Vom Prozess zum MES in Echtzeit

Abbild Automatisierungspyramide

Bild 1: Automatisierungspyramide

Für den Informationsfluss im Unternehmen gilt heute mehr denn je die Forderung, dass Informationen in Echtzeit übertragen werden. Die Ära der Stand-alone-Lösungen geht zu Ende. Besonders im Produktionsbereich entscheidet die Einbindung in den unternehmensweiten Informationsfluss immer stärker über den Erfolg einer Lösung. Dabei unterscheidet sich der Echtzeitbegriff je Anwendungsfall erheblich: Bedeutet er für den Informationsaustausch hin zu übergeordneten Fertigungsmanagementsystemen in der Regel lediglich, dass die Information zeitnah vorhanden sein muss, wobei zeitnah im Bereich von Minuten oder auch Stunden liegen kann, liegt die zulässige Zeitabweichung, der sogenannten Jitter, bei Mess- und Steueranwendungen bei wenigen Milli- oder gar Mikrosekunden. Auch wenn diese strikten Anforderungen für den Datenaustausch zwischen Prozess und MES nicht gelten, benötigt Letzteres als Produktionsleitsystem mit Echtzeitcharakter seine Informationen in Zeitspannen, die weit unter der Fertigungstaktung liegen. Diese Echtzeitanforderungen werden am besten erfüllt, wenn Informationen vom Prozess über möglichst wenige Stationen hin zum MES übertragen werden. Um dies zu erreichen, muss die − flache − Zwischenebene über zahlreiche Schnittstellen verfügen, die die direkte Anbindung an Prozess und MES gleichermaßen ermöglichen.

Mit NI Diadem von National Instruments gibt es eine Software, die diese Anforderungen abdeckt. Zum einen verfügt die Software über die Schnittstellen zum Prozess, speziell im Modul NI Diadem-DAC, und zum anderen − dank der zahlreichen Funktionen zum Datenaustausch im Modul Navigator und der umfangreichen Programmierfunktionalität bis hin zum Zugriff auf Betriebssystemressourcen im Modul Script − über die zur übergeordneten Managementebene. Allerdings erfordern komplexe Lösungen in der Regel auch komplexe Lösungsansätze, die über die Möglichkeiten einer reinen Standardsoftware hinausgehen. Basierend auf langjährigen Erfahrungen mit Prüfstandsapplikationen setzt A-Solution dabei auf ein dreistufiges Konzept. Die Ausgangsbasis bildet die Standardsoftware NI Diadem, die eine Bibliothek allgemeingültiger Lösungen aus den Bereichen technisches Datenmanagement sowie Mess-, Steuer- und Regelungstechnik zur Verfügung stellt. Darauf setzt eine Rahmenapplikation mit prüfstandstypischen Standardfunktionen, wie Ablaufsteuerung, auf. Die Anpassung an kunden- und aufgabenspezifische Anforderungen, zum Beispiel die Gestaltung von Benutzeroberflächen oder im konkreten Fall die Anbindung an Bosch Opcon MES, erfolgt dann durch individuelle Programmierung, die aber wiederum ausschließlich in NI Diadem stattfindet. Im Ergebnis wird ein weites Funktionsspektrum auf nur einer Programmebene realisiert, was Laufzeiten im Datenfluss reduziert (Bild 1).

