarkeit und den Einsatz digitaler Zwillinge auch für tiefgreifende Prozessaufgaben validieren, wie sie bei Kroenert Standard sind.“

Jetzt gilt es, das neu gewonnene Erfolgskonzept, das in enger Zusammenarbeit gereift ist, auf den gesamten modularisierten Maschinenpark auszuweiten, die Module weiter zu schärfen und endgültig zu validieren. Ziel ist es, dass die neu entstandene Simulationsmethodik auch auf den gesamten Maschinenpark in Regler-Echtzeit voll abgebildet wird – und das auf einer einzigen Simulationseinheit, ohne den Einsatz zusätzlicher Hardware.

Benedikt Bräutigam; Heitec AG
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