Interview: Dr. Jochen Mahlein und Herr Thorsten Götzmann

Abbild Parkplatz

Bild 2: Parkplatz (Quelle: SEW)

Abbild Lieferfahrzeuge

Bild 3: Lieferfahrzeuge (Quelle: SEW)

Können Sie die Technik etwas näher erläutern?
T. Götzmann: Es ist im Wesentlichen ein transformatorisches Prinzip auf Induktionsbasis, welches bei unserem fahrerlosen Transportsystem schon seit etwa zehn Jahren in unterschiedlichen Anwendungen, zum Beispiel in der Automobilherstellung und in Logistikzentren, zum Einsatz kommt. Dabei werden die Fahrzeuge, wie Hängebahnen, Regalbediengeräte oder autonomen Fahrzeuge, während der Fahrt nachgeladen, ohne dass man – im Vergleich zu den Alternativen Schleifleitung und Kabel – keine mechanischen Grenzen berücksichtigen muss.

Wie sähe das dann bei Elektrofahrzeugen aus?
T. Götzmann: Die induktive Ladetechnik bietet die Chance, dass man künftig gar nicht mehr bewusst laden muss. Heute fährt man zur Tankstelle, wenn der Tank – oder die Batterie – leer ist, und füllt ihn auf. Die induktive Ladetechnik ermöglicht es – die Infrastruktur vorausgesetzt – das Fahrzeug in seinem alltäglichen Betrieb zu laden. Statt einen bewussten Tankvorgang auszuführen, stellt man das Fahrzeug einfach, zum Beispiel beim Einkaufen, bei der Arbeit oder zu Hause in der Garage, über eine Ladefläche ab. Das Laden der Batterie erfolgt dann automatisch während der Stillstandzeit. Überall wo ein Fahrzeug längere Zeit steht, macht es Sinn solch eine Infrastruktur zu installieren.
J. Mahlein: Gerade der Arbeitsansatz ist interessant, weil die Fahrzeuge nicht nur lange dort stehen, sondern auch zu der Zeit, wo die stärkste Sonneneinstrahlung vorherrscht. Somit wäre eine Photovoltaikanlage eine ideale Energiequelle. Schließlich macht Elektromobilität langfristig nur dann Sinn, wenn wir regenerativ erzeugten Strom verwenden.

Inwieweit ist die Technik denn schon umgesetzt?
J. Mahlein: Wir haben hier in unserem Werk solch ein System installiert. Eine Photovoltaik- und eine Windenergieanlage erzeugen dabei den Strom und speisen einen Energiespeicher, drei induktive Ladestationen für Autos sowie zehn Ladestationen für Fahrräder. Diese Elektrofahrräder können sich unsere Mitarbeiter ausleihen, um damit in einem Einzugsgebiet von etwa 10 km ihren täglichen Pendelverkehr zur Arbeit und zurück nach Hause zu erledigen.
T. Götzmann: Die Fahrzeuge und die Technologie haben wir auf der „eCarTec“ erstmals der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Dort wurde uns der Bayrische Staatspreis für Elektromobilität im Bereich Infrastruktur verliehen. Jetzt sind wir auf der Hannover Messe auf der Mobilitec, auf der Motion, Drives & Automation und im Bereich der Metropolitan Solutions präsent. Hier ist die Elektromobilität ein Thema.

Was wird für den Aufbau eines solchen Ladesystems benötigt, auf der Primär- und auf der Sekundärseite?
J. Mahlein: Das ist primärseitig nicht viel und quasi überall installierbar. Neben einem Anschluss an eine übliche Steckdose ist noch eine Einspeisung, die sich an einer Wand befestigen lässt, eine Zuleitung und die Übertragermatte von Nöten. Alles, was man nach der Installation sieht, ist die Matte und selbst die lässt sich bei einem Neubau unter Asphalt verlegen. Auch die Einspeise-Box lässt sich in den Boden einbauen, um sie beispielsweise vor Vandalismus zu schützen.
T. Götzmann: Die Matte wurde übrigens aus zwei Gründen so groß (100 cm × 100 cm) designed. Zum einen reduzieren wir durch die relativ große Platte die magnetische Flussdichte. Zum anderen erleichtert sie das Positionieren des Fahrzeugs, sodass kein Parkassistent erforderlich ist. Die Anzeige der Feldstärke genügt völlig.
J. Mahlein: Die Sekundärseite, die einen magnetisch leitfähigen Werkstoff enthält, kann hingegen kleiner gestaltet werden. Bei den von uns nachgerüsteten Fahrzeugen haben wir die Abnehmerseite geometrisch an den Fahrzeugboden angepasst. Zudem ist noch die Energie an die Batteriesystemspannung, die je nach Fahrzeug zwischen 50 V und 800 V variieren kann, zu adaptieren. Letzten Endes wird die übertragene Energie durch das Batteriemanagementsystem des Fahrzeugs gesteuert, sodass der Ladevorgang beispielsweise bei voller Batterie beendet wird.

Wirkt sich der Abstand zwischen dem Unterboden und der Ladefläche, wie ein Luftspalt, nicht negativ auf die Effizienz aus?
T. Götzmann: Natürlich sollte ein klassischer Transformator möglichst keinen Luftspalt haben, um Blindleistung zu vermeiden. Bei unserem Prinzip wird die Blindleistung jedoch direkt vor Ort an der Matte kompensiert. Die Blindleistung muss somit nicht über lange Leitungen übertragen werden, was den Wirkungsgrad immens erhöht. Zudem arbeitet das System mit einer resonanten Hochfrequenz, wodurch es zum Schwingen angeregt und die Energie effizient übertragen wird. Somit ist die Luft kein Verbraucher, sondern nur ein Medium, in dem sich das Feld aufspannt und wir erreichen Wirkungsgrade von über 90 % – von der Steckdose bis zur Batterie, einschließlich des Ladegeräts.

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