Falsche MRP-Berechnungen verursachen sowohl zu hohe Bestände als auch Fehlteile (Quelle: Asprova)
Die Realität vieler produzierender Unternehmen besteht auch im Zeitalter der digitalen Transformation mehr darin, die Brandherde von heute zu löschen, als die Prozesse von morgen zu optimieren. Die Wurzel des Problems liegt in den Defiziten manueller Planung und ihren weitreichenden Auswirkungen auf alle Bereiche der industriellen Produktion. Von entscheidender Bedeutung für eine echte Transformation ist es, der industriellen Produktion eine echte Alternative zur manuellen Planung zu bieten. Dabei sollte eine entsprechende Lösung nicht nur die aktuellen Herausforderungen bewältigen können, sondern auch die Grundlage für eine zukunftsorientierte und nachhaltige Optimierung schaffen.
Der ewige Widerspruch: Fehlteile und Überbestände
Ein prominentes Beispiel der weitreichenden Auswirkungen mangelhafter Planung ist der ewige Widerspruch von Fehlteilen und Überbeständen in der industriellen Produktion. Fehlteile zählen nach wie vor branchenübergreifend zu den häufigsten Störfaktoren. Gleichzeitig haben Fertigungsunternehmen mit hohen Lagerbeständen zu kämpfen. Für eine vorausschauende und effiziente Planung der Produktion bleibt nicht viel Raum, wenn heute nicht klar ist, was morgen überhaupt gefertigt werden kann und der Alltag auf dem Shopfloor mehr von Reagieren als von Agieren geprägt ist. Worin liegt der vermeintliche Widerspruch zwischen Fehlteilen auf der einen und übervollen Lagern auf der anderen Seite begründet?
Die Terminierung des Materialbedarfs – was zu welchem Zeitpunkt benötigt wird – wird durch einen MRP-Lauf im ERP-System ermittelt. Vom Liefertermin an den Kunden ausgehend, wird zunächst „rückwärts“ das Timing für den Start der Produktion unter zusätzlicher Berücksichtigung von Pufferzeiten berechnet. Dieser Starttermin wiederum ist die Basis für die Terminierung des Materialbedarfs. Allerdings wird der Zeitpunkt für den Produktionsstart zumeist von vornherein nicht korrekt ermittelt, da er auf zwei grundlegend falschen Annahmen basiert:
- Berechnung des Produktionsstarts auf Basis fester Durchlaufzeiten: Nicht berücksichtigt wird, dass Durchlaufzeiten selbst für ein und dasselbe Produkt variabel sind – abhängig von der Auslastung aller Prozesse und Ressourcen.
- Berechnung der Produktionspläne auf Basis unbegrenzter Kapazitäten: Bei einfachen Produktionsprozessen wie einem kontinuierlichen Prozess über einen längeren Zeitraum kann die Planung mit unbegrenzten Kapazitäten funktionieren. Derart einfache Prozesse finden sich heutzutage vielleicht noch in der Chemie- oder Ölindustrie. Die meisten Fertigungsunternehmen haben jedoch komplexe parallellaufende, sich verzweigende und zusammenlaufende Produktionsprozesse
Die Berechnungen im ERP-System auf Basis fester Durchlaufzeiten und unendlicher Kapazitäten ergeben demnach weder präzise und realistische Termine für den Start der Produktion noch für die Terminierung des Materialbedarfs. Die Folge ist, dass Teile oder Materialien nicht zu dem Zeitpunkt geliefert werden, zu dem sie eigentlich benötigt werden. Stattdessen gibt es Abweichungen von Tagen bis Wochen in beide Richtungen. Diese falsche Terminierung wiederum hat große Auswirkungen auf die Bestandsmengen. In der Konsequenz haben viele Unternehmen also gleichzeitig sowohl zu hohe Bestände als auch Fehlteile. Ohne realistischen Planbeginn für die Materialbedarfsberechnung muss manuell nachgesteuert werden und es gibt kaum eine Möglichkeit, dieses Dilemma aufzulösen.