(v. l.) Auf einer Pressekonferenz zur SPS 2020 gaben Ulrich Leidecker, Chief Operation Officer, und Frank Possel-Dölken, Chief Digital Officer, bei der Phoenix Contact GmbH & Co.KG technologische und wirtschaftliche Ein- und Ausblicke

(v. l.) Auf einer Pressekonferenz zur SPS 2020 gaben Ulrich Leidecker, Chief Operation Officer, und Frank Possel-Dölken, Chief Digital Officer, bei der Phoenix Contact GmbH & Co.KG technologische und wirtschaftliche Ein- und Ausblicke (Quelle: Phoenix Contact)

Auf seiner Jahrespressekonferenz gab Phoenix Contact Einblicke in die aktuelle wirtschaftliche Lage, technologische Weiterentwicklungen, Produkt- und Lösungs-Neuheiten sowie Trends.

Was die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahr anbelangt, erklärte COO Ulrich Leidecker: "Im Ergebnis war das erste Quartal von einem Wachstum gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum geprägt. Gefolgt von einer recht deutlichen Abschwächung im zweiten Quartal, die auch uns dazu zwang, in fast allen Unternehmensbereichen in Kurzarbeit zu gehen." Für den Moment habe die Geschäftsentwicklung einen stabilen Punkt erreicht: September und Oktober seien im Vergleich zu den Vormonaten sehr gut verlaufen und ließen auf eine allmähliche Erholung im 4. Quartal hoffen. "Das Ergebnis wird besser als zu Beginn der Pandemie erwartet ausfallen, aber nicht an die ursprüngliche Geschäftserwartung für 2020 ohne Corona heran reichen", so U. Leidecker. Aus heutiger Sicht geht er davon aus, dass Phoenix Contact das Geschäftsjahr 2020 mit einem Umsatzrückgang - zirka -4 % bis -5 % - abschließen wird. "Ohne Währungseffekte liegen wir bei ca. -3 % bis -4 %. Das ist für die Branche ein sehr guter Wert", bilanzier er. Weltweit betrachtet, spricht er von einem uneinheitliches Niveau. "Die Americas befinden sich in einem zweistelligen Minusbereich, Asien entwickelt sich seit September sehr positiv mit einem steigenden Auftragseingang. China zeigt ein Umsatzwachstum von mehr als 10 % und auch die Wachstumskurve in den USA geht langsam wieder nach oben."

Aktuelle und nächste Schritte rund um PLCnext

Einen Schwerpunkt in der Pressekonferenz nahm auch das Thema PLCnext ein. Frank Possel-Dölken, Chief Digital Officer bei der Phoenix Contact GmbH & Co.KG, erinnerte: "In den vergangenen drei Jahren haben wir mit PLCnext das offenste Ökosystem für industrielle Automatisierung aufgebaut - eine Einladung an alle für mehr Kollaboration und Kooperation." Im Weiteren verwies er auf die im September 2020 bekannt gegebene Zusammenarbeit mit Yaskawa. Das gemeinsame Ziel der Kooperation ist es, den Wandel von proprietären Lösungen hin zu einem offenen und zukunftssicheren Ecosystem für die industrielle Automatisierung voranzutreiben. "Mit Yaskawa setzt ein führendes Unternehmen der Branche auf PLCnext Technology. In diesem Zuge lizensieren wir unsere PLCnext-Laufzeitumgebung an Yaskawa und haben die gemeinsame Weiterentwicklung vereinbart", berichtet F. Possel-Dölken. Weiter verwies er darauf, dass Yaskawa den Einsatz des PLCnext-Runtime-Systems in den Bereichen Motion Controls und Robotics zunächst in Europa und den USA plane. "Die Offenheit des PLCnext-Ecosystems ermöglicht es einer Vielzahl von Anbietern, hochflexible, sichere und moderne Automatisierungstechnik anzubieten. Diese Technologie-Partnerschaft ist ein Meilenstein für die Automatisierungsbranche, denn je mehr Partner in einem offenen Automatisierungs-Ecosystem agieren, desto wertvoller wird es für jeden einzelnen Teilnehmer", so der CDO.

Ferner erklärte F. Possel-Dölken, dass IT und OT immer stärker zusammenwachsen und neue Fachkräfte mit digitalem Mindset in die Welt der klassischen Automatisierung eintreten würden. "Veränderte Denkprozesse und Arbeitsweisen beeinflussen zunehmend auch die industrielle Automatisierungstechnik. Zukunftsfähige Automatisierungslösungen müssen mehr Raum bieten für eine schnelle Reaktion auf unvorhersehbare Marktanforderungen", ist er überzeugt.

Eine einfache Informationsbeschaffung ist aus Sicht des CDO wichtiger denn je: "Die Forderung nach Nutzungs- und Kombinationsmöglichkeiten von bestehenden Softwarelösungen wächst. Moderne Automatisierungslösungen müssen zukünftig viel mehr sein als nur technische Geräte, die nach neusten technologischen Ansätzen entwickelt wurden. Bestmögliche Flexibilität, hohe Performance und Stabilität bei Produkten und Automatisierungssystemen spielen noch immer eine wichtige Rolle", sagt F. Possel-Dölken und fügt an: "Wir müssen größer denken, vernetzter, umfassender. Proprietäre Systeme waren gestern, derErfolg von Morgen braucht offene ,Ecosystems'. Das Know-how der Branche zusammenbringen und Kompetenzen der Industrie bündeln, sind unsere Aufgaben. Offenheit und Kooperation mit Experten der Branche sind hierbei für uns der Schlüssel zum Erfolg."

