Betriebsphase einer Maschine

Abbild eines Beispiels mit Robotersystemen

Bild 5: Am Beispiel eines Herstellers von Roboter- systemen ­bedeutet die Ideenfindungsphase die Geburt des digitalen Zwillings eines Roboters. Dies ist unabhängig von unterschiedlichen Vertriebsansätzen. In allen Fällen können die erhobenen Informationen zur Anwendung und zum Lösungs- konzept zur Parametrierung generischer Modelle genutzt werden, die ein schnelles Feedback zur grundsätzlichen Eignung der Lösung geben (Quelle: Lenze Automation GmbH)

In der Betriebsphase ergeben sich weitere Szenarien, die die sukzessive Aufnahme von Informationen über ein technisches System und der virtuellen Abbildung des Systemverhaltens erfordern. Für flexibel einsetzbare Maschinen ergibt sich der Bedarf, bei Produktwechseln Bearbeitungsprogramme anzupassen oder neue zu erzeugen. Der damit verbundene Aufwand hängt allerdings sehr stark von der jeweiligen Maschine ab. Während bei Druckanwendungen der Prozess grundsätzlich unverändert bleibt und sich nur einige Parameter ändern, können in der Metallverarbeitung unter Umständen völlig neue Bearbeitungsreihenfolgen und Belastungen der Maschine auftreten. Daher müssen individuelle Prozesse für entsprechende Maschinen analog zu der Auslegung von ­Maschinen ausgelegt und erprobt werden.

Die Reduzierung von Losgrößen bis hin zur Losgröße 1 stellt die Fertigungsplanung vor Herausforderungen hinsichtlich Flexibilität, Planungs- und Liefertreue. Während früher auch noch im Laufe der Abarbeitung eines Fertigungsloses die Prozessabfolge optimiert werden konnte, muss bei der Einzelteilfertigung der gesamte Fertigungs­ablauf stets auf Anhieb wirtschaftlich sein. Daher spielt neben der simulationsbasierten Planung und Überwachung von Prozessen an einzelnen Bearbeitungsstationen auch die Betrachtung der gesamten Fertigungslinie eine immer wichtigere Rolle. Ein Ansatz stellt hierzu die Kopplung von Manufacturing Execution Systems (MES) mit Ablaufsimulationen mit dem Ziel einer optimierten Fertigungssteuerung durch Simulationen auf Basis aktueller Fertigungsdaten dar. Damit können im laufenden Betrieb­ Änderungen im Prozessablauf vorab simuliert und analysiert werden. Als Beispiele sind hier Lösungen von Edag [8] oder Fauser [9] zu nennen.

Im Betrieb einer Maschine können nicht alle prozessrelevanten Informationen ohne erheblichen wirtschaftlichen Aufwand oder wegen fehlender technischer Möglichkeiten eventuell auch überhaupt nicht durch Sensoren erhoben werden. Gleichzeitig hat man diese Informationen aber ­bereits in der Entwicklung durch entsprechende modell­hafte Abbildungen von Wirkzusammenhängen ermittelt. Daher können die virtuellen Modelle auch zur Betriebszeit der ­Maschine mit realen Maschinendaten gespeist werden, um parallel zum Produktionsprozess die reinen Maschinendaten um virtuelle Prozessdaten anzureichern.

Eine kommerzielle Lösung für eine Plattform zur Verbindung von Simulationsmodellen und IoT-Maschinendaten stellt GE Predix dar. In Kooperation mit dem Anbieter von CAE-Software Ansys bietet GE seinen Kunden die Möglichkeit, im Betrieb Asset-Daten von Maschinen um Simula­tionsergebnisse zu erweitern, um frühzeitig Störungen zu identifizieren, Wartungsmaßnahmen zustandsabhängig zu planen oder den Betrieb zu optimieren.

