Bitkom-Grafik mit Ergebnissen einer Cyber-Attacke-Studie

Auswertung der Antworten auf die Frage nach Cyber-Angriffen in Unternehmen, die ihm Rahmen einer Bitkom-Befragung gegeben wurden (Quelle: Bitkom)

Für die Studie wurden im Auftrag des Bitkom mehr als 1.000 Unternehmen quer durch alle Branchen repräsentativ befragt. Sie zeigt, dass praktisch jedes Unternehmen in Deutschland Opfer wird: 84 % der Unternehmen waren im vergangenen Jahr betroffen, weitere 9 % gehen davon aus. Dabei sind die Angriffe aus Russland und China zuletzt sprunghaft angestiegen. 43 % der betroffenen Unternehmen haben mindestens eine Attacke aus China identifiziert (2021: 30 %). 36 % haben Urheber in Russland ausgemacht (2021: 23 %). Zugleich gehen die Angreifer laut dem Bitkom immer professioneller vor. Erstmals liegen das organisierte Verbrechen und Banden an der Spitze der Rangliste der Täterkreise. Bei 51 % der betroffenen Unternehmen kamen Attacken aus diesem Umfeld. Vor einem Jahr lag ihr Anteil gerade einmal bei 29 %, vor drei Jahren bei 21 %.

„Spätestens mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und einer hybriden Kriegsführung auch im digitalen Raum ist die Bedrohung durch Cyber-Attacken für die Wirtschaft in den Fokus von Unternehmen und Politik gerückt. Die Bedrohungslage ist aber auch unabhängig davon hoch“, sagte Bitkom-Präsident Achim Berg. „Die Angreifer werden immer professioneller und sind häufiger im organisierten Verbrechen zu finden, wobei die Abgrenzung zwischen kriminellen Banden und staatlich gesteuerten Gruppen zunehmend schwerfällt. Allerdings zeigen die Ergebnisse in diesem Jahr auch, dass Unternehmen mit geeigneten Maßnahmen und Vorsorge dafür sorgen können, dass Angriffe abgewehrt werden oder zumindest der Schaden begrenzt wird.“

Verfassungsschutz-Vizepräsident Sinan Selen sagte bei der Vorstellung der Studie: „Die Bewertungen in der Studie spiegeln sich auch in der Lageeinschätzung der Cyber-Abwehr des BfV wider. Die Grenzen zwischen Cyber-Spionage und Cybercrime verschwimmen zunehmend. Wir müssen uns nicht nur auf ein ,Outsourcing‘ von Spionage einstellen, sondern auch darauf, dass Staaten Cybercrime als Deckmantel für eigene Operationen nutzen. Wir stellen eine Vermischung analoger und digitaler Angriffsvektoren fest. Zudem wechseln staatliche Akteure ihr Zielspektrum flexibel, je nach politischer Agenda, von Wirtschaft zu Politik und umgekehrt. Als Nachrichtendienst kann das BfV diesen Herausforderungen begegnen, da wir wertvolle Erkenntnisse aus operativen Maßnahmen und aus dem Austausch mit internationalen Partnern kombinieren können.“

Zunehmend digitale Angriffe 

Angriffe auf die Wirtschaft haben sich im vergangenen Jahr weiter in den digitalen Raum verlagert. So geben zwei Drittel der Unternehmen (69 %) an, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten von Diebstählen von IT- und Telekommunikationsgeräten betroffen oder vermutlich betroffen waren, ein Anstieg um 7 Prozentpunkte zum Vorjahr. 63 % berichten vom Diebstahl sensibler Daten (plus 3 Prozentpunkte), bei 57 % wurde digitale Kommunikation ausgespäht (plus 5 Prozentpunkte) und 55 % sind von der digitalen Sabotage von Systemen oder Betriebsabläufen betroffen oder vermuten dies (plus 3 Prozentpunkte). Leicht rückläufig sind dagegen der analoge Diebstahl von physischen Dokumenten, Unterlagen oder Mustern (42 %, minus 8 Prozentpunkte), das Abhören von Besprechungen oder Telefonaten (28 %, minus 9 Prozentpunkte) sowie die analoge Sabotage (22 %, minus 3 Prozentpunkte). „Unternehmen in Deutschland haben seit Beginn der Corona-Pandemie die Digitalisierung vorangetrieben. Damit verlagern sich auch die Angriffe zunehmend in den digitalen Raum“, so A. Berg.

Täter wollen Daten Dritter 

Beim Diebstahl digitaler Daten haben es die Angreifer verstärkt auf Daten Dritter abgesehen. So geben 68 % der von diesem Delikt betroffenen Unternehmen an, dass Kommunikationsdaten wie E-Mails entwendet wurden (2021: 63 %). Bei fast jedem Zweiten (45 %) waren Kundendaten im Visier – nach nur 31 % vor einem Jahr. Berg: „Die Täter scheinen genau zu wissen, an welcher Stelle sie am härtesten zuschlagen können. Wenn Daten Dritter entwendet werden, droht den Unternehmen zusätzlicher Schaden. Der reicht von Reputationsverlust bis hin zu möglichen Bußgeldern der Aufsichtsbehörden.“ In jedem dritten betroffenen Unternehmen wurden unkritische Business-Informationen (38 %) oder Cloud-Zugangsdaten (32 %) gestohlen. Jedes vierte Unternehmen meldet den Verlust kritischer Business-Informationen wie Marktanalysen (28 %) sowie Daten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (25 %). In rund jedem fünften betroffenen Unternehmen (18 %) hatten es die Täter auf geistiges Eigentum wie Patente abgesehen, in 14 %flossen Finanzdaten ab.

