KI in der Praxis: Beckhoff integriert ML in Softwarelösung

Abbildung von Twincat 3 von Beckhoff für Machine und Deep Leaning

Mit Twincat 3 stehen dem Automatisierer die neuen Möglichkeiten von Machine und Deep Learning in seiner gewohnten Steuerungswelt zur Verfügung (Quelle: Beckhoff)

Auch Beckhoff sieht in KI einen Technologiebereich mit immensem Innovationspotenzial für die Fertigungsindustrie – und hier insbesondere im Machine Learning (ML). „Grundidee des Maschinellen Lernens ist es, Lösungen für bestimmte Aufgaben nicht mehr durch klassisches Engineering zu erarbeiten und in einen Algorithmus zu überführen. Vielmehr soll der gewünschte Algorithmus anhand von beispielhaften Prozessdaten erlernt werden. Auf diese Weise lassen sich leistungsfähige Modelle trainieren und damit bessere bzw. performantere Lösungen erzielen“, verdeutlicht das Unternehmen in einer Pressemeldung. Neue Möglichkeiten und Optimierungspotenziale für die Automatisierungstechnik sieht Beckhoff dadurch beispielsweise in den Bereichen prädiktive Wartung und Prozesssteuerung, Ano­maliedetektion, kollaborative Roboter, automatisierte Qualitätskontrolle und Maschinenoptimierung.

Vor diesem Hintergrund hat das Unternehmen auf der Hannover Messe 2019 eine nahtlos in Twincat 3 integrierte ML-Lösung präsentiert. Dabei seien die von PC-based Control gewohnten Vorteile der Systemoffenheit durch die Nutzung etablierter Standards auch für ML-Anwendungen gegeben, teilt das Unternehmen mit. Zudem würde das Machine Learning in Echtzeit realisiert, sodass sich die Twincat-Lösung beispielsweise auch für den Motion-Bereich eigne.

Im Detail: Das jeweilige Modell wird innerhalb eines der gängigen ML-Frameworks, wie Matlab oder Tensorflow, trainiert und anschließend über das standardisierte Austauschformat ONNX (Open Neural Network Exchange) zur Beschreibung von trainierten Modellen in die Twincat-Runtime importiert. Als neue Funktionen stehen dafür zum einen Twincat 3 Machine Learning Inference Engine für klassische ML-Algorithmen, wie Support Vector Machine und Principal Component Analysis, bereit. Zum anderen gibt es Twincat 3 Neural Network Inference Engine für Deep Learning und Neuronale Netze, wie Multilayer Percep­trons und Convolutional Neural Networks.

Die Inferenz, das heißt die Ausführung eines trainierten ML-Modells, ist als „Twincat-TcCOM“-Objekt direkt in Echtzeit möglich. Für kleine Netze nennt Beckhoff eine Reaktionszeit des Systems <100 µs (Twincat-Zykluszeit 50 µs). Aufrufbar sind die Modelle sowohl über die PLC, C/C++-„TcCOM“-Interfaces als auch über eine zyklische Task.

Durch die nahtlose Integration in die Steuerungstechnik steht die Multicore-Unterstützung von Twincat auch für das maschinelle Lernen offen. So kann aus unterschiedlichen Task-Kontexten auf die jeweilige Twincat 3 Inference Engine zugegriffen werden, ohne dass sich dies gegenseitig begrenzend auswirkt. Weiterhin ist der volle Zugriff auf alle Feldbusschnittstellen und Daten in Twincat gegeben. Damit lässt sich für die ML-Lösung einerseits eine immense Datenfülle zum Beispiel für komplexe Sensor­datenfusion (Datenverknüpfung) nutzen. Andererseits stehen echtzeitfähige Schnittstellen zu Aktoren unter anderem für Optimal Control zur Verfügung.

Breiter KI-Ansatz

Große Potenziale in KI sieht auch Siemens für sich und seine Kunden. Deshalb integriert das Unternehmen KI sowohl in seine Hardware- als auch seine Softwarelösungen: Auf der SPS IPC Drives 2018 wurde bereits ein neues Modul mit integriertem, KI-fähigem Chip für die Simatic-S7-1500-Steuerung angekündigt: Durch die Anwendung von Machine-Learning-Algorithmen sollen sich damit beispielsweise roboterbasierte Handling-Vorgänge optimieren lassen.

Im Vorfeld der Hannover Messe wurde dann die Erweiterung der NX-Software um maschinelles Lernen (ML) und KI bekannt gegeben. Hierbei geht es allerdings weniger um die Optimierung des Produktionsprozesses als vielmehr darum, die Benutzeroberfläche automatisch an Bedürfnisse verschiedener Anwendertypen in unterschiedlichen Abteilungen anzupassen. Dadurch sollen Anwender die Software effizienter nutzen und produktiver arbeiten können. Siemens geht davon aus, dass dies schließlich in einem qualitativ hochwertigeren, computergestützten Technologiesystem (CAx-System) und in der Abbildung eines noch stabileren digitalen Zwillings mündet.

„NX ist das erste CAD-Produkt, das Fähigkeiten auf Basis von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen bietet. Ich sehe in der neuen adaptiven NX-Benutzeroberfläche Wert für unsere kausalen Anwender: Sie hilft ihnen bei der Auffindbarkeit und trägt zur Verbesserung der Produktivität bei“, sagte Mr. HyunMin Kim, leitender Ingenieur bei Samsung Electronics Co., LTD.

„Bei CAD-Anwendungen gab es immer einen Kompromiss zwischen Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit. Je umfangreicher die Anwendungen werden, desto schwieriger ist es, sie zu nutzen und zu beherrschen“, erklärt Chad Jackson, Chief Analyst bei Lifecycle Insights. „Die anpassungsfähige Benutzeroberfläche in NX umgeht dieses Problem. Sie führt Laien und geübte Benutzer zur richtigen Zeit an die richtige Funktion. Davon werden viele Anwender profitieren.“

Und dann hat Siemens im Nachgang der Hannover Messe noch seine Zusammenarbeit mit SAS angekündigt. Dadurch sollen Unternehmen künftig neue IoT-Edge- und cloudbasierte Lösungen durch den Einsatz von SAS und Open Source Streaming Analytics entwickeln können, die standardmäßig in Mindsphere angeboten werden. So erhalten Benutzer Zugang zu den prädiktiven Analysen von SAS in Mindsphere und können so die Einführung von ML und KI im IoT beschleunigen.

2 / 4

Ähnliche Beiträge