Abbild Siemens AG

Bild: (Quelle: Siemens AG)

Siemens hat sich wie kaum ein anderes Unternehmen der Digitalisierung verschrieben. Warum setzen Sie konsequent auf dieses Thema?

K. Helmrich: Die Digitalisierung ist das große Thema unserer Zeit. Die digitale Transformation ist nicht nur für die Zukunfts­fähigkeit von einzelnen Unternehmen entscheidend, sondern auch für ganze Volkswirtschaften. Gerade auch für Deutschland. Dabei kommt es insbesondere auf die mittelständischen Unternehmen an, die über 99 % aller Unternehmen in Deutschland stellen und mehr als die Hälfte der Wertschöpfung erwirtschaften.

Die Digitalisierung bietet dabei allen Unternehmen – in der Fertigungs- und Prozessindustrie gleichermaßen – entscheidende Wettbewerbsvorteile. Bitte vergleichen Sie Digitalisierung und Industrie 4.0!

K. Helmrich: Industrie 4.0 bezeichnet im Kern die digitale Transformation der produzierenden Industrie. Dabei geht es um eine ganzheitliche Herangehensweise an dem gesamten Wertschöpfungsprozess. Mit anderen Worten: Die gesamte Wertschöpfungskette vom Produktdesign bis hin zum Service beim Kunden wird digitalisiert und integriert. ­Dafür schaffen wir ein digitales Abbild der realen Welt, den „digitalen Zwilling“.

Seit 2007 haben Sie 10 Mrd. € allein in Unternehmen für Industriesoftware investiert. Welche Lücken gibt es heute noch? Sind weitere Zukäufe vorgesehen?

K. Helmrich: Natürlich entwickeln wir unser Portfolio kontinuierlich weiter – durch eigene Innovationen und auch durch Übernahmen. Als jüngstes Beispiel möchte ich die Übernahme von Mendix nennen, das eines der führenden Unternehmen im Bereich Low-Code-Applikationsentwicklung ist. Dies wird unsere Kunden dabei unterstützen, unser IoT-Betriebssystem Mind­sphere noch schneller einzuführen und die Entwicklung von Apps für das Industrielle Internet der Dinge schneller zu entwickeln.

Vor lauter Digitalisierung könnte sich die Automatisierungstechnik etwas „zurückgesetzt“ fühlen. Muss sich der Bereich der Automatisierungstechnik zukünftig als „Erfüllungsgehilfe“ für digitale Wertschöpfungsketten verstehen?

K. Helmrich: Keinesfalls. Digitalisierung funktioniert nicht ohne Automatisierung. Die Automatisierungstechnik ist und bleibt daher eine strategische Säule für Siemens. Mit der Simatic hat vor 60 Jahren eine industrielle Revolution begonnen. Heute ist sie das Rückgrat in der Fertigung und zugleich die Basis für die nächste Stufe – die digitale Transformation der Industrie. Entscheidend ist, dass Automatisierungstechnik und Software in­einandergreifen. Denn es sind am Ende Gesamtlösungen aus Hard- und Software, die den Mehrwert für den Kunden erzeugen.

Die Öffnung von Mindsphere (Gründung Anwenderorganisation Mindsphere World) war sicher ein schlauer Schachzug. Was ist Ihre Strategie, damit Siemens zu den zwei, drei cloudbasierten IoT-Betriebssystemen gehören wird, die im Industrieumfeld überleben werden?

K. Helmrich: Der Markt für IoT-Lösungen wird sich in den kommenden Jahren bereinigen. Ich bin überzeugt, dass nur eine geringe Anzahl, wahrscheinlich eine Handvoll, übrig bleiben wird und dass Mindsphere dazugehört. Denn ein wichtiger Erfolgsfaktor für den Erfolg von IoT-Lösungen ist deren Offenheit. Und diese bietet Mindsphere von an Anfang wie keine andere Plattform – vom herstellerunabhängigen Anschluss von Geräten und Systemen bis hin zu offenen Programmierschnittstellen für die ­App-Entwicklung. Dadurch entsteht schon jetzt ein schnell wachsendes Ökosystem. Mit dabei sind Start-ups ebenso wie führende mittelständische Maschinenbauer oder Großunternehmen. Der von Ihnen erwähnte Verein Mindsphere World hat dabei das Ziel, dieses Ökosystem weltweit weiter auszubauen. Mittlerweile hat er schon über 50 Mitglieder in zwei Vereinen, in Deutschland und Italien. Und diese Community wird international weiterwachsen.

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