Selbstoptimierende Prozessführung in der Leiterplattenfertigung

Passives Sensormodul und das Auslesen des Sensors mittels NFC-Smartphone (Quelle: Ulrich Rotte Anlagenbau und Fördertechnik GmbH; Collage: „it‘s OWL“)
Diese Erfahrung hat unter anderem die Ulrich Rotte Anlagenbau und Fördertechnik GmbH aus Salzkotten gemacht. Gemeinsam mit dem Fraunhofer ENAS wurde ein kontaktloses Temperaturmesssystem zur permanenten Überwachung der Laminiertemperatur eines automatischen Pressprozesses implementiert. Ziel war eine selbstlernende und -optimierende Prozessführung und eine Effizienzsteigerung um bis zu 25 %. Dass Optimierungspotenzial besteht, zeigt sich bei genauerer Betrachtung des Prozesses der Leiterplattenfertigung: Die Herstellung einer mehrlagigen Leiterplatte erfolgt durch die sequenzielle Laminierung von sogenannten Prepreg-Lagen auf einen bereits vorverarbeiteten Leiterplattenkern. In der Praxis muss sichergestellt werden, dass alle Lagen eine ausreichend lange Presszeit erfahren beziehungsweise auf die notwen dige Temperatur erwärmt werden. Bisher erfolgte dies auf Basis von Erfahrungswerten und durch Kontrolle der Heizplatten temperatur mittels Sensoren, die in jede Lage händisch eingebracht und anschließend verdrahtet werden mussten. Dazu musste der gesamte Prozess unterbrochen werden.
Im Rahmen des „it‘s OWL“-Projekts wurde ein Verfahren entwickelt, das die Auslesung der Sensoren kontaktlos ermöglicht und somit einen manuellen Eingriff des Menschen in den laufenden Produktionsprozess vermeidet. Die Verfügbarkeit eines solchen Systems stellt aufgrund der Möglichkeit zur permanenten Prozesskontrolle im automatisierten Fertigungsablauf einen Fortschritt dar. Nach einem erfolgreichen Einsatz im Bereich der Leiterplattenfertigung, kann das Verfahren zukünftig auch für die Herstellung weiterer technischer Laminate eingesetzt und vermarktet werden.
Künstliche Intelligenz in der Transportlogistik
Auch Firmen, die augenscheinlich nah an der Digitalisierung dran sind, können von einem „it‘s OWL“-Transferprojekt profitieren. Das zeigt die Weber Data Service IT GmbH aus Bielefeld. Sie entwickelt seit mehr als 45 Jahren Software für Transport- und Logistik dienstleister. Mit fortschreitender Digitalisierung werden die Kundenanforderungen komplexer und erfordern Softwarelösungen auf Basis von künstlicher Intelligenz. Ziel des zusammen mit der FH Bielefeld durchgeführten Projekts war es daher, KI-basierte Lösungen für Standard-Transportmanagementsysteme zu definieren, die Umsetzungsmöglichkeiten zu untersuchen und eine KI-Strategie zu entwickeln.
Mehrere für Weber Data Service relevante Business Cases wurden identifiziert und anschließend näher betrachtet. Beispielsweise wurde für die automatische Erfassung von Auftragsinformationen aus unterschiedlichen Datenquellen (E-Mail, Fax oder PDF-Dokumente) eine prototypische Lösung entworfen. Dazu wurde ein Zyklus zur Datenaufbereitung, Machine-Learning-Modellierung und Evaluation mehrfach durchlaufen, bis eine Precision-Rate von mehr als 70 % erreicht werden konnte. Besonders wertvoll für das Unternehmen ist dabei die Ableitung einer allgemeinen Vorgehensweise sowie ein dazu passender Tool-Stack. Beides lässt sich auf a ndere Kunden und Dokumentarten übertragen.
