Air Liquide ist ein Weltmarktführer bei Gasen, Technologien und Services für Industrie und Gesundheit. Am Standort Stade führt Air Liquide eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung eines neuen Reaktors ein.

Air Liquide ist ein Weltmarktführer bei Gasen, Technologien und Services für Industrie und Gesundheit. Am Standort Stade führt Air Liquide eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung eines neuen Reaktors ein. (Quelle: Wago)

Spätestens seit der Einführung des CO2-Emisssionshandels in der Europäischen Union und in Deutschland begannen in vielen Betrieben der Grundstoffindustrie konkrete Planungen, laufende Prozesse so zu optimieren, dass perspektivisch weniger teure Zertifikate erworben werden müssen. Genau diese Reaktion war politisch gewollt. Dennoch gibt es Unternehmen, die Nachhaltigkeit bereits seit Langem in ihrer Unternehmensstrategie verankert haben und in den Klimaschutz investieren. So wie bei Air Liquide am Standort Stade. 

Investition in die Zukunft

Erfolgreiche Verhandlungen langfristiger Lieferverträge führten in Stade, einem der größten chemischen Produktionsstandorte in Niedersachsen, zu einer grundlegenden Nachrüstung von Bestandsanlagen. Industriegasespezialist Air Liquide investierte hier im vergangenen Jahr fast 40 Mio. €. Ziel des Projekts war, die Synthesegasproduktion effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten. Schnell geriet neben der Modernisierung zweier Luftzerlegungsanlagen die partielle Oxidationsanlage (POx) in den Fokus. Früher wurde das im Reaktor neben Wasserstoff und Kohlenmonoxid entstehende CO2 in die Umgebung abgelassen. Insgesamt steigert sich die Energieeffizienz der Anlage so um etwa 15 %. Gleichzeitig verringern sich die CO2-Emissionen um etwa 15.000 t/Jahr. Das entspricht 80 % der direkten CO2-Emissionen des Air Liquide-Standorts.

Air Liquide ist sehr stolz auf diese Innovation, welche sich positiv auf die Umwelt auswirkt. „Besonders beeindruckend war der 16 m hohe neue Reaktor für unsere partielle Oxidationsanlage. Er wiegt 58 t und hat Lieferzeiten von mehr als einem Jahr. Ihn als Herzstück unserer Anlage in Zukunft vor einem ungeplanten Ausfall zu schützen, stand ganz oben auf unserer Prioritätenliste“, sagt Hendrik Gollek. Er ist Project Engineer für das Cluster Central Europe in Düsseldorf im Fachbereich Automatisierung und hat das Projekt gemeinsam mit dem technischen Team Werksverbund Nord von Air Liquide durchgeführt.

Verlässliche Aussagen gesucht

Der Reaktor ist aufgrund der extremen Reaktionsbedingungen von circa 30 bar und über 1.000 °C im Inneren mit Schamott-Steinen ausgemauert. Um die mit der Zeit unvermeidliche Schädigung dieses Mauerwerks zu erkennen, bieten sich nur wenige technische Möglichkeiten an. Alle sind entweder teuer, ergeben uneindeutige Ergebnisse oder beides. Air Liquide suchte also eine Methode, die eine verlässliche Aussage über den Zustand liefern konnte, ohne den Reaktor für Inspektionen „auf Verdacht“ oder nach starrem Zeitplan herunterfahren zu müssen.

Anfahrvorgänge nach einem Stillstand sind ineffizient und kostenintensiv. Um dies zu vermeiden schlugen die Experten bei Air Liquide eine Gefahrenfrüherkennung mithilfe von industriellen Thermalkameras vor. Ausgewählt wurde Prometheus von TTS Automation, das Temperaturanomalien erkennt und auf der Kombination mit intelligenter Steuerungstechnik von Wago wie dem PFC 200 aus der Serie 750 basiert. Das System erkennt thermale Anomalien unabhängig von sonstigen Umgebungsbedingungen.

„Das Paket aus unseren Kameras und der Steuerungstechnik der Serie 750 und den Edge Computern von Wago ist in vielen Betrieben der chemischen Industrie im Einsatz. Dort erkennen sie Situationen, bevor sie zur Gefahr werden“, erklärt Thomas Striegel, Geschäftsführer von TTS Automation. Diese Anomalieerkennung wird auch bei Air Liquide genutzt. Sie schafft Preventive-Maintenance-Indikatoren, auf die Betreiber reagieren und so ihre Produktion entsprechend planen können.

Lange bevor der äußere Metallmantel durchglühen würde, warnt das neue System. In einem solchen Fall fährt Air Liquide den Prozess kontrolliert herunter. Der Reaktor wird gespült und die innere Schutzschicht wieder instandgesetzt. Dank der Wago-Technik muss der Prozess nicht unnötig für Kontrollzwecke gestoppt werden, sondern nur, wenn ein Defekt vorliegt. Der zweite Vorteil besteht darin, dass frühzeitig eingegriffen werden kann, also bei kleinen oder punktuellen Schadstellen. Eine komplett neue Ausmauerung des Behälters würde Monate in Anspruch nehmen. Das Ausbessern kleinerer Fehlstellen geschieht hingegen innerhalb weniger Tage. Sollte der Außenmantel beschädigt werden, bräuchte es einen neuen Reaktor. Dann würde die Anlage für einen weitaus längeren Zeitraum stillstehen, verbunden mit entsprechenden Kosten und Produktionsausfällen.

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