Kernstück des beschriebenen Konzepts ist die Prüfstandsrahmenapplikation A-Uni mit den Funktionen Prüfung (automatisch und halbautomatisch), Handbetrieb, Selbsttest, Parameterverwaltung, statistische Auswertungen und Protokoll- / Reportgenerierung. Ähnlich wie der Hardware Abstraction Layer eines Betriebssystems verfügt A-Uni mit einem universellen DAC-Schaltplan über eine zentrale Schnittstelle zur Einbindung unterschiedlicher Hardware. Die Möglichkeiten der Prozessanbindung in NI Diadem-DAC werden ausgenutzt: Die bedienten Schnittstellen umfassen neben den standardmäßig implementierten, wie „DAQmx“, solche, die anwendungsspezifisch adaptiert werden, aber auch grundsätzlich neu definierte. Zu den adaptierten gehören die Busanbindung von Prüflingen und Peripherie über OPC und die zugehörige Hardware von Drittanbietern mit OPC-Server. Unter den neu definierten findet sich eine Schnittstelle zum Echtzeitcontroller NI Compactrio, die je nach Ausbauzustand des Geräts über Ethernet oder CAN kommuniziert, in beiden Fällen aber auf der DAC-VB-Script-Schnittstelle basiert. Prinzipiell auf gleichem Wege, aber über eine dazwischenliegende spezielle Active-X-Komponente, erfolgt die Anbindung von Kommunikationshardware für Ethernet-basierende Protokolle wie Sercos III oder Profinet. Neben klassischer Sensorik lassen sich auch Geräte mit eigener Intelligenz in Fertigungsmanagementsysteme einbinden. Der Weg über die nach allen Seiten offene Architektur von A-Uni ist angesichts der proprietären Schnittstellen, mit denen diese Komponenten und Systeme häufig ausgestattet sind, in der Regel einfacher als die direkte Anbindung. Zu den so integrierten Geräten gehören neben SPS verschiedener Hersteller auch hochspezialisierte Messgeräte mit den typischen Schnittstellen, wie RS-232, GPIB oder USB (Bild 2).

Bestehen bei der Prozessanbindung besonders hohe Echtzeitanforderungen, so gelten diese auch für die Anbindung der Hardware an NI Diadem. Hier kommt der auf der DLL-Schnittstelle GPI basierende Ethercat-Treiber A-Cat zum Tragen. Damit ist die direkte Anbindung von Ethercat-Hardware, wie das Ethercat-Slave-Chassis NI 9144 mit den zugehörigen IO-Modulen der C-Serie, möglich. Basierend auf dem Ethercat-Master von Kithara stellt der Treiber eine Echtzeit-Anbindung von NI Diadem an Ethercat her, die auch den Anforderungen von komplexen Steuer- und Regelfunktionen genügt. Gleichzeitig gestaltet sich die Handhabung komfortabel. So wird die Ethercat- Topologie automatisch erkannt und im DAC-Schaltplan zur Verfügung gestellt. Da der Kithara-Ethercat-Master Netzwerkkarten, wie sie in jedem PC zu finden sind, unterstützt, ist hierfür keine spezielle PC-Hardware notwendig. Damit kann A-Uni bei der Prozessanbindung über Ethercat mit beliebigen PC-Bauformen genutzt werden und vereint dennoch die Vorteile des Echtzeitkerns von NI Diadem und des Industrial- Ethernet-Standard Ethercat. Neben Geschwindigkeitsvorteilen ermöglicht der Zugriff auf verschiedene Feldbusse, Schnittstellen und Protokolle auch die direkte Signalerfassung von Sensoren mit entsprechenden Schnittstellen, was den Einfluss der im industriellen Umfeld häufigen elektromagnetischen Störungen eliminiert und eine höhere Genauigkeit bei der Signalerfassung ermöglicht. Speziell bei den Echtzeitbussen kommt der Vorteil einer Erfassung mit exaktem Zeitstempel hinzu.

Sind die über die vielfältigen Schnittstellen gewonnenen Informationen erst einmal in NI Diadem verfügbar, können Sie dank des Echtzeitkerns des Moduls DAC auch tatsächlich in Echtzeit verarbeitet und weitergeleitet werden − sei es, als Steuersignale, die an die Hardware ausgegeben werden, oder als aufbereitete Informationen, die übergeordneten Ebenen zur Verfügung stehen. Diese Weitergabe erfolgt zum einen direkt in NI Diadem-DAC unter Nutzung der Scriptfunktionalität. A-Uni nutzt diese Option zum Beispiel zur direkten Datenablage in Datenbanken. Für Anwendungsfälle, die eine komplexere Vorverarbeitung zu übertragender Informationen verlangen, führt der Weg in der Regel über das universelle Datenformat TDM. Dabei werden die Prozessdaten im Modul DAC strukturiert und mit ergänzenden Informationen versehen gespeichert, anschließend mittels der mathematischen und Scriptfunktionen der Module Analysis und Script verarbeitet und an höhere Instanzen weitergeleitet.

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