Schmelzsicherungen versus Leistungsschalter

Abbild Sicherungseinsätze

Bild 2: Sicherungseinsätzen (Quelle: NH-HH)

Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in der Elektrotechnik die ersten Sicherungselemente eingesetzt. Einfache Platindrähte schützten Telegrafenleitungen vor zu hohen Strömen. Das Prinzip dieser sogenannten Schmelzsicherung ist bis heute unverändert. Ein typisches Beispiel sind die sogenannten Niederspannungs-Hochleistungs-Sicherungen (NH-Sicherungen). Bei ihnen befindet sich ein Schmelzleiter im Innern eines Keramikgehäuses, das mit Quarzsand gefüllt ist. Speziell geformte Engstellen auf dem Schmelzleiter erwärmen sich bei einem Überstrom, schmelzen und lösen durch eine Lichtbogenbildung den Abschaltvorgang aus (Bild 1). Der Quarzsand dient dazu, den dabei entstehenden Lichtbogen effizient zu löschen. Die Auslösecharakteristik der NH-Sicherung – also die Zeit-Strom-Kennlinie – wird durch die genaue Form der Engstellen und einen speziellen Lotpunkt auf dem Schmelzleiter bestimmt.
Mit dem Leistungsschalter gibt es seit fast 100 Jahren eine Alternative, um Überströme zu beherrschen. Dieser arbeitet im Gegensatz zu Schmelzsicherungen mechanisch und kann ebenfalls entsprechend einer Kennlinie den Kurzschlussstrom sicher ausschalten bzw. begrenzen. Der wesentliche Unterschied zur Schmelzsicherung liegt darin, dass ein Leistungsschalter abhängig von der Höhe der abgeschalteten Überströme eine Vielzahl von Schaltvorgängen ermöglicht und dadurch nicht ausgetauscht werden muss, wie eine Schmelzsicherung, wenn sie einmal einen Überstrom abgeschaltet hat.

Vor-, Nach- und Vorurteile

Die Diskussion, ob Schmelzsicherungen oder Leistungsschalter verwendet werden sollten, um Überströme sicher abzuschalten, ist schon fast 100 Jahre alt. Bereits 1925 gab es in der Fachzeitschrift Elektrotechnische Zeitschrift eine über „Briefe an die Schriftleitung“ ausgetragene Diskussion zu dem Thema [1]. Während es damals ausschließlich um die Sicherheit der einen oder anderen Methode ging, spielt heute eine Vielzahl von Argumenten eine Rolle. Viele der vermeintlichen Nachteile von Schmelzsicherungen stellen sich aber bei genauer Betrachtung eher als Vorurteile heraus. Ein typisches Beispiel ist die angeblich hohe Verlustleistung von Schmelzsicherungen, die ja elektrische Energie benötigen, um die Engstellen zu schmelzen. Gerade in Zeiten, wo in allen Anwendungen eine hohe Energieeffizienz gefordert wird, spielt dieser Punkt natürlich eine wichtige Rolle. In Wirklichkeit sind die Leistungsabgaben von NH-Sicherungen, die beispielsweise im Vorzählerbereich zum Einsatz kommen, geringer als die von vergleichbaren SH-Schaltern. Insgesamt spielen Sicherungen bei den Netzverlusten im Mittel- und Niederspannungsbereich nur eine untergeordnete Rolle. Weniger als 0,1 % der im Netz verteilten Energiemenge entfällt auf Verlustleistungen in Sicherungen. Der weitaus größte Teil der Netzverluste – insgesamt etwa 6 % bis 7 % – entsteht in Transformatoren und Leitungen. Würden in Deutschland alle im Vorzählerbereich verwendeten SH-Schalter durch NH-Sicherungen ersetzt, so ließen sich etwa 32 GWh jährlich einsparen.

Alterung von Schutzeinrichtungen

Für den Betrieb von Anlagen sind die Alterung und der dadurch notwendige Austausch von Komponenten wichtige Punkte, die zu den Gesamtkosten beitragen. Sicherungen haben den Ruf, dass sie altern und dann durch Fehlauslösungen den Betrieb stören. Tatsächlich erreichen Sicherungen aber eine hohe Lebensdauer, während die Zeit-Strom-Kennlinie unverändert bleibt. Ernsthaft vorgeschädigte ­Sicherungen, die beispielsweise bereits einer unzulässigen Strombelastung ausgesetzt waren, tendieren zum Abschalten, was jedoch stets zu einem sicheren Betriebszustand führt (fail safe).
Im Gegensatz zu Leistungsschaltern haben Sicherungen keine beweglichen Teile, die durch Altern störanfälliger werden könnten. Bei Leistungsschaltern verändern sich zudem die Kontaktflächen durch einen Schaltvorgang. Die Anzahl der Kurzschlussabschaltungen ist dadurch auf jeden Fall ­begrenzt. Dabei lässt es sich nur schwer feststellen, ob das „Lebensende“ des Leistungsschalters erreicht ist und er folglich ausgetauscht werden muss. Eine ausgetauschte NH-Sicherung bietet dagegen auf jeden Fall den „neuwertigen“ Schutz.
Ein weiteres Vorurteil in diesem Zusammenhang betrifft die Recyclingfähigkeit. Da Sicherungen „Einmalschalter“ sind, müssen sie nach einem Schaltvorgang ausgetauscht werden, was teilweise als Verschwendung von Ressourcen gesehen wird. Dabei wird oft übersehen, dass sich Sicherungseinsätze sehr gut recyceln lassen. Die Sammlung und Verwertung abgeschalteter NH- und HH-Sicherungen übernimmt der gemeinnützige NH/HH-Recycling-Verein. Die in den Sicherungen enthaltenen Metalle lassen sich vollständig wiederverwerten. Das Recycling von Leistungsschaltern ist aufgrund des hohen Kunststoffanteils dagegen aufwendiger. Wenn eine Sicherung ausgetauscht wird, lässt sich außerdem ein absolut neuwertiger Schutz der Anlage erreichen. Und der Austausch ist dabei relativ kostengünstig.

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