Mechanische Modelle

Informationen im digitalen ­Zwilling

Bild 3: Der digitale Zwilling umfasst Daten und Modelle einer Maschine, aus denen ­unterschiedliche Werkzeuge in unterschiedlichen Domänen in unterschiedlichen Phasen gespeist werden können und die wiederum ihre Informationen im digitalen ­Zwilling ­hinterlegen (Quelle: Lenze Automation GmbH)

Mit mechanischen Modellen soll im Entwicklungsprozess ein System ohne den Einsatz physischer Modelle virtuell abgebildet werden. Die wesentlichen Treiber stellen die Überprüfung des Systemverhaltens und die Dimensionierung beziehungsweise Topologieoptimierung von Bauteilen dar. Insbesondere bei Modellen, die primär geometrische Abbilder darstellen, um einen Eindruck der Maschine zu vermitteln, spricht man auch von Digital Mock-Up. Die Modelle werden in der Regel auf Basis von CAD-Modellen aufgebaut. Traditionell gibt es auch bei der mechanischen Modellierung den Ansatz, vereinfachte Ersatzmodelle für spezielle Untersuchungen abzuleiten, um die Komplexität und damit den Rechenaufwand zu reduzieren. Allerdings führen die steigende Rechenleistung und der ­zunehmende Zeitdruck dazu, dass für immer mehr Anwendungen Kon­struktionsmodelle für Simulationen verwendet werden. Werden geometrische Modelle mit Steuerungen oder Steue­rungsemulatoren gekoppelt, lassen sich neben der geome­trischen ­Betrachtung von Bauteilen und Baugruppen auch Funktionen abbilden. Bei ­diesem Ansatz spricht man von Functional Digital Mock-Up.

Im Bereich der mechanischen Einsatzsimulation sind die beiden numerischen Ansätze Mehrkörpersimulation (MKS) und Finite-Elemente-Methode (FEM) weitverbreitet. Während bei der MKS das Zusammenspiel verschiedener Körper im Fokus steht, also beispielsweise die Bewegung eines mechanischen Systems, beschäftigt sich die FEM stärker mit Vorgängen im Kontaktbereich und im Inneren von Körpern, wie Spannungen und Dehnungen. Heute sind diese Funktionen zur Simulation zunehmend auch in CAD-Umgebungen, wie Siemens NX, PTC Creo oder Dassault Systèmes Catia, integriert. Dennoch sind in der Regel bei komplexeren Simulationen spezialisierte Werkzeuge mit einer Vielzahl an integrierten Gleichungslösern für unterschiedliche FE-Simulationen, wie Ansys Workbench, MSC Nastran, Simulia Abacus FEA, im Einsatz.

Anlagensimulation

Insbesondere bei großen Automatisierungssystemen und bei komplexen Bearbeitungsprozessen spielt die 3D-Visualisierung von Prozessen eine besondere Rolle. In Abhängigkeit des jeweiligen Anwendungszwecks reichen die Lösungen von reinen Visualisierungen idealisierter Prozessabläufe, über die Abbildung physi­kalischer Zusammenhänge bis hin zur Einbindung realer Hardware in die Simulation (Hardware-in-the-Loop). Beispielsweise bietet Machineering eine physikbasierte 3D-Simulationssoftware mit Echtzeitfähigkeit für Materialflusssimulation, Ablaufsimulation, Robotersimulation, Simulation von Steuerungen, Hardware-in-the-Loop-Simulation [4].

Der offene Standard Automation-ML nach IEC 62714 ermöglicht es, Planungsdaten von Fertigungsanlagen in ­einem XML-basierten Format zu speichern und zwischen verschiedenen Werkzeugen auszutauschen. Hierzu können unterschiedliche Modelltypen in jeweils standardisierten ­Formaten, wie 3D- oder Kinematikmodelle (Collada), Topologien (CAEX) oder Logik (PLC open XML) in Automation ML, gekapselt integriert werden.

Eine Herausforderung in der Modellierung technischer Systeme stellt der ­Detaillierungsgrad des Modells beziehungsweise die Genauigkeit der Simulation dar. Ein Modell sollte immer so genau wie nötig, aber gleichzeitig so einfach wie möglich sein. Außerdem ist es nicht immer erforderlich, die gesamte Maschine beziehungsweise den ganzen Prozess mit derselben Genauigkeit abzubilden. Einzelne, kritische Teilprozesse lassen sich in Submodellen mit einer höheren Genauigkeit gesondert betrachten.

Geräte- und maschinenzentrierte digitale Zwillinge

Digitale Zwillinge unterstützen den Entwickler dabei, die Komplexität eines Systems zu beherrschen und das Entwicklungsergebnis vorab besser abzusichern. Dabei ist zu beachten, dass die Modelle immer nur so gut sind wie die Personen, die die Modelle erstellen, und die Daten, die zur virtuellen Abbildung bereitgestellt werden. In der Betrachtung von Komponentenlieferanten und OEM können grundsätzlich zwei Sichtweisen auf einen digitalen Zwilling unterschieden werden. Ein gerätezentrierter digitaler Zwilling (device centric digital twin) ist das Abbild eines bestimmten Geräts oder einer Komponente mit Verweisen auf einen Gerätetyp und mit den spezifischen Informationen, die ihn von anderen Geräten unterscheidet und es individuell beschreibt.

Ein maschinenzentrierter digitaler Zwilling (machine centric digital twin) ist der digitale Zwilling einer bestimmten Maschine mit allen maschinenspezifischen Parametern und Verweisen auf digitale Zwillinge oder generische Modelle von Untergeräten. Hier besteht die Herausforderung, entsprechende Lieferketten für digitale Zwillinge und darin enthaltene Modelle zu etablieren, um Informationen in ­verschiedenen Domänen wieder zu verwenden. Es kann ­erwartet werden, dass zukünftig bestimmte Modelle von Geräten wie die Dokumentation eines Geräts selbstverständlich geliefert werden müssen. In der Konsequenz müssen auf einer höheren Betrachtungsebene digitale Zwillinge von Maschinen für den digitalen Zwilling der Produktionsanlage verfügbar sein.

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