Objektorientiertes Datenmodell

Abbild Grafik Herstellersicht auf IEC 61850

Bild 5: Herstellersicht auf IEC 61850 (Quelle: EWE AG)

Wesentlicher Unterschied zwischen beiden Normen ist das zugrunde liegende Datenmodell. Während das 104er-Protokoll auf einem signalorientierten Datenmodell basiert nutzt IEC 61850 ein objektorientiertes Datenmodell.
In einem signalorientierten Datenmodell werden einzelne Signale, zum Beispiel eine Meldung, ein Messwert, ein Sollwert oder ein Befehl übertragen. Jedes Signal hat eine eindeutige Adresse, die sowohl dem Sender als auch dem Empfänger zur Kommunikation bekannt sein muss. Die Erstellung der Signalliste und die damit einhergehende ­Adresspflege sind für jede Anlage notwendig. Der ­Adressraum ist aufgrund der zur Verfügung stehenden Anzahl an Bytes eingeschränkt. Daten, die nicht in der ­Signalliste erfasst und über die Adressen identifiziert sind, sind nicht direkt abgreifbar. Sollten andere Daten benötigt werden, so ist eine Umparametrierung notwendig. Die Signale werden je nach Anforderung des Anwenders spontan, zum Beispiel bei ­Änderung eines Messwerts, oder zyklisch übertragen.
Beim objektorientierten Datenmodell werden mittels ­eines hierarchischen Informationsmodells die einzelnen Systemkomponenten in der Norm IEC 61850 als Einheiten beschrieben. Dabei definiert die Norm vorgegebene Funk­tionen als logische Knoten, beispielsweise einen Schutz, ­welche mittels definierter Datenobjekte und deren Datenattribute beschrieben werden. Die Datenobjekte sind in der Kommunikation zwischen den Teilnehmern eindeutig identifizierbar. Ändert ein Objekt einen Wert, zum Beispiel aufgrund eines neuen Messwerts, wird der neue Wert ereignisbasiert kommuniziert [5]. Die Systemkomponenten und deren Topologie lassen sich über die XML-basierte Substation Configuration Description Language (SCL) beschreiben. Diese können von außen abgefragt und als entsprechende Objekte semantisch identifiziert werden.

Flexibilität in der Kommunikationstechnik

Ein weiterer Unterschied zwischen der Norm IEC 61850 und dem 104er-Protokoll liegt in der logischen Trennung von Datenmodell und Kommunikationsprotokoll bei der IEC 61850. Im 104er-Protokoll erfolgt eine feste Adressierung, die unterliegende Kommunikation ist Master/Slave basiert, das heißt, eine Komponente überträgt ihre Daten als Slave zum Master oder wird vom diesem zyklisch abgefragt. In diesem Verfahren kann immer nur ein Teilnehmer Daten senden [6]. Eine Änderung ist nicht möglich. Anwendung und Kommunikationstechnik sind aneinander gebunden, soll eine neue Kommunikationstechnik eingesetzt werden, muss die Anwendung nachmodelliert werden.
Demgegenüber trennt die IEC 61850 Datenmodell und Kommunikation. Die Kommunikation kann per Client-Server oder Multicast realisiert werden und über ­verschiedene Kommunikationsprotokolle erfolgen. Werden neue Kommunikationsprotokolle und deren technische Umsetzung, wie Webservice, eingeführt, ist die Anwendung nicht betroffen. Über die durch die IEC 61850 gegebene Multicast-­Fähigkeit können Geräte zudem ihre Ad-Hoc-Zustands­änderungen untereinander kommunizieren und autonom auf diese Änderungen reagieren, ohne dass über eine Client-Server-Kommunikation eine zentrale Kommunika­tion erfolgen muss. Die IEC 61850 kann auch als Ersatz für das bisherige Rundsteuerverfahren eingesetzt werden.

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