Wertschöpfung im Hochlohnland erhalten

Stephan Meier, Process Manager E-CAD bei Phoenix Contact

Stephan Meier ist Process Manager E-CAD bei Phoenix Contact (Quelle: Phoenix Contact)

Sebastian Göller, Business Developer für Niederspannungstechnik bei Siemens

Sebastian Göller, Business Developer für Niederspannungstechnik bei Siemens (Quelle: Siemens)

Steffen Winther, Global Business Developer Cabinet Offerings bei Wago

Steffen Winther ist Global Business Developer Cabinet Offerings bei Wago (Quelle: Wago)

Florian Kothe, Business Development Manager bei Wago

Florian Kothe ist Business Development Manager bei Wago (Quelle: Wago)

Wie kann mit der Digitalisierung im Schaltschrankbau die Wertschöpfung in einem Hochlohnland wie Deutschland erhalten werden? „Der Schaltschrankbau kann in einem Hochlohnland nur überleben, wenn möglichst wenig hochbezahlte Mitarbeiter an der Fertigung beteiligt sind“, erklärt S. Meier. „Deshalb ist es wichtig, die menschlichen Ressourcen dort zu bündeln, wo es am sinnvollsten ist, also in der Projektierung bzw. E-Konstruktion bei der Entstehung des Schaltschranks.“ Die Digitalisierung könne die Konstrukteure unterstützen, einen digitalen Zwilling des Schaltschranks zu erstellen, in dem alle für die Fertigung relevanten Daten und Informationen enthalten sind. So lassen sich in der Fertigung dann auch angelernte Kräfte und teil- oder vollautomatisierte Fertigungsstationen einsetzen, was wiederum eine kostengünstige und effektive Schaltschrankfertigung ermöglicht.

„Der Begriff ‚Hochlohnland‘ ist immer ein schlagendes Argument, greift aber für sich alleine zu kurz“, betont Philip Falkenhagen, Head of Rapid Design bei Eplan. „ Digitalisierung schafft darüber hinaus Abhilfe bezüglich des Fachkräftemangels, führt zu kürzeren Durchlaufzeiten und beugt veralteten Arbeitsabläufen und damit einhergehenden Qualitätsproblemen vor.“ Dies unterstützt M. Schüler: „ Ohne Digitalisierung kann die Wertschöpfung nicht mehr in einem Hochlohnland wie Deutschland gehalten werden.“ Seiner Meinung nach lässt sich ein technologischer Vorsprung nur mit digitalen Prozessen und einer damit einhergehenden Steigerung der Effizienz und Produktivität halten und ausbauen.

Durchgängiges Engineering beginnt bei Stammdaten

Dabei sollte durchgängiges Engineering bereits bei den Stammdaten anfangen. Dies begründet P. Falkenhagen folgendermaßen: „Aus den Stammdaten lassen sich alle nachfolgenden Prozesse ableiten und Optimierungspotenziale aufdecken.“ Laut S. Winther muss hinsichtlich der Unternehmensprozesse „immer die im Unternehmen etablierte Software-Landschaft berücksichtigt werden.“ Seiner Ansicht nach wird in der Praxis leider zu oft mit doppelt vorhandenen Daten gearbeitet: „Es gilt also zunächst einmal, sich mit der Infrastruktur zu beschäftigen.“ S. Meier ergänzt: „Die Artikelstammdaten sind die elementarsten Objekte in einem Schaltplanprojekt. Wenn diese nicht vollständig und fehlerfrei angelegt sind, funktionieren die Folgeprozesse wie Schaltplanerstellung, 3D-Modellierung, Routing, Fertigung etc. auch nicht durchgängig.“ Für M. Schüler sind Stammdaten „der Treibstoff für den Prozess im Schaltschrankbau“. Bernd Naguschewski, Process Manager Control Cabinet bei Phoenix Contact, stellt in diesem Zusammenhang heraus: „Leider reden wir aber in diesem Zusammenhang von nur 20 % der Schaltschrankbauer, die das im Griff haben. Es gibt also noch reichlich Potenzial zu erschließen.“