Edge Computing mit PLCnext

Auch das Thema Cloud Computing ist für Phoenix Contact interessant. F. Possel-Dölken verweist darauf, dass sich dieses in der Office-IT in einer Vielzahl von Anwendungen bereits durchgesetzt habe. "Viele dieser Cloudanwendungen, wie Datenanalyse und Datenspeicherung, sind ebenfalls für die produzierende Industrie, also die Operations Technology (OT) relevant", sagt er. Dabei gebe es einige Herausforderungen bezüglich des Datenschutzes und der Datensicherheit, Latenzzeit bei der Informationsverarbeitung, den Datentransferraten und Kosten für Rechenleistung und Speicherplatz. "Edge Computing bringt die Datenverarbeitung näher an die Maschine und somit näher an die Datenquelle. Durch diese Verlagerung von Cloudanwendungen an die Edge - also die Netzwerkkante - werden diese Herausforderungen angegangen." Dabei unterscheide sich die tatsächliche Funktionalität der Edge-Anwendung je nach Kundenapplikation. Als typische Anwendungen der Edge nannte er Datensammlung und -verdichtung, Daten(vor)verarbeitung, Datenanalyse und Cloudanbindung. "Das Edge-Computing ersetzt hierbei nicht das Cloud-Computing, sondern ergänzt dieses: Edge und Cloud sind somit Partner, wobei die Verteilung der Aufgaben auf Edge und Cloud sich je nach Anwendungsfall unterscheidet", stellte er heraus.

Die Expertise von Phoenix Contact in Konnektivität wird als passend zu der Anwendung von maschinennahem Edge Computing angegeben: Es existieren Produkte für die sichere Cloudkommunikation bis hin zur Datenverarbeitung an der Edge. "Auch hier passt PLCnext Technology ist Basis für Edge Computing optimal in praktisch jedes  Produktionsumfeld", so F. Possel-Dölken.

In diesem Zusammenhang verweist er auf zwei neue Geräte in der Familie der Steuerungen PLCnext Control, die speziell mit dem Fokus auf Edge-Use-Cases entwickelt wurden. Sie basieren auf den industriellen Box-PC EPC 1502 und EPC 1522. "Die Funktionalitäten des PLCnext-Runtime-Systems werden um speziell für Edge-Computing vorbereitete Softwareanwendungen, wie eine zusätzliche webbasierte Konfigurationsoberfläche z. B. für Dockercontainer, Node-Red und einer integrierten Datenbank ergänzt", sagte der CDO. Die beiden Edge-Devices im Metallgehäuse und lüfterlosen Design unterscheiden sich in ihren Schnittstellen und im Umfang der Datenspeicherung. Lokale IO-Interfaces ermöglichen die einfache Einbindung über LAN- und WLAN-Schnittstellen in bestehende IT-Infrastrukturen sowie in die Ethernet-basierten IO-Steuerungsnetzwerke des Produktionsbereichs. "Die TPM-Hardware (Trusted Platform Module) sorgt für die Integrität und Sicherheit des Systems sowie die zugriffssichere Kommunikation mit anderen Geräten", berichtete er weiter.

Um Safety erweitert

Das Ecosystem PLCnext Technology stellt eine flexibel steckbare Lösung dar. Über ein Linksanreihungssystem können zahlreiche Steuerungen der PLCnext-Control-Familie um Hardwareschnittstellen und Funktionen erweitert werden. Mittels dieser Extension Modules sind auch weitere Ethernet-Schnittstellen ansteckbar oder eine Erweiterung um Interbus oder zukünftig Profibus ist möglich.

Zukünftig können auch Anwendungen, die funktionale Sicherheit benötigen, nachträglich mit einem entsprechenden Erweiterungsmodul ausgerüstet werden. "Dazu gibt es jetzt zwei Erweiterungsmodule AXC F XT SPLC 1000 und AXC F XT SPLC 1000, um Anlagen mit bis zu 32/300 Profisafe-Geräten nach SIL3 oder Performance Level PLe zu realisieren", so F. Possel-Dölken.

KI und PLCnext Technology

Darüber hinaus wird Künstliche Intelligenz als wichtiges Gestaltungsmerkmal für die Zukunft der Automatisierung gesehen: Mit dem Ecosystem PLCnext Technology sollen daher künftig skalierbare Lösungen von der Feldebene über die Controller- und Edge-Ebene bis hin zur Cloud möglich sein. So soll eine KI-Lösung bedarfsgerecht und passend auf Umgebung und Einsatzziel angepasst werden können - maschinennah oder für maschinen- und anlagenübergreifende Lösungen.

Den ersten wichtigen Schritt zur Integration von künstlicher Intelligenz in die Automatisierungswelt will Phoenix Contact mit dem PLCnext-Extension-Modul AXC F XT ML 1000 gehen. Dieses soll voraussichtlich ab Mitte 2021 das PLCnext-Technology-Ecosystem erweitern. "Das Erweiterungsmodul ermöglicht es, Machine-Learning-Algorithmen direkt an der SPS anzuwenden. Jede AXC-Steuerung der PLCnext-Control-Familie, die auf diese Weise funktional erweitert wird, kann dann beispielsweise die Klassifizierung von Objekten auf Basis von Deep-Learning-Methoden umsetzen", sagte F. Possel-Dölker. Bereits heute verprobt Phoenix Contact gemeinsam mit dem Fraunhofer ISOB INA diese Funktionen in ersten Applikationen aus dem Bereich Smart Cities, speziell für die Verkehrssteuerung. "Das Extension Modul kann insbesondere für maschinennahe Aufgaben in der Feldebene eingesetzt werden, also überall dort, wo zuverlässige, schnelle, deterministische Entscheidungen benötigt werden", gab der CDO einen Vorgeschmack.

Phoenix Contact (ih)

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