Jan-Philipp Liersch, Senior Product Manager Robot Systems bei Mitsubishi Electric (rechts), im Gespräch mit Frank Nolte, stellv. Chefredakteur der etz (Quelle: VDE VERLAG)
Welche Bedeutung hat die Robotik im umfangreichen Produktportfolio von Mitsubishi Electric?
J.-P. Liersch: Die Melfa-Roboter sind in zweierlei Hinsicht ein Schlüsselprodukt. Zum einen arbeiten Roboter selten alleine, sondern sind in einer Anlage mit vielen Komponenten vernetzt. Diesbezüglich können wir mit unserem breiten Portfolio von Automatisierungskomponenten eine angepasste ganzheitliche Lösung mit dem Roboter als Hauptrolle anbieten.
Zum anderen bestehen unsere Roboter zu einem wesentlichen Teil aus Mitsubishi-Produkten, wie den Servomotoren, der Steuerungstechnik oder auch den Leistungsteilen aus unserem Bereich Semiconductors. Somit ist die Robotik gleichermaßen ein Umsatztreiber für andere Produkte von Mitsubishi Electric.
Was ist das Alleinstellungsmerkmal der Melfa-Industrieroboter?
J.-P. Liersch: Besonderen Wert legen wir auf hohe Qualität sowie die umfassende Funktionsvielfalt ab Werk. Beispielsweise können die Roboter Zusatzachsen direkt ansteuern. Zudem lassen sich mehrere Förderbänder ebenso direkt anschließen, wie Kamerasysteme und Echtzeit-Ethernet-Schnittstellen. Zu den technischen Highlights gehören das kompakte Design und die abgedichtete Hohlspindel beim Scara-Roboter. Somit sind alle Leitungen im Roboterarm verlegt und die Modellreihe bereits IP54-geschützt – die Knickarmroboter standardmäßig sogar IP67. Dabei sind alle Roboter von unserem Lager in Duisburg aus nach ganz Europa vollausgestattet und sofort lieferbar.
Für welche Reichweiten und Traglasten bieten Sie Roboter an?
J.-P. Liersch: Unser Portfolio an kompakten Robotern mit Traglasten von 1 kg bis 70 kg ist wohl eines der größten weltweit. Es fängt bei unseren kleinen Parallel-Arm-Scaras an, die einen Arbeitsbereich von „nur“ einem DIN-A6-Blatt aber dafür eine hohe Wiederholgenauigkeit von ±5 µm haben. Unsere 6-Achsen-Knickarmroboter bieten eine ebenfalls hohe Präzision von ±0,02 mm. Das andere Ende dieses Produktspektrums bilden unsere neuen Knickarmroboter mit Reichweiten bis über 2 m und eine Traglast bis 70 kg. Die Bandbreite der Scara-Roboter reicht vom günstigen Einstiegsmodell als Alternative für ein 3-Achs-System bis zur Hochgeschwindigkeitsausführung. Mit einer Zykluszeit von 0,29 s eignet sie sich für sehr schnelle Palettier- und Sortieraufgaben.
Darüber hinaus bieten wir noch platzsparende Deckenvarianten oder Delta-Roboter für die Lebensmittel- und Pharmaindustrie an. Zudem sind die Scara- und Knickarmroboter als H2O2-resistente Modelle sowie als speziell für den Lebensmittelbereich ausgestattete Varianten erhältlich.
Sie bieten die Roboter mit SPS-Modul sowie als Komplettsystem inklusive Controller an. Wann sollte man welche Ausführung verwenden?
J.-P. Liersch: Dass die Intelligenz in einem kompakten SPS-Modul integriert ist, wie bei unserem „iQ“-Roboter, dürfte einzigartig am Markt sein. Dadurch kann der Roboter – wenn das SPS-Modul auf die modulare „iQ“-Plattform gesteckt wird – direkt mit allen anderen SPS-Modulen kommunizieren, zum Beispiel CNC-Steuerungen, MES- oder C-Controllern. Ein Umweg über eine Feldbusanbindung oder eine andere SPS entfällt. Der Roboter wird sozusagen zum SPS-Roboter. Neben Geschwindigkeitsvorteilen, eröffnet sich dadurch auch ein einfacher Weg die Daten in übergeordnete Steuerungen oder cloudbasierte Anwendungen zu laden.
Die Komplettsysteme werden in bewährter Art und Weise mit Feldbus- und IO-Anbindungen integriert. Dabei verfügen sie über viele Funktionen die Anwender und Systemintegratoren mit einer eingängigen Software direkt unterstützen.
Software ist ein Schlüsselthema in der Robotik. Was zeichnet Ihre Programmier- und Simulationssoftware RT Toolbox 2 aus?
J.-P. Liersch: Das ist vor allem die off- und online-Programmierung mit integrierter Simulation. Der Kunde kann den Roboter also schon vor der Bestellung mit den realen CAD-Modellen testen und sehen, ob der Lösungsansatz funktioniert, oder ob zum Beispiel ein größerer oder kleinerer Roboter für seinen Anwendungsfall besser geeignet ist. Die Simulation, in der wir bis zu 32 Roboter und über die „iQ“-Plattform auch deren Zusammenspiel simulieren können, ist sehr nah an der Realität. So kann man über die Ethernet-Schnittstelle zum Beispiel externe Geräte wie ein Vision-System anschließen und testen, ob die Kommunikation mit der Kamera einwandfrei funktioniert.
Back-up, Überwachung, Kamera-Kalibrierung und Wartungsvorhersage sind dabei nur einige der Funktionen, die in der Software direkt nutzbar sind. Innerhalb kürzester Zeit lassen sich so auch mehrere Roboter einfach programmieren und in Betrieb nehmen.
Welche Kontroll- und Diagnosefunktionen bietet die Software?
J.-P. Liersch: Neben der Wartungsprognose für alle Teile des Roboters, bei der unter anderem alle Getriebe und Riemen auf Belastung getestet werden, bietet die RT Toolbox 2 auch eine Oszilloskop-Funktion. Damit kann man Roboterbewegungen im ms-Bereich darstellen und überwachen. So lassen sich Gegenkräfte messen, individuelle Tuning-Möglichkeiten für jede Achse einzeln ausnutzen und etwaige Positionierungsfehler unmittelbar korrigieren.
Zum Thema Predictive Maintenance haben wir auf der diesjährigen Hannover Messe gemeinsam mit unserem „e-F@ctory“ Partner SAP eine cloudbasierte Lösung präsentiert, bei der der Roboter seine Wartung selbst prognostiziert. Er kann voraussagen, welche Teile gewechselt werden müssen und diese im Webshop des Service-Dienstleisters bestellen.
Eine ergänzende Virtual-Reality-Applikation kann dann auch ungeschultem Personal zeigen, wie der Roboter demontiert werden muss bzw. in welche Stellung er gefahren werden muss, um ein Ersatzteil auszutauschen. Der Service-Fall ist damit bis zur Schritt-für-Schritt-Anleitung automatisiert. Seit Mitte August ist diese Applikation auch im SAP-Headquarter in Walldorf zu sehen.