Anschließend wurde die Übertragbarkeit der erarbeiteten Lösungskonzepte auf andere Business Cases untersucht. Dabei erwiesen sich die Datenstrukturen und -voraussetzungen in den einzelnen Business Cases als sehr unterschiedlich. Daher ist zwar keine unmittelbare Übertragbarkeit der trainierten KI-Modelle möglich, allerdings die der Vorgehensweise. Deswegen brachte das Projekt für Weber Data Service einen großen Erkenntnisgewinn, wie Astrid Drexhage, Geschäftsführerin Weber Data Service IT GmbH, ausführt: „Wir haben erstmals ein Gefühl dafür bekommen, wie KI-basierte Lösungen entwickelt werden können. Das eröffnet uns neue Horizonte für zukünftige Applikationen, die unseren Kunden konkret weiter helfen.“
Konzept für die Optimierung der Fertigung
Um ein grundsätzlicheres Problem drehte es sich in dem Projekt der Heinrich Lüffe-Baak GmbH aus Harsewinkel, das gemeinsam mit dem Fraunhofer IEM angegangen wurde: Die Vielfalt des Produktportfolios des Paletten- und Holzkisten herstellers sowie der Anspruch, kundenindividuell zu fertigen, hatten eine regelmäßige Umrüstung der Montageeinrichtung zur Folge. Aufgrund der Komplexität der Maschinen sind die Umrüstprozesse häufig langwierig, fehleranfällig und erklärungsbedürftig.
Ziel des Transferprojektes war es, die gesamten Fertigungsprozesse zu optimieren. Nach einer umfassenden Analyse der aktuellen Prozessabläufe, entwickelte das Team eine Soll Prozessbeschreibung. Dabei handelt es sich um ein Bedienkonzept, welches die Mitarbeitenden Schritt für Schritt durch den Umrüstprozess einer Maschine führt. Jeder Handgriff und jede Einstellung wurden in Form einer Fotodokumentation festgehalten und detailliert beschrieben. Die Mitarbeitenden erhalten via Tablet interaktive Anleitungen. Sie können sich nun durch diese klicken und bekommen jeden Handgriff schrittweise erklärt und visualisiert. Das macht die Prozesse effizienter und reduziert Fehler in den einzelnen Abläufen.
Parallel zum Bedienkonzept wurde zur Verbesserung der der zeit vor allem auf geschätzten Werten basierenden Kalkulation eine Anwendung programmiert, welche die Prozesszeiten erfasst. So lässt sich der zeitliche Aufwand des Umrüstprozesses besser abschätzen und damit genauer kalkulieren. Die Ergebnisse sollen im Weiteren auf den gesamten Maschinenpark übertragen werden.
Transferökosystem OWL verbessern
Der erfolgreiche Technologietransfer von „it’s OWL“ wird seit April 2021 mit einem dreijährigen Rahmenprojekt fortgeführt. „Unser Ziel ist es, die Zusammenarbeit und die Angebote von ,it‘s OWL‘ zu verbessern und durch eine Orchestrierung der Aktivitäten auf die nächste Stufe zu heben. Transferbarrieren sollen überwunden und die Forschungsergebnisse, die an den Forschungsstandorten und in den Innovationsprojekten erarbeitet werden, in eine breite Anwendung gebracht werden“, erläutert G. Korder. Dafür werden neue Transferformate gestaltet und erprobt, eine „it‘s OWL“-Innovationsplattform konzipiert und prototypisch umgesetzt sowie der Transfererfolg systematisch gemessen. „Durch die digitale Plattform erhalten Unternehmen einen einfachen, systematischen Zugang zu Wissen und Technologien zum Thema intelligente technische Systeme“, so G. Korder weiter.
Neues Format für den Mittelstand
Eine zentrale Komponente des Rahmenprojekts bildet das neue Projektformat „it‘s OWL Transferpiloten“. Diese Projekte sind auf mittelständische Unternehmen zugeschnitten, die nicht der KMU-Definition (< 249 Mitarbeitende) der EU entsprechen. Damit schließt „it‘s OWL“ die Lücke zwischen seinen Angeboten der großvolumigen Innovationsprojekte und der Transfergutscheine für KMU. Bei den neuen Transferpiloten handelt es sich um bilaterale F&E-Kooperationsprojekte zwischen mittelständischen Unternehmen und Hochschulen beziehungsweise Forschungsinstituten aus OWL. Im Rahmen der Projektdauer von bis zu zwölf Monaten sollen neue Lösungen oder Anwendungen entwickelt werden, welche die Basis für innovative Produkte, Services, Prozesse und Organisationsformen bilden.