Abbild Arbeitskollegen im Büro

Bild 1: Der Living-Demonstrator RTLS im ERP-Innovationlab des Clusters Smart Logistik am RWTH-Aachen-Campus Melaten (Quelle: David Willms)

Unternehmen, die die Potenziale der Digitalisierung heben möchten, müssen diese zunächst für sich identifizieren und bewerten. Gleichzeitig gilt es, geeignete Technologien zu eruieren, die zur Verbesserung der Abläufe in die Produktionssysteme integriert werden. Die Reichweite sowie die Auswirkungen der zu treffenden Entscheidungen sind allerdings oftmals mangels ausreichender Informationen nur unzureichend absehbar. Um Optimierungspotenziale in der eigenen Produktion überhaupt erst identifizieren und realistisch einschätzen zu können, ist die Verfügbarkeit realer und zuverlässiger Produk­tionsdaten, wie Lagerbewegungen oder Ist-Prozesszeiten, wichtig. Aktuell erfolgt die Erfassung solcher Ist-Daten aus der Produktion immer noch zu einem großen Teil papierbasiert oder über eine manuelle Barcode-Erfassung im BDE-System. Diese typischen Vorgehensweisen sind jedoch zeitaufwendig und fehleranfällig. Eine digitalisierte und automatisierte Lösung, speziell im Kontext der Realdatenerfassung und -verarbeitung, schafft Abhilfe und bietet Mehrwert für Unternehmen.

Konsortialprojekt gestartet

Am Cluster Smart Logistik wurde im Konsortialprojekt „RTLS 3.0“ des Center Enterprise Resource Planning gemeinsam mit dem FIR an der RWTH Aachen und weiteren Partnern aus der Industrie zu diesem Thema ein Lösungsvorschlag erarbeitet. Die übergeordnete Zielsetzung des Projekts war es, Ist-Daten automatisch basierend auf Bewegungsdaten in ERP-Systeme zurückzuführen und dadurch das Spektrum der Rückmeldemöglichkeiten sowie den Einsatz von Technologien stetig zu erweitern. Dabei wurde die Infrastruktur des Clusters genutzt, um einen Living-Demonstrator im sogenannten ERP-Innova­tionlab aufzubauen und so interessierten Unternehmen zugänglich zu machen.

Der Mensch als Mitarbeiter steht bei der Ausgestaltung des Demonstrators im Fokus der Betrachtung. Eine möglichst intuitive, systemgestützte Werkerführung soll zu Entlastung und Akzeptanz im Produktionsumfeld führen. Grundbaustein des Demonstrators bildet ein Real-Time-Location-System (kurz RTLS). Diese Technologie bietet Unternehmen durch die Verwendung von entsprechenden RTLS-Tags und -Sensoren zuverlässige und präzise Echtzeitlokalisierungen im Shopfloor. Es lassen sich nicht nur einzelne Assets gezielt tracken, sondern durch eine Verheiratung von RTLS-Tag und Ladungsträger die Position von Fertigungsaufträgen jederzeit in Echtzeit transparent darstellen. Basierend auf vordefinierten logischen Zonen, definierten Regeln und der aktuellen Auftragsposition entstehen damit Zoneneintritts- und -austrittsevents. Durch diese wird der entsprechende Rückmeldedatensatz im ERP-System automatisiert erzeugt. Somit entfällt der Bedarf, eine manuelle Buchung auf Zettel oder im Betriebsdatenerfassungssystem durchzuführen. Durch die Nutzung des RTLS innerhalb der Fabrik können somit insbesondere die Ortung von Aufträgen im Zentimeterbereich realisiert, das Rückmeldewesen automatisiert und damit auch die Qualität der Ex-ante- Rückverfolgbarkeit innerhalb des Produktionsprozesses gesteigert werden. In dem Konsortialprojekt wurden verschiedene ERP-Systeme mit dem RTLS-System ­gekoppelt, weitere Technologien inte­griert und Kombinationsmöglichkeiten sowie Synergieeffekte aufgezeigt.

Momentan befindet sich der Living-Demonstrator in der dritten Ausbaustufe. Neben der visuellen und berührungslosen Werkerführung im ERP-System kann zudem über ein Pick-by-Light-System das nächste zu kommissionierende Material ­angezeigt werden. Dadurch lässt sich die korrekte Zusammenstellung von Artikeln durch verringerte Suchzeiten und weniger Pick-Fehler verbessern. Über einen Dash-Button und durch die Anbindung eines Gewichtssensors kann zudem eine Nachbestellung für Verbrauchsmaterial erfolgen. Darüber hi­n­aus wurden Kamerasysteme integriert, die zur Prozessdokumentation, Qualitätskontrolle oder zur Erstellung von Schulungsmaterial eingesetzt werden können. Durch den Einsatz eines Drehmomentschraubers, der über einen integrierten RTLS-Tag ­verfügt, lässt sich zudem sicherstellen, dass der arbeitsgangspezifische Schraubfall nur in der korrekten Arbeitszone und von dem richtigen Mitarbeiter ausgeführt wird. Hierbei gilt der Grundsatz, dass das ERP-System basierend auf den hinterlegten Stammdaten das entsprechende Programm auswählt und die Statusmeldungen des Geräts zu Dokumentationszwecken speichert. So kann zu jeder Zeit nachvollzogen werden, welche Schraube mit welchem Drehmoment angezogen ­wurde. Warenbewegungen werden zudem mithilfe von RFID-Technologie erkannt und bei Zonenaustritt verbucht. Zur weiteren Steigerung des Mehrwerts ist angedacht, produktions- und sicherheitskritische Daten in einer systemübergreifenden Blockchain fälschungssicher zu dokumentieren. Der Status des Auftrags ist in Echtzeit transparent dargestellt, Bearbeitungs-, Warte- und Transportzeiten werden differenziert und präzise erfasst. Somit ist ein exakter Abgleich der Soll- und Ist-Zeiten möglich. Durch die Reduktion der manuellen Prozessschritte können der Anteil der wertschöpfenden Tätigkeit gesteigert sowie die Fehleranfälligkeit der Prozesskette gesenkt werden.

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