Herausforderungen bei kleinen Losgrößen

Philip Falkenhagen, Head of Rapid Design bei Eplan

Philip Falkenhagen ist Head of Rapid Design bei Eplan (Quelle: Eplan)

Bernd Naguschewski ist Process Manager Control Cabinet bei Phoenix Contact

Bernd Naguschewski ist Process Manager Control Cabinet bei Phoenix Contact (Quelle: Phoenix Contact)

Matthias Schüler, Abteilungsleiter Value Chain Consulting bei Rittal

Matthias Schüler ist Abteilungsleiter Value Chain Consulting bei Rittal (Quelle: Rittal)

Etwa 2/3 aller Aufträge im Steuerungs- und Schaltanlagenbau haben sehr kleine Losgrößen und folgen individuellen Kundenspezifikationen. Dabei stellen sich besondere Herausforderungen für die Digitalisierung. Laut S. Meier müssen E-Konstrukteure ständig neue Artikel verarbeiten, die sie nicht kennen und von denen sie keine Daten haben. Konfiguratoren können da nur begrenzt unterstützen. Mit Konfiguratoren können Anwender keine Lösung mit unterschiedlichen Herstellerprodukten generieren. Der E-CAD-Spezialist setzt daher auf die herstellerseitige Einführung von Selektoren, um zumindest die zu einer Lösung passenden Produkte schneller zu finden und die Daten zu importieren. „Beim Schaltschrankbau können Konfiguratoren bereits dadurch unterstützen, dass ein plausibilitätsgeprüftes Zubehörprogramm fertig und online bestellbar zur Verfügung steht“, sagt M. Schüler. Mit Blick in die Zukunft wird laut S. Winther der Konfigurator ein einfaches Plug-in-Tool werden, das automatisch prüft und gleichzeitig den Bestellvorgang auslöst. P. Falkenhagen betont in diesem Zusammenhang, dass bei aller Diskussion über Verbesserungsmöglichkeiten aber auch berücksichtigt werden muss, dass „die jeweils herstellerspezifischen Konfiguratoren eine lange Entwicklungszeit in Anspruch genommen haben und in Zusammenarbeit mit den Schaltschrankbauern als Anwender entstanden sind, deren Verbesserungs- und Vereinfachungsvorschläge aus der Praxis eingeflossen sind.“

Doch wie viel Zeit wird konkret eingespart, wenn zum Beispiel Klemmenleisten im Konfigurator aufgebaut werden? „Die Anordnung einzelner Bauteile, der schnelle Zugriff und das optimierte Engineering unterstützen den Werker und er erhält am Ende eine komplette Montageanleitung inklusive Beschriftungsdaten, die zu einer Ersparnis in der Größenordnung bis 50 % führt“, ist B. Naguschewski überzeugt. Dies sieht S. Winther vom Wettbewerber Wago ebenso: „Diese Zeiten haben auch wir ermittelt. Im Kontext der Beschriftung sind sogar bis 75 % möglich, weil jeweils auftragsbezogen alle Daten – auch für den Drucker – sofort zur Verfügung stehen.“ Weiterhin ergänzt er, dass Kunden bestätigt haben, dass die kundenspezifische Konfiguration auch Lagerplatz spart, da alle benötigten Daten direkt an den Einkauf weitergegeben werden und Verpackung sowie Zubehör entfällt: „Die Bestellung geht direkt an den Lieferanten, der dann das kundenspezifische Produkt liefert.“

S. Meier unterstreicht, dass der Vorteil aber nur dann besteht, wenn die Daten aus den Konfiguratoren auch als passender Datensatz in das E-CAD-Tool importiert werden können, um die Projektierung zu unterstützen. Das sieht auch S. Winther so: „Das E-CAD-System des Anwenders steht im Mittelpunkt und gilt als Master-System. Wir bieten hierzu die entsprechenden Schnittstellen.“ S. Göller fügt an: „Das sehen wir bei Siemens ebenso: Das E-CAD-System ist das Master-System und die Zielstellung bleibt immer, die Daten aus der Konfiguration in das E-CAD zu integrieren.“ Laut S. Meier ist es wichtig, dass Daten aus den Konfiguratoren direkt in der E-CAD-Software generiert werden können, obwohl „das nicht gerade einfach ist, da es sich einerseits um anwendungs- und andererseits um herstellerspezifische Daten handelt“.