Diese Ansätze unterscheiden sich von den gemeinhin ­unter den Begriffen Big Data und Data Analytics zusammengefassten Methoden, da hier keine statistischen oder analytischen Methoden zur Identifizierung von Zusammenhängen eingesetzt werden, sondern bekannte, in Modellen beschriebene physikalische Zusammenhänge anhand aktueller Daten abgebildet werden. Dazu wird das in den ­Modellen des digitalen Zwillings vorgehaltene Wissen aus der Entwicklung zur Laufzeit eingesetzt.
Bei Abweichungen oder Störungen einer Maschine ist ­sowohl für den Support als auch den Service eine Herausforderung, Fehlerbilder zu analysieren und effizient eine Lösung zu entwickeln. Hierbei kann der digitale Zwilling wertvolle Unterstützung bieten. Ein weiteres Einsatzszenario für Werkzeuge zur virtuellen Abbildung von Maschinen und für ­Daten digitaler Zwillinge stellt das Retrofit, also die Modernisierung von Bestandsanlagen, dar. Hierbei sollen zum ­einen Erkenntnisse aus dem Betrieb der Anlage in die Modernisierungsmaßnahmen einfließen, zum anderen besteht das Ziel, die Umbau- und Wiederinbetriebnahmezeit zu minimieren. Dies erfordert virtuelle Modelle der Bestandsanlage, welche die Grundlage für die Planung bilden. Derzeit müssen CAD-Modelle und Elektropläne häufig noch auf Basis der Anlagendokumentation und der Bestandsanlage selbst neu aufgebaut werden. Zukünftig können diese Aufwände durch die Vorhaltung der Daten im digitalen Zwilling auf eine Verifikation des Datenstands reduziert werden.

Fazit

Der Einsatz digitaler Zwillinge als zentrale Informationsquelle hilft Konstrukteuren und Betreibern die Entwicklungskomplexität zu beherrschen und hilft sowohl die Entwicklungsergebnisse als auch Änderungen an den laufenden Systemen vorab besser absichern zu können – allerdings sind die eingesetzten Modelle nur so gut wie die Personen, die die Modelle erstellen. Nichts ist kritischer, als sich selbst oder den Kunden durch falsche Modelle in falscher Sicherheit zu wiegen.

Daher wird auch die Bereitstellung der erforderlichen ­Verhaltensmodelle und Daten in Zukunft das Maß der ­Dinge sein. Für Komponentenlieferanten betrifft dies den digitalen „Geräte-Zwilling“, aus dem dann Maschinenbauer und ­Systemanbieter die entsprechenden „Maschinen-“ und „Anlagen-Zwillinge“ bauen. Dies wird zukünftig so selbst­verständlich sein, wie heutzutage die Bereitstellung von ­Datenblättern und CAD-Daten. Wer aus dieser digitalen Zwillings-Lieferkette herausfällt, wird früher oder später auch aus der realen Wertschöpfungskette herausfallen.

Literatur

[1] Modelica Association: Modelica. www.modelica.org (Zugriff am 13. 8. 2018).

[2] Dassault Systems: Dymola. www.3ds.com/products-services/catia/products/dymola (Zugriff am 13. 8. 2018)

[3] Modelon: Modelon – System Modeling and Simulation for ­Automotive. www.modelon.com (Zugriff am 13. 8. 2018)

[4] Freye, B.: Neuer Ansatz: Continuous Commissioning im ­Engineering. machineering, 1. 11. 2017. www.machineering.de/blog/unserer-experten-berichten/article/neuer-ansatz-­continuous-commissioning-im-engineering

[5] Krauss-Maffei: Planungssicherheit mit 3D-Simulation. Virtual Reality Magazin, 9. 5. 2016. www.virtual-­reality-magazin.de/kraussmaffei-planungssicherheit-mit-3d-simulation

[6] Siemens PLM: Get to market faster by reducing machine ­development time with MCD. www.plm.automation.siemens.com/global/de/products/­mechanical-design/mechatronic-­concept-design.html (Zugriff am 15. 11. 2018)

[7] Eplan: Syngineer: Mechatronisches Engineering durch ­interdisziplinäres Teamwork. www.eplan.de/de/loesungen/­produktuebersicht/syngineer (Zugriff am 15. 11. 2018)

[8] N. N.: MES spricht mit der Simulation. Produktion (2016), H. 28, S. 30

[9] Berlak, J.; Fauser, M.; Schubert, M.: Fertigungsfeinplanung mit JobDISPO MES. PPS Management 9 (2004) H. 2, S. 45 – 48

Jan Brüning (Lenze Automation GmbH)
5 / 5

Ähnliche Beiträge