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D. Wiese: „Im ersten Schritt geht es darum, Messtechnik flächendeckend auszurollen“ (Quelle: Wago)

D. Wiese: In meinen Augen beschäftigen Netzbetreiber vor allem zwei generelle Herausforderungen: der regulatorische Effizienzdruck und die Ungewissheit. Hinzu kommt eine gestiegene Dynamik, auch durch die Digitalisierung. Was heute noch Stand der Technik ist, kann morgen schon veraltet sein. Wo heute Kabel verlegt werden, können sie morgen schon an ganz anderer Stelle benötigt werden. Gerade für Netzbetreiber, die Netzbewirtschaftung und Netzausbau langfristig planen müssen, wird damit jede größere Investition zu einer Art Risikokapitalanlage.

Effizienzdruck und wachsende Ungewissheit: Bitte konkretisieren Sie diese Herausforderungen.

D. Wiese: Auf der einen Seite läuft gerade die dritte Novelle der Anreizregulierungsverordnung für die Jahre 2019 bis 2023 der Bundesnetzagentur an. Das setzt Netzbetreiber mit zusätzlichen Effizienzvorgaben unter Druck, ihre Netze noch produktiver aufzustellen. Auf der anderen Seite entwickeln sich unterschiedliche Technologien parallel weiter – und keiner weiß wirklich genau, welche davon sich langfristig als eine Art Standard etablieren kann oder sich vielleicht doch nur als Brückentechnologie entpuppt.

Klingt als hätten Sie ein aktuelles Szenario dieser Ungewissheit im Kopf?

D. Wiese: In der Tat. Was mir spontan einfällt, ist die Mobilitätsdebatte: E-Autos und Brennstoffzellenantriebe sind jetzt schon länger ein kommentierter Glaubenskrieg. In der Wahrnehmung der breiten Masse hat da sicherlich die E-Mobilität die Nase vorn. Deren Verfechter schwören auf Elektroautos und sind der festen Überzeugung, dass sich E-Fahrzeuge mit exponentieller Geschwindigkeit verbreiten. Auch das ist ein Grund, warum deutsche Autobauer gerade zweistellige Milliardensummen in die E-Mobilität investieren. Toyota, als einer der weltweit größten Autohersteller, setzt hingegen beim Autoantrieb weiterhin auf Brennstoffzellentechnologie und hat auch dafür klare und ebenso nachvollziehbare Argumente – und Unterstützer, ebenso der südkoreanische Automobilhersteller Hyundai.

Was ist das Problem, wenn sich diese Technologien parallel weiterentwickeln?

D. Wiese: Jetzt schon wissen zu wollen oder zu müssen, auf welches Pferd man heute für morgen setzt; die Frage, was von beiden sich wo, wie schnell und flächendeckend verbreiten wird? Wird der Elektromotor wider Erwarten vielleicht doch nur eine Brückentechnologie bleiben? Welche Wirkungsgrade hat welches Szenario auf die Bewirtschaftung und Planung der Netze? Das sind zurzeit unbeantwortete Fragen, die Netzbetreibern eine effiziente Netzplanung alles andere als erleichtern.

Wie kann man dieser Ungewissheit entgegensteuern?

D. Wiese: Mit Transparenz, denn Transparenz ist immer zukunftssicher – in der Debatte, aber auch in den Netzen. Je mehr ein Netzbetreiber über sein Netz weiß, desto geringer ist das Risiko, eine Fehlinvestition zu tätigen.

Wie erreichen Netzbetreiber Transparenz in den Netzen?

D. Wiese: Im ersten Schritt geht es darum, Messtechnik flächendeckend auszurollen. Nur so können vage Schätzungen oder Studienergebnisse gegen echtes Wissen eingetauscht werden. Im zweiten Schritt geht es um die Bereitstellung und Aufbereitung der gewonnen Daten. Im dritten dann darum, die Daten für unterschiedliche Personengruppen beim Netzbetreiber so nutzbar zu machen, dass sie Netzführung, Netzbetrieb und Netzplanung nicht nur effizient gestaltet, sondern auch zukunftssicher aufgestellt werden können.

Wo liegen für Sie die neuralgischen Punkte, an denen Netzbetreiber ihr Gesamtnetz noch besser in den Blick bekommen können?

D. Wiese: Für mich liegen die wichtigsten Messpunkte ganz klar im Niederspannungsnetz. Hier findet der Großteil der Energiewende statt, hier wird die regenerative, volatile Energie ins Netz eingespeist. Hier beziehen im Falle des Falles das Gros an E-Autos, Wärmepumpen und andere Verbraucherquellen ihre Energie. Aber hier etabliert sich gerade auch die Eigenbedarfsnutzung selbst erzeugter Energie. Das betrifft nicht nur Netzbetreiber, sondern auch unternehmenseigene, industrielle Energienetze. Allerdings gibt es in diesen Netzen immer noch zu viele blinde Flecken. Die können zwar historisch begründet werden, aber aus ihnen lässt sich alles andere als eine adäquate Handlungsempfehlung künftiger Netzbewirtschaftung ableiten.

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