Notwendige Schritte einer erfolgreichen MES-Auswahl
Die vier Schritte einer erfolgreichen MES-Implementierung (Quelle: Neonex)
Ganz am Anfang steht immer die Definition der Ziele, die mit einem MES erreicht werden sollen. Wie die beiden folgenden Beispiele zeigen, können diese sehr unterschiedlich ausfallen: KSB, Hersteller von Pumpen und Armaturen, entschied sich im Rahmen einer ganzheitlichen digitalen Transformation für ein MES. Dieses sollte einen Großteil der aus Verbesserungspotenzialen abgeleiteten Use Cases abbilden und so größere Aufwände für die Integration von Einzellösungen vermieden werden. Systems Sunlight, Hersteller von Batterien, entschied sich dagegen vor dem Hintergrund der Optimierung von Produktionsplanung und -steuerung mit verringerten Managementaufwänden zur Produktivitätssteigerung von über 30 % für ein MES.
Auf Basis solcher Ziele lassen sich im nächsten Schritt die Anforderungen an das zukünftige System ableiten. Dabei wird zwischen funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungen unterschieden: Unter funktionalen Anforderungen versteht man die konkreten Funktionen des Systems, zum Beispiel die Echtzeit-Überwachung und Dokumentation von Produktionsdaten. Nicht-funktionale Anforderungen können beispielsweise vorgegebene Schnittstellen oder Richtlinien hinsichtlich der Datenintegrität bzw. des Datenschutzes zur ISO-Konformität sein.
Um diese Anforderungen im globalen Produktionsnetzwerk zu erfassen, nutzte Festool, deutscher Hersteller von Premium-Handwerkzeugen, eine standardisierte Analyse. Diese wurde in allen Werken des Unternehmens durchgeführt und stellte eine Berücksichtigung der Anforderungen aller Standorte sicher. Neben der Erfassung der Anforderungen wird auch der aktuelle sowie der zukünftig geplante Status der Maschinenkonnektivität sowie die Anzahl und eventuelle Verkettung von Arbeitsstationen erfasst. Nachdem auf Basis der Anforderungen der geplante Nutzen eines MES definiert ist, lässt sich eine erste grobe Kosten-Nutzen-Indikation erstellen.
Anschließend sollte im Rahmen einer systemischen Bestandsaufnahme überprüft werden, inwieweit das Unternehmen organisatorisch für die Implementierung der einzelnen MES-Funktionen bereit ist. Der Fokus liegt dabei auf Prozess, Organisation und strukturellen Anforderungen.
Parallel zur Durchführung dieser Readiness-Assessments kann der eigentliche Anbieter-Auswahlprozess starten. Dieser erfolgte beim mexikanischen Weiße-Ware Hersteller Mabe standardisiertmit der Auswahl einer Longlist auf Basis der nicht-funktionalen Anforderungen und der Konsolidierung in einer Shortlist durch Betrachtung der funktionalen Anforderungen. Die MESLösungen der Shortlist-Anbieter wurden entsprechend ihrer Funktionalitäten verglichen und die Top 3 anschließend zu einem Lieferanten-Pitch eingeladen. Außerdem fanden Referenzbesuche bei anderen Kunden der Anbieter statt. Auf Basis dieser Methodik kann anschließend eine gemeinsame Team-Empfehlung getroffen werden.
Auf Basis der jeweiligen MES-Funktionen, den organisatorischen Gegebenheiten, den Pitch-Ergebnissen sowie den Angeboten der einzelnen Hersteller lässt sich eine Gesamtkosten-und -nutzenbetrachtung erstellen. Dabei ist es wichtig, neben den System- und Implementierungskosten, die durch notwendiges Customizing entstehen, auch die Maintenance-Kosten einzubeziehen. Um eine Entscheidung im Vorstand oder bei der Geschäftsführung zu erreichen, kann außerdem der finale ROI auf Basis dieser Gesamtkosten und -nutzen evaluiert werden. Nach einer optimalen Vorarbeit ist die finale Entscheidung oft nur noch Formsache.
Im gesamten Prozess kann es sinnvoll sein, neben Unternehmen und MES-Anbietern eine dritte Partei an Bord zu haben, welche neben der Strukturierung des Prozesses ihren Erfahrungsschatz beisteuert. Zudem kann sie helfen, teuren Missverständnissen vorzubeugen, indem sie die Sprache der OT-Verantwortlichen des Unternehmens, der IT-Abteilung sowie des MES-Anbieters übersetzt.
Fazit
Aufgrund der wachsenden Komplexität in der Produktion sind MES mit ihren umfangreichen Datenmodellen als Backbone der Smart Factory oft günstiger als eine Vielzahl von Einzellösungen. Die Einführung eines MES stellt dennoch zumeist eine bedeutende Investition in finanzieller und organisatorischer Hinsicht dar. Damit diese Investition nicht scheitert, brauchen Unternehmen eine klare Strukturierung des Prozesses und ein tiefgreifendes Verständnis des Systems. Erfolgreiche Implementierungen setzen eine klare Definition der Ziele, eine detaillierte Anforderungsanalyse und eine systematische Anbieterauswahl voraus. Die Einbeziehung einer neutralen dritten Partei, die als Vermittler zwischen Unternehmen und MES-Anbieter agiert, kann dabei helfen, teure Fehler und Missverständnisse zu vermeiden. Letztlich muss jedoch jedes Unternehmen eine eigene, maßgeschneiderte IT-Architektur finden, welche seine Wettbewerbsfähigkeit stärkt.
Über Neonex Consulting
Neonex Consulting begleitet Industrie- und B2B-Unternehmen als Managementberatung bei der digitalen Transformation. Sie wurde 2017 von Thomas Rohrbach (Managing Director & Co-Founder), Dr. Jochen Schlick (Senior Partner & Co-Founder) und Dr. Peter Stephan (Senior Partner & Co-Founder) in Stuttgart gegründet. Das Unternehmen entwickelt und implementiert maßgeschneiderte Strategien sowie Konzepte für Produktion und Supply Chain. Durch die intelligente Verbindung von Menschen, Technologien und Prozessen unterstützen die Experten internationale Unternehmen, wie Audi, Daimler, Bosch, Rimac, Knorr-Bremse und John Deere, bei der langfristigen Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit.