Praxisbeispiel: Sichere, vernetzte Schuhproduktion

Neben den theoretischen Betrachtungen zum Thema Securityauf der Konferenz in Berlin stellte ein Beispiel aus der Praxis einweiteres Highlight dar: Christian Decker, CEO der Desma GmbH,präsentierte seinen Use Case einer „plattformbasierten, auftragsgesteuertenProduktion“. Das deutsche Unternehmenstellt Schuhmaschinen und -formen sowie Automatisierungslösungenfür Kunden aus aller Welt her. Seit einigen Jahren nutztDesma die Vorteile der digitalen Fertigung und hat – zusammenmit bekannten Schuhmarken – eine auftragsgesteuerte Produktioneingerichtet: Kunden entwerfen mithilfe eines Online-Konfiguratorsihre Schuhe. Dabei werden diese gemäß den individuellen Vorlieben und biometrischen Eigenschaften gestaltet. DerProduktionsprozess beginnt auf einer digitalen Plattform, sobaldein Kunde nach der Konfiguration eine neue Bestellung auslöst.Die Bestellung wird an einen Produzenten (in diesem Fall Desma)weitergeleitet, der die verfügbaren Kapazitäten hat und dieQualifikationsanforderungen und Preiserwartungen der Schuhmarkeerfüllt. Zu diesem Zweck überträgt die Schuhmarke dieproduktionsrelevanten Informationen (CAM-Daten) direkt zuden Produktionsanlagen, das heißt zu einem Roboter oder3D-Drucker. Der Produzent startet die Herstellung der Schuhe.Die Schuhe sind während der gesamten Produktion identifizierundnachverfolgbar. Ein digitaler Zwilling der Schuhe enthältalle relevanten Daten und Informationen. Die Schuhmarke wirdkontinuierlich über den Status der Bestellung informiert undkann vor der Auslieferung prüfen, ob die Schuhe die geforderteQualität erfüllen. Nach der Produktion erfolgt direkt die Auslieferungder Schuhe an den Kunden. Alle vereinbarten Unterlagen(Produktgedächtnis) werden automatisch an die Schuhmarkegesendet.Diese auftragsgesteuerte Produktion ermöglicht es Schuhmarken,externe Produktionsmodule in ihren eigenen Schuhproduktionsanlagenzu integrieren. Sie können ihre Produktionskapazitätenflexibel erweitern und auf sich ändernde Markt- undKundenanforderungen reagieren, ohne Investitionen tätigen zumüssen. Gleichzeitig erhöht der Produzent des Schuhs seineEffizienz, indem er seine Fähigkeiten und freien Kapazitäten aufdem Markt anbietet. Darüber hinaus sind neue Geschäftsmodelleim Sinne einer flexiblen Auftragsfertigung möglich. Der Übergangzur sogenannten Plattformökonomie und die Umwandlungvon B2B-Geschäft in B2C sind eng miteinander verknüpft.Doch wie wurde nun die IT-Sicherheit in den zuvor genanntenvier Handlungsfeldern umgesetzt?

Sicheres Ökosystem: In dem beschriebenen Anwendungsbeispiel sind Schuhmarke sowie Endkunden (Käufer der Schuhe) teilweise in anderen Ländern als der Produzent des Schuhs stationiert. Schuhmarke und Produzent müssen deshalb sicherstellen, dass ihre Sicherheitsrichtlinien interoperabel sind. Abgesehen davon müssen beide Seiten darauf achten, dass sie nationale Anforderungen erfüllen, zum Beispiel indem sie Zertifikate einholen. Idealerweise wird ein ordnungspolitischer Rahmen geschaffen, damit sie keine Ressourcen für spezielle Zertifikate investieren müssen, die von beiden Partnern akzeptiert werden.

Sichere Kommunikation: Um eine auftragsgesteuerte Produktion in Losgröße 1 zu erreichen, werden Daten „just-in-time“ von einer dezentralen Quelle bereitgestellt, anstatt in einem zentralen System für lange Zeit gespeichert zu werden. Wenn der Produzent die Schuhbestellung von der Schuhmarke empfängt, werden die persönlichen Daten der Kunden für die Schuhproduktion in Echtzeit ausgetauscht. Die Schuhmarke und der Produzent können ein Benutzer- und Identitätsmanagement einrichten (Authentifizierung und Autorisierung), um sichere Kommunikation zu gewährleisten. Darüber hinaus sollten sie Datenverschlüsselung und Signaturen verwenden.

Sichere Identitäten: Für die sichere Produktion von Schuhen müssen alle Teile der Produktionslinie (Roboter, 3D-Drucker) und Personen beim Hersteller mit sicheren Identitäten ausgestattet sein. Dies reduziert das Risiko des Zugriffs Dritter auf die Produktionsstätten durch Identitätsdiebstahl. Darüber hinaus hilft eine sichere Identitätsverwaltung durch eine Zertifizierungsautorität dem Schuhproduzenten, von potenziellen Kunden als vertrauenswürdig angesehen zu werden.

Vertrauenswürdigkeit: Für die Schuhmarke und die Verbraucher ist es wichtig, dass ihre Daten nur an vertrauenswürdige Partner weitergegeben werden und deren Daten vor dem Zugriff Dritter geschützt sind. Um dies sicherstellen, kann die Schuhmarke beispielsweise ein hohes Maß an Vertrauenswürdigkeit zur zentralen Voraussetzung machen, wenn sie über die Plattform einen Hersteller auswählt. Zu allen vier Lösungsansätzen wurden Publikationen erstellt, die die Plattform auf ihrer Website zum Download zur Verfügung stellt.

Internationale Interoperabilität der Ansätze

Auf der Konferenz boten zudem Beiträge der Industrie-4.0-Organisationen aus China, Japan, USA, Frankreich und Italien erstmals einen Überblick zu verschiedenen internationalen Ansichten und Ansätzen aus Industrie sowie Politik. Hier wurde deutlich, dass der Wille da ist, gemeinsame Lösungen zu entwickeln: Zahlreiche Regierungsvertreterinnen und -vertreter, unter anderem aus Japan und China, unterstrichen die Relevanz der Fragestellung durch ihre Anwesenheit. Die inhaltliche Gegenüberstellung der Idee für sichere Industrie-4.0-Ökosysteme, sichere Identitäten, sichere Kommunikation und Vertrauenswürdigkeit zeigte, dass die Initiativen in vielen Fragen nicht weit auseinanderliegen. Die technischen Konzepte der Plattform Industrie 4.0 wurden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern positiv aufgenommen.

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