Schwerwiegende Cyber-Angriffe

Insbesondere digitale Angriffe beunruhigen die Wirtschaft: 39 % haben in den vergangenen zwölf Monaten erlebt, dass Cyber-Attacken auf ihr Unternehmen stark zugenommen haben, 45 % meinen, sie haben eher zugenommen. Vor allem Betreiber kritischer Infrastrukturen erleben einen Anstieg der Angriffe: Hier sagen 49 %, die Attacken haben stark zugenommen, und 38 %, sie haben eher zugenommen. Die Sorgen vor den Folgen einer Cyber-Attacke wachsen: 45 % der Unternehmen meinen, dass Cyber-Attacken ihre geschäftliche Existenz bedrohen können – vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 9 %.  

Bei den Cyber-Angriffen wurden vor allem Attacken auf Passwörter, Phishing und die Infizierung mit Schad-Software bzw. Malware für die Unternehmen teuer – in jeweils jedem vierten Unternehmen (25 %) ist ein entsprechender Schaden entstehen. Dahinter folgen DDoS-Attacken, um IT-Systeme lahmzulegen (21 %). Ransomware-Attacken haben in 12 % der Unternehmen Schäden verursacht, das ist nach dem Rekordjahr 2021 mit 18 % ein Rückgang. „Bei Ransomware gilt: Durch technische Vorkehrungen und Schulung der Beschäftigten lassen sich Angriffe abwehren. Und wer aktuelle Back-ups zur Verfügung hat und einen Notfallplan aufstellt, der kann den Schaden einer erfolgreichen Attacke zumindest deutlich reduzieren“, so A. Berg. „Auf keinen Fall sollte ein Lösegeld gezahlt werden. Häufig erhalten die Opfer ihre Daten selbst dann nicht in einem brauchbaren Zustand zurück – und zugleich werden die Täter zu weiteren Angriffen motiviert, und die können auch auf dasselbe Unternehmen erneut treffen.“

Einen Anstieg gab es beim sogenannten Social Engineering. Fast jedes zweite Unternehmen (48 %) berichtet von entsprechenden Versuchen. Dabei wird vor allem und deutlich häufiger als in der Vergangenheit versucht, über das Telefon (38 %, 2021: 27 %) und über E-Mail (34 %, 2021: 24 %) an sensible Informationen zu gelangen. Sie können dann für Cyber-Attacken verwendet werden. A. Berg: „Eine regelmäßige Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu Sicherheitsfragen, damit sie sich auch bei Social-Engineering-Versuchen richtig verhalten, sollte in jedem Unternehmen selbstverständlich sein.“

Zunahme der Cyber-Attacken auf Kritis erwartet

Die Unternehmen erwarten in den kommenden zwölf Monaten eine weitere Zunahme von Cyber-Angriffen. 42 % der Unternehmen rechnen mit einem starken Anstieg, 36 % mit einem eher starken. Die Betreiber kritischer Infrastruktur stellen sich sogar auf noch heftigere Attacken ein: Hier rechnen 51 % mit einem starken, 33 % mit einem eher starken Anstieg. Die Wirtschaft fürchtet dabei vor allem Ransomware-Angriffe, die 92 % als sehr oder eher bedrohlich einschätzen. Dahinter folgen Zero-Day-Exploits (91 %) und Spyware-Attacken (85 %). 72 % sehen mögliche Angriffe mit Quantencomputern als künftige Bedrohung. Aber auch Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt beunruhigen die Unternehmen: 72 % sehen den Mangel an IT-Sicherheitsexperten als Bedrohung, 58 % die zunehmende Fluktuation von Beschäftigten.

Der Anteil der Ausgaben für IT-Sicherheit am IT-Budget der Unternehmen ist verglichen mit dem Vorjahr leicht gestiegen. 9 % geben die Unternehmen im Schnitt aus, vor einem Jahr waren es 7 % .  „Bei den Ausgaben für IT-Sicherheit müssen die Unternehmen dringend zulegen. Die Erkenntnis, welche dramatischen Folgen ein erfolgreicher Angriff haben kann, ist längst da – den notwendigen Schutz davor gibt es aber nicht zum Nulltarif. Hier müssen Vorstände und Geschäftsleitungen umgehend aktiv werden“, sagte A. Berg.

Von der Politik wünschen sich 98 % mehr Einsatz für eine verstärkte EU-weite Zusammenarbeit bei Cyber-Sicherheit. 97 % fordern, dass die Politik stärker gegen Cyber-Attacken aus dem Ausland vorgehen soll. Und drei Viertel (77 %) meinen, die Politik solle die Ermittlungsbefugnisse erweitern, damit Cyber-Angriffe aufgeklärt werden können. Zugleich beklagen 77 %, dass der bürokratische Aufwand bei der Meldung von Vorfällen zu hoch ist.

Bitkom (ih)

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