Abbildung zum Thema Digitalisierung

(Quelle: fotolia.com / ElnurAmikishiyev)

Digitale Ökosysteme, Branchen-Clouds und Superapps

Laut dem aktuellen Leitfaden zur Business Transformation im industriellen Mittelstand des VDMA werden Ökosysteme, digitale Plattformen und Mehrwertdienste wettbewerbsentscheidend sein. Zusätzlich sind dabei die erhöhten Anforderungen, beispielsweise aus gesetzlichen Regelungen wie dem Lieferkettengesetz, der geforderten Nachhaltigkeit und CO2-Klimabilanz oder auch der Energie- und Ressourceneffizienz durch eine umfangreiche Digitalisierung zu berücksichtigen.

Die EU hat in der kommenden „Roadmap zur Cloud-Strategie“ Cloud-Plattformen und -Ökosysteme als die Enabler für klimaorientierte Optimierung in Bereichen wie CO2-Einsparung, Ressourcenschonung oder Zero Waste festgehalten.

Auch das Analystenhaus Gartner zählt branchenspezifische Cloud-Plattformen („vertical-market clouds“) zu den „Emerging Technologies“: „Eine breitere Cloud-Einführung in Unternehmen erfordert mehr vertikal ausgerichtete Gesamtproduktlösungen, die definierten Branchenszenarien und Prozessmodellen folgen, statt technologieorientierter Lösungen, die Unternehmen weitgehend selbst konfigurieren und integrieren müssen. Branchen-Clouds werden einen nachhaltigen Einfluss haben und die Grenzen zwischen etablierten Cloud-Diensten wie SaaS, PaaS und IaaS verwischen.“

Zusätzlich rät Padraig Byrne, Senior Director Analyst bei Gartner, mit der Entwicklung von „Superapps“ zu beginnen. Seiner Definition zufolge „kombinieren Superapps Funktionen einer normalen App mit den Eigenschaften einer App-Plattform und eines Ökosystems. Superapps bieten nicht nur ihre eigenen differenzierten Funktionen, sondern auch die Möglichkeit, Anwendungen von Drittanbietern mit einem gemeinsamen Datenmodell zwischen der Kern-App und der Software von Drittanbietern zu entwickeln.“

Digitalisierung als Treiber von Nachhaltigkeit

Einer Pressemitteilung der Europäischen Kommission zufolge sind europäische Unternehmen in der Nachhaltigkeitsbilanz weltweit führend. „Sustainability“ ist in den Werten der EU verankert und in der Geschäftswelt aufgrund der ESG-Berichterstattung (Environment, Social, Governance) besonders im Fokus.

Die digitalen Technologien können eine tragende Rolle spielen, wenn es um ökologische Nachhaltigkeit geht. Insbesondere im Hinblick auf Verfahren zur Energiereduzierung bei IT-Diensten, den Einsatz von Analysen und die Rückverfolgbarkeit von erneuerbaren Energien. Speziell bei der Vergabe von neuen Digitalisierungsprojekten sollten Unternehmen diese Aspekte berücksichtigen und genau darauf achten, wie beispielsweise Cloud-Anbieter ihre Service-Infrastruktur betreiben (Stichwort carbon-aware Cloud-Services).

Technologiegestützte Supply-Chains

Die Krisen der vergangenen Jahre haben 64 % der Führungskräfte im Rahmen der Supply-Chain(s) dazu bewogen, ihre Ausgaben für digitale Technologien drastisch zu erhöhen, um die Abläufe reaktionsfähiger und zukunftsorientierter zu machen. Das geht aus dem aktuellen MHI-Industry Report „Evolution to Revolution: Building the Supply Chains of Tomorrow“ hervor: „Die Pandemie hat zu noch nie da gewesenen Lieferkettenunterbrechungen und -engpässen geführt. Jetzt ist es an der Zeit, die daraus gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen und in die richtigen technologischen Lösungen zu investieren. Denn: Lieferketten werden mehr und mehr zu einer technologiegetriebenen Angelegenheit“, so die Autoren der Studie.