Von der Datendurchgängigkeit profitiert nicht nur das Engineering, sondern unmittelbar auch die Schaltschrankfertigung. Das Schaltplanprojekt kann Daten liefern, zum Beispiel zum Bohren und Fräsen von Montageplatten oder Schaltschrankgehäusen, zum Schneiden von Kabelkanälen und Tragschienen, zum Bestücken von Tragschienen mit den richtigen Komponenten an den richtigen Positionen, zum Beschriften von Bauteilen und zum Konfektionieren von Drähten und Kabelbäumen für die Schaltschrankverdrahtung. „Alle diese Fertigungsschritte können dann auch mehr oder weniger automatisiert werden“, betont S. Meier. „Damit wird die Schaltschrankfertigung effektiver, schneller und kostengünstiger.“ P. Falkenhagen ergänzt: „Es wird zwischen Automatisierungstechnik für Maschinen, Werker-Assistenz-Systemen und manuellen Tätigkeiten in der Schaltschrankfertigung unterschieden. Die Gemeinsamkeit: Alle diese Stufen können von der Digitalisierung profitieren, wenn die Durchgängigkeit der Daten gewährleistet ist.“ „Der digitale Zwilling ermöglicht eine perfekte Vorbereitung in der virtuellen Welt“, weiß M. Schüler. „Das Wissen aus der digitalen Welt gilt es dann, in die reale Welt und die Fertigung bzw. Automatisierung zu übertragen.“

„Gerade das Thema Digitalisierung bietet bei Arbeitsplatz- und Werkerassistenz-Systemen die Möglichkeit, durch geführte Prozesse auch anders qualifizierte Mitarbeiter einzusetzen und so dem Fachkräftemangel und auch dem demografischen Wandel entgegenzuwirken“, findet B. Naguschewski. „Die Elektrofachkraft kann sich dann voll auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren.“

Blick in die Zukunft

„Jeder soll so individuell arbeiten, wie er es gerne möchte“, berichtet P. Falkenhagen. „Cloud-Lösungen bieten jedoch viele Vorteile, gerade auch in der wechselseitigen Kommunikation.“ S. Meier geht davon aus, dass zukünftig alle Tools immer interdisziplinärer zusammenarbeiten: „In Zukunft werden Maschinen und Anlagen zunächst virtuell entwickelt und erst dann real gebaut. Dann wird interdisziplinäres, herstellerübergreifendes Arbeiten zur Regel.“ Die Cloud sieht er dafür als „hervorragendes Mittel“. Das Thema „Kollaboration“ wird eine immer größere Rolle spielen.

F. Kothe nennt als Beispiel die Automobilindustrie, in der Simulationsdaten verwendet werden, um Tests, etwa Crash-Tests, rein virtuell durchzuführen. Dies sei auch für den Schaltschrankbau denkbar. P. Falkenhagen erinnert daran, dass in der Cloud Rechenleistung in hohem Maße zur Verfügung steht, die genutzt werden kann, um schnell zu Ergebnissen zu kommen.

Die Digitalisierung ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der Schaltschrankbau weiter im vollen Umfang an der Wertschöpfungskette teilhaben kann. Der wichtigste Schritt sei es, Ängste abzubauen und in kleinen Schritten nach und nach die Digitalisierung voranzutreiben und das Optimierungspotenzial zu erschließen. „Bei den Schaltschrankgestaltern können wir alle auf die gesamte Wertschöpfungskette unserer Kunden eingehen“, fasst es S. Winther im Namen der Initiative zusammen: „Das Versprechen von jedem von uns: die Unterstützung und Entwicklung eines individuellen ‚Rundum-sorglos-Pakets‘ für unsere gemeinsamen Kunden.“

Literatur

  1. Initiative Schaltschrankgestalter.
Ronald Heinze
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