
Engineering mit der Verwaltungsschale – eine große Zeitersparnis. (Quelle: Fotolia_carloscastilla_163363960)
Die industriellen Etikettiermaschinen von Bausch+Ströbel sind hochkomplex. Damit beim Kunden alles funktioniert, testen die Ingenieure des Herstellers von Abfüll- und Verpackungsanlagen für die Pharma- und Kosmetikindustrie das mechatronische Verhalten, bevor die Maschinen die Produktion verlassen – virtuell in einem digitalen Zwilling. Fehler fallen hier sofort auf, etwa wenn mechanische Komponenten miteinander kollidieren.
Die Herausforderung für die Ingenieure: Bausch+Ströbel bezieht mechanische, elektrische und pneumatische Komponenten von verschiedenen Herstellern. Damit die virtuelle Inbetriebnahme realistisch gelingt, braucht der digitale Zwilling alle Informationen über diese Einzelteile: Maße, Material, Eigenschaften und vieles mehr. Damit war bislang viel Aufwand verbunden. So mussten die Ingenieure diese Infos mühsam zusammensuchen, etwa auf Webseiten oder über die direkte Kommunikation mit dem Hersteller, und teilweise händisch in die Engineering-Tools eingeben. Und wenn der Zulieferer des Teils etwas daran änderte, bekamen die Ingenieure mitunter nichts davon mit. „Bisher konnte fast jeder Lieferant Daten liefern, wie er wollte“, sagt Constantin Liepert, Presales und Business Development Consultant bei Siemens. Nur große OEM könnten ihren Zulieferern Vorgaben machen, Daten nach einem bestimmten Standard bereitzustellen.
Mit der Verwaltungsschale werden diese Herausforderungen auch in anderen Branchen eliminiert. Viele Beispiele zeigen, wie sich die AAS (Asset Administration Shell, engl. für Verwaltungsschale), im Engineering unentbehrlich macht. Die AAS ist in dem Prozess die Drehscheibe für den Datenaustausch. Sie ist ein Konsortialstandard, der aus mehreren Teilen besteht und die Grundlage für die IEC 63278 sowie für die Regulierung in der EU bildet. Wichtige Beteiligte bei Normierung und Regulierung sind auch in der IDTA aktiv. Prof. Michael Hoffmeister etwa, einer der Vorstände der IDTA, ist Project Leader der Arbeitsgruppe, in der die IEC 63278 ausgearbeitet wird. Die aktive Beteiligung der Mitgliedsunternehmen als Industriepartner in den IDTA-Arbeitsgruppen sorgt für eine breite Akzeptanz des Standards sowie für eine Qualitätsprüfung.
Der Konsortialstandard definiert derzeit 89 standardisierte Informationsmodelle, genannt Teilmodelle oder Submodels, die schon veröffentlicht wurden oder in Arbeit sind. Die Spezifikation und die Submodelle der AAS sind Open Source und damit frei zugänglich, jedes Unternehmen darf sie weltweit kostenlos nutzen. Damit hat der Ingenieur die Gewähr, dass er mit wenigen Mausklicks leichten Zugriff auf diese Daten bekommt und diese einfach weiterverwenden kann. Mit der Standardisierung hat die IDTA eine wichtige Basis gelegt für mehr Effizienz im Engineering-Prozess.
Das ist deshalb so wichtig, weil im Design und Engineering eines Produkts Entscheidungen getroffen werden, die den gesamten Lebenszyklus des Produkts betreffen – über die Nutzung bis zur Reparatur und Recycling. „80 % der Eigenschaften werden in dieser frühen Phase definiert“, sagt Prof. Dieter Wegener von Siemens, der als Sprecher in verschiedenen Arbeitskreisen beim ZVEI, DIN und BDI den digitalen Produktpass 4.0 auf Basis der Verwaltungsschale vorantreibt. Das hat auch Auswirkungen auf den CO2-Fußabdruck. Die AAS enthält jeden noch so kleinen Beitrag zur CO2-Emission eines Einzelteils, die sich im Endprodukt bei der Herstellung und später im Betrieb aufsummiert.