Präzisionsblankpressen − Geringe Qualitätsstreuungen durch eine Prozessregelung der Temperatur, Presskraft und Werkzeugpositionierung

Abbild Anwendungsbeispiel

Bild 2: Anwendungsbeispiele (Quelle: National Instruments)

Präzisionsblankpressen

Bild 3: Präzisionsblankpressen (Quelle: National Instruments)

Das Präzisionsblankpressen gewinnt im Zuge der stetig steigenden Anforderungen an Optiken und der fortlaufenden Miniaturisierung von optischen Systemen immer mehr an Bedeutung. Aus wirtschaftlicher Sicht stoßen konventionelle Herstellungsverfahren, wie Schleifen und Polieren, zunehmend an ihre Grenzen, da mit dem Anstieg der Komplexität einer Optik auch der Herstellungsaufwand und so die Kosten pro Optik steigen (Bild 3) 

Das Präzisionsblankpressen ermöglicht eine präzise Fertigung von einbaufertigen Optiken in einem einzigen Schritt. Die gepressten Linsen können sowohl im Bereich von Beleuchtungs- als auch Abbildungsanwendungen eingesetzt werden. Ausgehend von den Spezifikationen der Optik wird ein Werkzeug- und Rohlingdesign erstellt und der spätere Umformprozess durch eine FEM-Simulation optimiert. Anschließend werden die Werkzeuge auf Ultrapräzisionsmaschinen gefertigt und mit einer verschleißmindernden Beschichtung versehen. Die Beschichtung hat eine größere Härte, einen niedrigeren Reibkoeffizienten und eine bessere chemische Verträglichkeit mit dem zu bearbeitenden Glas. Damit führt die Beschichtung zu einer Standzeitverlängerung der Werkzeuge. Bild 4 zeigt den Ablauf des Präzisionsblankpressens, bei dem die Prozesstemperatur, die Presskraft und die Position des Werkzeugs erfasst und geregelt werden.
Der Prozess beginnt mit dem Einlegen eines zumeist kugel- oder scheibenförmigen, polierten Glasrohlings in das Werkzeug. In einer geschlossenen Prozesskammer mit inerter Atmosphäre werden Glas und Werkzeug mittels Wärmestrahlung auf die Presstemperatur erhitzt. Diese Presstemperatur wird aus der erforderlichen Viskosität des verwendeten Werkstoffs abgeleitet und liegt oberhalb der Transformationstemperatur des Glases. Ein Regelsystem hält die Prozesstemperatur in einem engen Bereich. Thermoelemente im Mantel des Werkzeugs erfassen an der Rückseite der Presswerkzeuge kontinuierlich die in der Presskammer vorliegende Temperatur. Der PID-Regler gleicht die Temperatur mit dem Sollwert ab und regelt als Stellgröße die Lampenleistung, um die gewünschte Solltemperatur zu erreichen.

Diese Überwachung und Regelung findet während des gesamten Pressprozesses statt. Nach einer Homogenisierungsphase, welche die Isothermie von Werkzeug und Glasrohling sicherstellt, wird die Prozesskammer evakuiert und der Glasrohling mit einer definierten Presskraft umgeformt. Sowohl die Presskraft als auch die Z-Position der Pressachse werden während der gesamten Pressphase überwacht und gezielt geregelt. Die Überwachung erfolgt abermals über den Abgleich zwischen Soll- und Ist-Wert. Nach Vergleich der Werte wird das Drehmoment des Servomotors (als Stellgröße) gezielt über einen A/D-Konverter geregelt. Um eine Optik von optimaler Qualität zu pressen, werden enge Passungen zwischen Hülsen und Presswerkzeugen gewählt, damit sich kein Grat an den Kanten der Optik bilden kann. Der Einfluss der Reibung zwischen den Komponenten des Werkzeugs auf die Kraftmessung wird minimiert, indem die Positionsgenauigkeit des Werkzeugs eng toleriert wird. Gleichzeitig muss zur Verbesserung der Messgüte des Kraftsensors beim Glaspressen das Werkzeug mit geringen Geschwindigkeiten verfahren werden. Durch die gezielte Einstellbarkeit der Kraft und Z-Position ist es möglich, Optiken auf eine gezielte Dicke zu pressen. Während der Abkühlung befinden sich Glas und Werkzeug solange in definiertem Kontakt, bis das Glas erstarrt ist und entformt werden kann. Auch hier besitzt die Temperaturüberwachung eine entscheidende Rolle, da die sensible Abkühlphase durch Gegenheizen mittels den Infrarotlampen gesteuert werden muss. Dies ist nötig, da ansonsten die Brechungseigenschaften des Glases variieren oder sogar springen könnten. Eine anschließende Qualifizierung der gepressten Linse hinsichtlich Form, Rauheit und Funktion mittels taktiler und optischer Messgeräte dient der weiteren Prozessoptimierung.

Das Beispiel des Präzisionsblankpressens zeigt, dass bereits heute eine Vielzahl von Prozessgrößen erfasst und geregelt werden müssen, um Produkte in hoher Qualität herstellen zu können. Zeitsynchron werden Zustandsgrößen erfasst und in einem Regelungssystem zusammengeführt. Dem Auflösungsvermögen der Sensorik sind Grenzen gesetzt. Zur Überwachung der Temperatur von Werkstück und Werkzeug in der Kammer wird die Temperatur an der Mantelfläche gemessen. Dies verursacht eine gewisse Trägheit im System. In der Zerspan- und auch in der Umformtechnik ist eine ortsauflösende Temperaturinformation am Werkzeug oder Werkstück von großem Interesse, um die Ursachen von Werkzeugverschleiß oder Randzonenbeeinflussungen zu analysieren. Diese Herausforderung kann von der Sensortechnik bislang nur punktuell oder integrierend über eine Fläche bedient werden. Eine Ortsauflösung von Kraft und Temperatur innerhalb einer Wirkfläche wird bislang von auf dem Markt erhältlichen Systemen nicht geboten.

Die aus der Bearbeitung hochintegrierter Bauteile und der Verwendung komplexer Maschinen und ausgereifter Werkzeuge resultierenden Anfor-derungen sind Gegenstand aktueller wissenschaftlicher Arbeiten. Diese sollen es durch die Nutzung weiterentwickelter Sensorlösungen sowie deren Fusion zu Multisensorsystemen ermöglichen, zu jederzeit − also auch in Echtzeit − eine Aussage über die Qualität des Produktes, die Stabilität des Prozesses sowie den Zustand der verwendeten Werkzeuge, Maschinen und Hilfsmittel zu geben.
Im nächsten Teil des Beitrages werden grundsätzliche Entwicklungsrichtungen beschrieben, und anhand ausgewählter Beispiele werden erste Ansätze zur Anwendung an verschiedenen Fertigungsprozessen näher beschrieben.

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