(Quelle: KI Haende fotolia_peshkova)
International steht Industrie 4.0 heute für die Digitalisierung der Industrie. Dabei entstand Industrie 4.0 erst 2011 als Zukunftsprojekt im Rahmen der Hightech-Strategie. Acatech – die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften – hat 2013 eine Forschungsagenda und Umsetzungsempfehlungen vorgestellt, die auf Betreiben des Bundesforschungsministeriums (BMBF) ausgearbeitet wurde. Dies baute auf der „National Roadmap Embedded Systems“ auf. Deutschland und die EU haben dann im Jahr 2018 ihre KI-Strategie veröffentlicht. Darin steht, dass die Mitgliedsstaaten bis Ende 2019 ihre nationalen Strategien veröffentlicht haben sollen. Deutschland hat infolgedessen eine Strategie vorgestellt, die sich national in zwölf Handlungsfelder unterteilt und die Länder haben darauf aufbauend eigene Schwerpunkte gesetzt. Das Ziel ist formuliert: KI Made in Germany soll an die Weltspitze. Die Digitalisierung bereitet nun mit den akquirierten Daten die Grundlage hierfür.
Wenn wir aber die letzten Jahre Revue passieren lassen, müssen wir festhalten, dass die Strategie in der Breite der mittelständigen Unternehmen noch keine Früchte trägt. In Deutschland gibt es auf jeden Fall international wettbewerbsfähige Unternehmen im Bereich der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz, aber die breite Masse der Unternehmen hat noch nicht die digitalen Fähigkeiten aufgebaut, um hier an der Weltspitze mitzuspielen.
Im Folgenden wird gezeigt, wie wichtig das Setzen von kurzen Zeiträumen ist und warum eine Disaggregation erst den produktiven Diskurs ermöglicht. Weiterhin wird darauf eingegangen, warum das Aufzeigen von potenziellen Mehrwerten den Aufbruch vereinfacht und warum es fast unabdingbar ist, zu erarbeiten was man verliert, wenn man nicht in diese neuen Schlüsseltechnologien investiert. Abschließend wird eine Handlungsempfehlung gegeben, wie die aufgeführten Beispiele in eine Aufgabenformulierung überführt werden können.
Denken Sie Digitalisierung und KI in Wochen und nicht in Jahren oder Monaten
Der Club of Rome hat in den 70er-Jahren vorgerechnet, dass wir Mitte dieses Jahrhunderts erhebliche Probleme mit dem CO2-Ausstoß haben werden, mit dem Ergebnis, dass 20 Jahre erstmal nichts passiert ist. Unsere Automobilindustrie hat den Einstieg in die Elektromobilität viele Jahre verschlafen und läuft nun hinterher. Beratungsunternehmen beschreiben den „do nothing“ als ihren größten Wettbewerber bei der Projektakquise. Gefühlt werden 40 % aller Initiativen nie gestartet.
Natürlich gibt es dafür viele Erklärungen. Oftmals heißt es, dass die Technologie noch nicht reif genug ist – was aber nicht mehr der Fall ist, denn die benötigten Technologien sind verfügbar. Teilweise wird das Risiko als zu groß eingeschätzt oder man schiebt es auf die fehlenden Ressourcen. Rückblickend hört man dann doch recht oft: „hätten wir mal früher gestartet“.
Warum aber fangen Unternehmen oftmals viel zu spät an sich mit neuen Technologien zu beschäftigen?
Northcote Parkinson lieferte in den 50 Jahren eine Erklärung hierfür: „Arbeit dehnt sich in genau dem Maße aus, wie Zeit zu ihrer Erledigung zur Verfügung steht.“ Die Deadline morgen kann Berge versetzen, wohingegen ein Projektziel in ferner Zukunft zu Prokrastination führt (Bild 1).
Wenn wir uns also einreden, dass Digitalisierung und künstliche Intelligenz in den nächsten fünf Jahren einen signifikanten Einfluss auf unsere Arbeit haben wird, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir vier Jahre nichts tun.
- Für Sie: Setzen Sie sich kürzere Zeitlimits, denn laut Parkinson hängt die Erledigung einer Aufgabe nicht von seiner Komplexität ab, sondern lediglich von der verfügbaren Zeit. D. h. in der Folge auch, dass realistische und angemessene Zeiträume gewählt werden müssen, um die Mitarbeiter, die diese Aufgabe zu erfüllen haben, nicht in eine Frustrationsspirale getrieben werden.
Verhindern Sie Bikeshedding, indem Sie disaggregieren und Fehler einkalkulieren
Zusätzlich fällt es schwer, eine produktive Diskussion zu führen, wenn eigentlich keiner weiß, worum es geht. Auch hier liefert Parkinson eine Erklärung. Die auf einen Tagesordnungspunkt verwendete Zeit ist umgekehrt proportional zu den jeweiligen Kosten.
Das Gesetz der Trivialität oder auch Bikeshedding-Effekt genannt kommt von folgendem Beispiel: Ein Finanz-Ausschuss tagte einmal zwei Minuten über den Bau eines neuen Atomreaktors mit Kosten in Höhe von 5 Mrd. € und diskutierte im selben Meeting 45 min über den Bau eines Fahrradunterstands im Wert von 2000 € – also quasi das 20-fache an Zeit für ein Thema, das mit Blick auf die Investitionen um das 2,5-Mio.-fache unwichtiger war.
Warum einfache und offensichtlich belanglose Themen so ausführlich und hitzig diskutiert werden, hat zwei Gründe: Erstens: Jeder hat eine Meinung und will dies auch gerne kundtun. So lässt sich mangelnde Kompetenz in Sachfragen durch ausführliche Wortbeiträge zu trivialen Punkten kompensieren. Der beispielhafte Fahrradschuppen ist einfach. Jeder kann mitreden. Es gibt kein wirkliches Risiko. Ob der Schuppen am Ende blau oder gelb ist, ob man sich für eine Siebträgermaschine oder einen Kaffeekapselautomaten in der Firmenküche entscheidet, ist im Grunde für die Organisation völlig egal.
- Für Sie: Formulieren Sie einfache Zwischenziele, bei denen jeder Entscheidungsträger mitdiskutieren kann und bauen Sie dadurch Wissen im Prozess auf.
Zweitens: Menschen in einem Unternehmen sind ja nicht blöd und uneinsichtig – ganz im Gegenteil – oftmals arbeiten die besten Köpfe unseres Landes zusammen. Allerdings agieren Sie in einer definierten Organisationsstruktur mit spezieller Kultur und Hierarchie. Der Fokus auf Trivialitäten ist also kein Kompetenzproblem, sondern hat auch mit Sicherheitsdenken zu tun, bzw. einer schlechten Fehlerkultur. Lieber mit vielen Kleinigkeiten Erfolg haben als an einer großen Sache scheitern. Bikeshedding kann also eine bewusste Strategie sein.
- Für Sie: Kalkulieren Sie Fehler offen ein und belohnen Sie Scheitern mehr als Nichtstun.