Für die Digitalisierung der Wertschöpfungskette im Schaltschrankbau ist laut P. Falkenhagen die generelle Durchgängigkeit eine wesentliche Herausforderung. „Die bloße Erzeugung vieler Daten ist nicht das Ziel; es geht vielmehr darum, möglichst viele Daten bis zum Prozessende durchzureichen und diese effizient zu nutzen.“ Ebenso wichtig ist die Rückmeldung, etwa um Korrekturprozesse aus der Fertigung zu ermöglichen.“ Laut B. Naguschewski entstehen die meisten Datenbrüche bei der Kommunikation zum Shopfloor.

Sebastian Göller, Business Developer für Niederspannungstechnik bei Siemens, hebt hervor, dass es entscheidend sei, überhaupt mit dem Thema Digitalisierung zu beginnen, wenn auch in kleinen Schritten. „Eine zweite Herausforderung besteht darin, die Denkweise der Menschen zu ändern“, ergänzt S. Meier. „Es reicht nicht mehr, Schaltpläne zu ‚ malen‘. Schaltpläne müssen richtige Fertigungsdokumente werden. Daraus folgt: Es müssen Entscheidungen verlagert werden, von der Fertigung in die E-Konstruktion.“ Für S. Göller ist die Optimierung von Prozessen ein weiteres wichtiges Thema: „Mit Copy-and-paste wird man nicht effizient arbeiten können, da immer individuelle Anforderungen und Weiterentwicklungen zu berücksichtigen sind.“ M. Schüler bestätigt dies: „Im Endeffekt werden bei einer derart vereinfachten Datenübernahme häufig Fehler mitkopiert und obsolete Teile ignoriert.“

Reibungslose Kommunikation und standardisierte Schnittstellen

Komponentenhersteller unterstützen die Schaltschrankbauer bei der Digitalisierung. Einen wichtigen Beitrag dafür stellt laut S. Winther die reibungslose Kommunikation dar: „Sie gewährleistet, dass immer mit einer einheitlichen Datenbasis gearbeitet werden kann.“ Standardisierte Schnittstellen sind für den Wago-Manager der Schlüssel zum Erfolg. S. Meier teilt mit, dass die von den Komponentenherstellern bereitgestellten digitalen Daten eine hohe Qualität haben und alle Funktionen der bei den Kunden eingesetzten E-CAD-Software unterstützen müssen: „Ein standardisierter Datensatz muss sowohl in der aktuellen Version der Software als auch in allen folgenden Versionen ohne Anpassung verwendbar sein.“ Ein großes Problem ist heute auch noch, dass wir als Hersteller für jedes E-CAD-Tool softwarespezifische Datensätze zur Verfügung stellen müssen. Um unsere Aufwände zu minimieren, würden wir aber gerne nur einen Datensatz zur Verfügung stellen, der von allen Tools gleichermaßen genutzt werden kann. Der ECLASS-Standard wäre dafür ein geeignetes Mittel, wird aber leider nicht von allen Software-Herstellern unterstützt“, fügt S. Meier an. Er ergänzt: „Wenn ein Hersteller richtig gut ist, stellt er auch Schaltplanbeispiele im original E-CAD-Format zum Download bereit, die die Anwender 1 : 1 in ihre Software importieren können. Außerdem bietet er Support bei der Anwendung seiner Daten an.“

S. Göller setzt fort: „Für Hersteller, die bereits auf Konfiguratoren und Software setzen, gibt es die Anforderung, in Schnittstellen zu investieren, um dem Anwender die Arbeit – bis hin zum Überspielen des Endergebnisses in das E-CAD-System – zu vereinfachen.“ Und S. Meier ergänzt: „Der Anwender muss die verwendeten bzw. für den jeweiligen Anwendungsfall passenden Produkte auch möglichst leicht finden, auch dann, wenn er mit dem speziellen Portfolio des jeweiligen Herstellers nicht so vertraut ist.“

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