Interview mit Carsten Schmitz

Abbildung von Carsten Schmitz

Carsten Schmitz, Principal Client Partner – Private 5G Germany bei NTT Germany: „Ein eigenes 5G-Firmen-Mobilfunknetz, genannt P5G, basiert auf Technologien des klassischen Mobilfunks. Diese sind oft noch gänzlich unbekannt, sodass wir die Vorteile von P5G gerade für
Industrie 4.0 und im Außenbereich aufzeigen (Quelle: NTT)

Bitte geben Sie einen Einblick, was 5G aktuell leisten kann gerade im Hinblick auf die industriellen Anforderungen. 

C. Schmitz: 5G und insbesondere P5G im Frequenzbereich N78 in Deutschland ermöglicht eine effiziente industrielle Infrastruktur: Die Versorgung großer Flächen insbesondere im Außenbereich von Unternehmen erfolgt störungsfrei und bietet eine echte drahtlose Hochverfügbarkeit durch zwei redundante Netzebenen. Das macht eine Netzwerkverkabelung für industrielle Systeme überflüssig. Unternehmen sind dadurch flexibler, denn sie können auf physische Veränderungen in der Produktionslinie schneller, aber auch kostengünstiger reagieren, weil der Aufwand für neue Verkabelungen wegfällt. Einen Automobilhersteller aus Deutschland kosten solche Änderungen in der Produktion immerhin durchschnittlich 1000 € pro Kabel, das neu verlegt werden muss.

Für welche Applikationen ist aus Ihrer Sicht 5G die beste Wahl und wann ist beispielsweise Wi-Fi 6 besser geeignet?

C. Schmitz: Roboter und datenintensive oder bewegte Prozesse im Außenbereich brauchen ein privates 5G-Netzwerk, um optimal zu funktionieren. Sprechen wir über Projekte im Innenbereich, dann müssen Firmen die Technologie sorgfältig abwägen. Braucht die Anwendung viel Mobilität oder sind öffentliche Spektren häufig überlastet, dann ist in solchen Fällen P5G die bessere Wahl. Für die Konnektivität von Gästen und Office Nutzern ist Wi-Fi 6 völlig ausreichend.

Einige Unternehmen versuchen schon länger, mit Campus-Netzen den Nutzen von privatem 5G einer breiten Öffentlichkeit bewusster zu machen. NTT gehört ebenfalls dazu mit Erfolg?

C. Schmitz: Unbedingt: NTT ist gemessen an der Fläche der privaten 5G-Netze in Deutschland aktuell der größte Anbieter mit seinen Kunden Flughafen Köln-Bonn und Flughafen Frankfurt am Main. Wir verfügen über 25 Jahre Erfahrung im Bereich der Mobilfunknetze und über 35 Jahre Erfahrung im Bereich der Geschäftskunden-IT. Dass wir diese beiden Kompetenzbereiche komplett aus einer Hand liefern können, zeichnet NTT aus. Wir sind nicht nur 5G-Experten, sondern bringen auch alle anderen wichtigen IT-Bausteine mit, beispielsweise IT-Security, Cloud, LAN oder SD-WAN – und dies in mehr als 60 Ländern der Welt.

Sie haben auch einige erfolgreiche 5G-Applikationen im industriellen Bereich umgesetzt. Bitte verdeutlichen Sie anhand von ein bis zwei Beispielen den Kundennutzen sowie Ihre Kompetenzen rund um das Thema.

C. Schmitz: Bei all unseren Projekten im Bereich P5G besteht der Nutzen für die Anwender hauptsächlich darin, dass sie nun geschäftliche Entscheidungen aufgrund neuer und viel umfangreicherer Daten treffen können. Wir ersetzen veraltete lokale Kommunikationsanlagen wie Betriebsfunk durch P5G. Die neuen Datenkanäle erlauben dann innovative Abläufe von Geschäftsprozessen oder völlig neue Sichtweisen auf Althergebrachtes.

Auf dem Flughafen Frankfurt haben wir zum Beispiel das größte private 5G-Campusnetz in Europa aufgebaut. Das P5G-Netz bietet dem Betreiber Fraport nun ein Umfeld, um die Daten und Sprachkommunikation autark zu steuern. Durch eine hohe Bandbreite und eine geringe Latenz können Zukunftsprojekte wie autonomes Fahren schneller vorangetrieben werden. Auch eine Datenübertragung in Echtzeit ist mithilfe des 5G-Netzes möglich. Dies kann künftig beispielsweise bei der videogestützten Kontrolle von Flughafeneinrichtungen durch Roboter oder Drohnen erforderlich sein.

Auch für die Exzellenzuniversität RWTH Aachen University haben wir gemeinsam mit Cisco ein privates 5G Mobilfunknetz umgesetzt, das durch hohe Bandbreite, Datenübertragung in Echtzeit und eine geringe Latenz perfekte Voraussetzungen für anspruchsvolle Forschungsprojekte schafft.

Außerdem haben wir Projekte verwirklicht, bei denen 5G-gesteuerte Roboter auf dem Boden sowie in der Luft Daten gewinnen oder KI-Auswertungen von Aufnahmen aus dem Produktionsprozess möglich sind.

Was raten Sie Unternehmen - gerade KMU: Wie sollten sie sich jetzt auf das Thema 5G vorbereiten und dieses angehen?

C. Schmitz: Für KMU ist ein privates Mobilfunknetz nur ein Gewinn, wenn die Infrastruktur den Geschäftsprozess perfekt bereichert. Dies ist dann der Fall, wenn Unternehmen endlich alte und teure Prozesse digitalisieren können oder ihr Produkt durch Verwendung neuer Daten stark verbessern können. Ansonsten lohnen sich die mindestens fünfstelligen Investitionen für KMU meistens nicht. Je größer der Betrieb, desto mehr Anwendungsfälle wird es geben, die eine Investition rechtfertigen.

KMU können aber auch auf den öffentlichen Mobilfunk mit 5G zurückgreifen, der heute in Ballungsräumen gut verfügbar ist und bis zu zehnmal schnellere Datenraten als das LTE-Netz bietet. Dafür sollten sie zu 5G- statt zu 4G-fähigen Endgeräten greifen. Der Aufpreis monetarisiert sich dann über kürzere Wartezeiten während der Nutzungsdauer.

Bitte geben Sie einen Ausblick: Wird es noch zum ursprünglich erwarteten 5G-Erfolg kommen, oder wird dieser von 6G übersprungen?

C. Schmitz: Unser Team bei NTT ist vollkommen von 5G überzeugt. Wir sehen aktuell eine rapide ansteigende Nachfrage. Als japanische Telekom (Nippon Telegraph and Telephone; NTT) arbeiten wir mit unserer Mobilfunktochter Docomo bereits an 6G aber bis diese Lösung mit einer breiten Auswahl an Endgeräten für verschiedene Anwendungen verfügbar sein wird, wird noch bis mindestens Ende dieses Jahrzehnts dauern. Es gibt keinen Grund, auf eine Technologie von übermorgen zu warten, wenn Unternehmen bereits heute einen wirtschaftlichen Nutzen aus existierenden P5G-Lösungen schöpfen können. Firmen sollten die Digitalisierung ihrer Prozesse nicht weiter verzögern, sondern jetzt handeln: Ansonsten werden sie von Wettbewerbern eingeholt.

Inge Hübner
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