Unbestritten: Die digitale Transformation erlebt einen enormen Schub und ist in aller Munde. Dass IT-Projekte oft langwierig sind und mitunter das Budget sprengen, leider ebenso. Doch es geht dank cloudbasierter No-Code- und Low-Code-Plattformen auch anders. Fertige Cloud-Services, die branchenspezifische „Pain Points“ adressieren, lassen sich schnell und kosteneffizient ausrollen. Trotzdem hat jedes Unternehmen eigene Anforderungen, die es umzusetzen gilt. Hier kommen No-Code- und Low-Code-Ansätze zur Individualisierung der Software ins Spiel. Sie bieten die perfekte Basis für „do it yourself“: Mitarbeiter:innen aus den Fachabteilungen adaptieren Eingabemasken, Metadatenmodelle oder automatisierte Prozesse selbstständig – ohne Programmierkenntnisse.

Ist beispielsweise die Supply-Chain rasch an neue Situationen anzupassen, bedeutet dies den entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Office- & Shop-Floor Automation

„Factory Automation” befreit bekanntlich Menschen von monotonen, schmutzigen und gefährlichen Arbeiten. Automatisierung erhöht die Konsistenz und vermeidet in Folge auch Fehler durch manuelle Einflüsse.

Das Gleiche gilt für Tätigkeiten wie das Bezahlen von Rechnungen, das Dokumentieren von Schulungen oder die Kalibrierung von Messgeräten, die in jedem Unternehmen vorkommen. In einigen Fällen sind diese als Verfahren kodifiziert (beispielsweise im Qualitätsmanagement), in anderen Fällen gibt es informelle oder lose definierte Vorgehensweisen. Zu den Prozessen, die oft nur unzureichend geregelt sind, zählen die Berichterstattung über Beinahe-Fehler, die Auswahl von Lieferanten oder die Überwachung des indirekten Materialverbrauchs.

Diese Vorgänge sind durch die Verwendung von Papierformularen, Ordnern und Tabellenkalkulationen gekennzeichnet. In jedem Fall umfasst der Arbeitsablauf Personen, die Dokumente erstellen, bearbeiten und sie weiterleiten. Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit müssen diese Schritte aufgezeichnet werden, um eine Historie für Audits zu erstellen. In Fertigungsbetrieben liegt die Automatisierung von Büro- und Verwaltungsaufgaben insgesamt noch im Hintertreffen.

Das Ziel ist, Shop- und Office-Floor zusammenzuführen und auch administrative Abläufe zu automatisieren. Informationen aus der Produktionsebene wie Maschinendaten bilden die Grundlage für Digitale Zwillinge. Diese wiederum ermöglichen ein Zusammenführen mit Daten aus dem Office-Floor, z. B. 3D-Modellen, Handbüchern, Zertifikaten oder Verträgen sowie Informationen aus dem Qualitätsmanagement oder aus Prüf- oder Freigabeprozessen. Durch den Einsatz einer prozessgetriebenen digitalen Plattform für technische Daten und Dokumente lassen sich Partner entlang der gesamten Supply-Chain vernetzen und so unternehmensübergreifende Workflows realisieren.

Der Einsatz von digitalen Ökosystemen, Branchen-Clouds und Superapps bricht Datensilos auf und ermöglicht dadurch Blicke über den eigenen Tellerrand hinaus. Mithilfe von „Business Intelligence“ innerhalb dieser Plattform entstehen zuverlässige Analysen aus den unterschiedlichsten Bereichen einer Smart Factory, welche maßgeblich zur intelligenten Steuerung von industriellen Abläufen beitragen können.

Andreas Dangl, Digitalisierungsexperte und Geschäftsführer der Fabasoft Approve GmbH

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