Welche Handlungsempfehlungen haben Sie denn für Netzbetreiber?

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Daniel Wiese ist Marktmanager Energie bei Wago (Quelle: Wago)

D. Wiese:Ich plädiere dafür, das volle Potenzial von Ortsnetzstationen auszuschöpfen. Im übertragenen Sinn waren Ortsnetzstationen vorher gänzlich blind. Sie mussten ja auch nicht sehen können, sondern Energieflüsse stumpf in eine Richtung weiterleiten. Daher ist die sogenannte intelligente Ortsnetzstation schon ohne jede Frage ein wichtiger Fortschritt. Sie leitet Daten aus der Mittelspannung an die Netzführung weiter und kann gegebenenfalls auch automatisiert Schalthandlungen vornehmen. Damit kann sie bislang aber nur auf einem Auge sehen.

Intelligente Ortsnetzstation – das reicht doch, oder nicht?

D. Wiese:Naja, wie sagt man: Unter den Blinden ist der Einäugige König. Um einigermaßen im Bild zu bleiben, sage ich: Mit zwei sehenden Augen wird er zum Kaiser. Denn wenn die Ortsnetzstation als Sammel- und Knotenpunkt für alle relevanten Daten – auch aus der Niederspannung – genutzt wird, dann wird in Zukunft auch das andere Auge der Ortsnetzstation sehen können. Dadurch entstehen Möglichkeiten zur kompletten Netzbewirtschaftung, die echten Mehrwert bieten – planerisch effizient und damit wirtschaftlich.

Welche Mehrwerte bietet die Weiterentwicklung der intelligenten Ortsnetzstation und woraus resultieren diese?

D. Wiese:Im Kern bestehen diese Mehrwerte aus realen, online gemessenen Daten. Nur sie lassen es zu, konkrete Netzberechnungen und -simulationen durchzuführen und mehr regenerative Energien ins Netz einspeisen zu können. Die Bearbeitung von Anschlussanfragen werden dann weder auf Best- noch auf Worst-, sondern auf Real-Case-Szenarien basieren. Durch diese Datentransparenz kann das Potenzial der vorhandenen Netzinfrastruktur noch weiter ausgeschöpft und ein notwendiger Netzausbau priorisiert angegangen werden. Reale Daten sind die Basis, um ein belastbares Lastmanagement aufzuziehen und starre sowie ressourcenaufwendige Wartungsturnusse durch vorausschauende Wartungen zu ersetzen.

Das klingt aber nach einem riesigen Messdatenberg, der erst bezwungen werden muss.

D. Wiese:Nicht unbedingt. Es geht nicht darum, ein Datengrab zu schaffen, das in irgendeiner komplexen Datenbank liegt, sondern darum, die gemessenen Daten genau dort gezielt aufzubereiten und zugänglichzu machen, wo sie entstehen: in der Netzstation. Das spart auch Kommunikationskosten und -zeit. Nichtsdestotrotz bleiben die aggregierten Daten erhalten. Sie können im Nachgang beispielsweise immer noch gezielt in eine Cloud gesendet oder aus der Ferne als Datensatz ausgelesen werden, für großangelegte und tiefgehende Datenanalysen zum Beispiel.

Ist das jetzt alles eine Vision, eine konkrete Planung oder gibt es schon Fortschritte?

D. Wiese:Zurzeit trifft alles drei zu: Fortschritte erwachsen aus einem Plan und das wiederum setzt eine Vision voraus. In diesem Gesamtzusammenhang reden wir bei Wago daher von der digitalen Ortsnetzstation, kurz „dONS“. Diesen Begriff möchten wir dafür etablieren und sind dabei, gezielt Lösungen zu schaffen, die sukzessive über den Wirkungsgrad einer intelligenten Ortsnetzstation hinausgehen werden. Ausgehend von den Herausforderungen geht es schließlich darum, dass Netzbetreiber dem regulatorischen Effizienzdruck und der vorherrschenden Ungewissheit wirklich etwas entgegenzusetzen haben – und das in jedem Fall zukunftsfähig.

 

Redaktion etz - (hz)
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