Autonomes Arbeiten (fast) ohne Automatisierungssystem

Abbild Kommunikationsfähigkeit

Bild 2: Kommunikationsfähigkeit

Cyber-physische Produktionssysteme (CPPS), zum Beispiel als intelligente Betriebsmittel, ermöglichen in der Umsetzung von Industrie 4.0 eine dezentralisierte, reaktions- und anpassungsfähige Produktions- und Logistiksteuerung. Voraussetzung hierfür ist die verstärkte Nutzung dezentral verfügbarer Sensorinformationen, um beispielsweise situationsbedingte, lokale Regelkreise aufzubauen. Das Konzept Smart Sensor Solutions ist somit eine „Enabling Technology“ für die sich selbst organisierende Fabrik. Im Zusammenspiel mit anderen, kommunikationsfähigen und intelligenten Sensoren oder Aktoren können Funktionen in sich geschlossen ausgeführt werden. Erkennt zum Beispiel ein smarter Lichttaster die Anwesenheit, Bewegungsrichtung und -geschwindigkeit eines Bauteils, kann er diese Information direkt an einen intelligenten Greifer senden, der das Teil dynamisch aufnimmt und für den nächsten Bearbeitungsschritt neu positioniert (Bild 2). Ist dies erfolgt, erhält das Automatisierungssystem ein „i.O.“-Signal, sodass der nächste Prozessschritt gestartet werden kann. Das ­Automatisierungssystem ist aber mit der direkten Steuerung der autonomen Detektions-/Greiffunktion selbst nicht mehr belastet. Das Beispiel zeigt, wie intelligente Sensoren im Automatisierungsnetzwerk zusammenarbeiten können, um durch die Übernahme bestimmter Aufgaben die Steuerungsebene zu entlasten. Die Smart Sensor Solutions bieten eine Reihe von Optionen, um solche intelligenten Funktionen, sogenannte Smart Tasks, direkt zu übernehmen.

Der Mehrwert intelligenter Sensoren

Die Dezentralisierung intelligenter Funktionen, das heißt ihre Verlagerung vom Automatisierungssystem in die Feldgeräte, ist ein zukunftssicherer Ansatz, um Automatisierungsnetzwerke effizienter und performanter zu gestalten. Die smarten Sensoren von Sick bieten hierfür Mehrwerte, die sie im Markt technologisch herausheben. Die Smart Tasks nutzen die Möglichkeit zur direkten Kommunikation zwischen Sensorik und Aktorik – ohne den oft zeitkritischen Umweg über ein Automatisierungssystem. Eine dieser typischen Funktionalitäten ist die Hochgeschwindigkeitszählung. So ist es mit induktiven und optoelektronischen ­Sensoren möglich, Drehzahlen zu erfassen und zu kontrollieren; Drehrichtungen zu erkennen oder Objekte zu detektieren und zu zählen. Die Signalauswertung findet in den Sensoren statt – zentrale Zählermodule sind nicht erforderlich. An die Steuerung ausgegeben werden keine Impulse, sondern direkt weiterverarbeitungsfähige Drehzahl-, Geschwindigkeits- oder Zählwerte. Die Zeit- und Längenmessung ist ein weiteres Beispiel einer dezentralisierbaren Funktionalität. Smarte Sensoren erfassen und melden direkt die Dimension eines Produkts, zum Beispiel die Länge, die Größe der Lücken zwischen vereinzelten Objekten oder die Geschwindigkeit einer Fördereinrichtung. Dies alles geschieht ohne Zutun des zentralen Automatisierungssystems und entlastet dieses entsprechend; unter Umständen können sogar komplexe Automatisierungskomponenten durch smarte Sensoren ersetzt werden. Daraus ergeben sich Kosteneinsparungen bei Hardware und Programmierung. Dort, wo prozess- oder umgebungsbedingt beim Detektieren und Zählen von Objekten mit einer großen Anzahl von Störsignalen gerechnet werden muss, bewährt sich die Smart-Sensor-Funktionalität der dezentralen Entprellung. Sie erlaubt es, Signale durch eine einstellbare, zeitliche Verzögerung zu bewerten und ­Signale, die nur wenige Millisekunden anstehen, als Störer zu identifizieren und zu unterdrücken. Diese Auswertung findet vor Ort im Sensor statt – weder die Steuerung noch das Netzwerk werden mit umfangreichen und zeitkritischen Signalen belastet, deren Auswertung prozesskritisch sein könnte. Die Produktverfolgung durch eine im Sensor realisierte Time-Stamp-Funktion ermöglicht die verzögerungsfreie, funktionale Synchronisierung von Sensor-Aktor-Einheiten. Jitter-Effekte, wie sie bei der Signalübertragung an die SPS und die hier stattfindende Programmabarbeitung auftreten können, werden durch die Echtzeit-Synchronisation über die Zeitstempel vermieden. Dadurch sind höhere Maschinengeschwindigkeiten ebenso realisierbar wie das hochpräzise Ansteuern von Aktoren.

Smart Sensors eröffnen disruptive Perspektiven

Das Nutzenpotenzial von smarten Sensoren ist zum einen inkrementeller Natur – ausgerichtet auf einen schrittweisen Effizienzgewinn für bestehende Aufgabenstellungen, wie ­Parameter-Download für schnelles Umrüsten und einfacher Gerätetausch, Rezeptverwaltung und Condition Monitoring. Der Innovationsgrad der Smart Sensor Solutions hat zudem eine „radikale Komponente“: Mit ihrer dezentralen Intelligenz sind sie in der Lage, Smart Tasks auszuführen und so neue, höherwertigere Detektionsinformationen zu generieren. Diese können gegebenenfalls im Verbund mit einem weiteren Sensor für die übergeordneten Systeme (SPS, ERP, Cloud) bereitgestellt werden. Dieses inkrementelle Innovationspotenzial eröffnet disruptive Perspektiven, wie sie mit Industrie 4.0 einhergehen. Smarte Sensoren bieten eine Vielzahl von Integrations- und Autonomiefunktionen sowie Optionen für das Internet der Dinge wie auch das Internet der Dienste. Maschinen, Anlagen und Fabriken werden dadurch intelligent vernetzt, arbeiten weitgehend autonom, stimmen sich untereinander ab – und erreichen so hohe Flexibilität auf jeder Ebene. Der Paradigmenwechsel in der Produktion – ausgelöst durch intelligente und kommunikationsfähige Sensoren – ist in vollem Gange.

Michael Kaspar (Sick AG, Waldkirch)
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