Der Versuch eines technischen und neutralen Vergleichs

Abbild Feldbus Stahl

Bild 3: Feldbus (Quelle: Stahl)

Eines der größten Hemmnisse für den Erfolg des Feldbusses und großer Nachteil gegenüber zum Beispiel Remote IO war in der Vergangenheit die geringe Anzahl von anschließbaren Feldgeräten an einen Busstrang. Während bei nicht explosionsgeschützten Ausführungen die Anzahl der Feldgeräte je Busstrang typischerweise bei ca. 16 liegt, reduzierte sich die Anzahl bei Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen drastisch. „Der erste Ansatz, einen eigensicheren Bus nach dem klassischen Konzept des Nachweises der Eigensicherheit aufzubauen, resultierte in einer maximalen Anzahl von ca. vier Feldgeräten – zumindest bei der Anforderung nach Explosionsgruppe IIC“, so A. Fritsch. Er resümiert: „Durch die notwendige Energiebegrenzung, das aufwendige Nachweisverfahren bei mehreren Teilnehmern und entsprechenden Leitungsparametern ein nachzuvollziehendes, aber natürlich inakzeptables Ergebnis.“ Daraufhin untersuchte die PTB in Deutschland das tatsächliche Verhalten von Feldgeräten an einem eigensicheren Feldbus und nutzte dazu zum experimentellen Nachweis auch Versuche mit dem Funkenprüfgerät. „Die Ergebnisse, die seinerzeit in dem PTB-Bericht W-53 veröffentlicht wurden, waren sehr interessant und eröffneten wesentlich bessere Einsatzmöglichkeiten“, sagt er weiter. Neben einigen Randbedingungen, dass zum Beispiel nur eine Einspeisung in den Bus zulässig ist und alle Teilnehmer sich passiv verhalten müssen, kamen auch reale Leitungen und Leitungsmodelle zum Einsatz. „Eines der verblüffendsten Ergebnisse war, dass der zündwilligste Bus eine Leitungslänge von 0 m aufweist“, so A. Fritsch. Dieses Modell ist inzwischen unter dem Namen Fisco (Fieldbus Intrinsically Safe Concept) auch in die internationale Normung eingegangen und wurde in der DIN IEC 60079-27 zusammen mit einem ähnlichen Konzept für die Zone 2 mit dem Namen Fnico (Fieldbus Non Incendive Concept) eingearbeitet.

„Mit dem Fisco-Konzept waren jetzt ca. sechs bis sieben Teilnehmer für die Explosionsgruppe IIC an einem Feldbus zulässig. Damit stieg die Akzeptanz und der Einsatz von Feldbuslösungen vervielfachte sich. Noch heute wird in vielen Feldbus-Applikationen nach diesem Konzept gearbeitet“, berichtet er und fügt an: „Im Vergleich zum Feldbus in Nicht-Ex-Ausführung lag das Ergebnis allerdings noch immer weit hinter der theoretisch maximalen Anzahl von 16. Den Durchbruch brachte erst das Konzept der Feldbus-Barrieren.“ Dabei wird auf einen eigensicheren Bus zugunsten einer höheren Energieeinspeisung verzichtet. Um aber den Vorteil der Zündschutzart Eigensicherheit zum Austausch von Feldgeräten im Betrieb in der Zone 1 nutzen zu können, wird eine Barriere zwischengeschaltet, die den nicht-eigensicheren Bus in mehrere eigensichere Busabzweige aufteilt – eine Technik, die die klassische Ex-i-Trennung mit galvanischen Trennstufen zum Vorbild hat. Durch diese Lösung sind die 16 Feldgeräte aus dem Nicht-Ex-Ansatz auch für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen erreichbar. Mit modernen Feldbus-Barrieren, wie den Feldgeräte-Kopplern aus der neuen Reihe ISbus von R. Stahl, können somit bis zu 16 Feldgeräte nach Fisco-Spezifikation an einem Bus betrieben werden. Zusätzlich sind unter anderem Kurzschlussschutz der Abzweige, Diagnoseelemente und unterschiedliche Schirmungskonzepte integriert.

Auf dem Weg zur Findung der „besten“ Lösung werden die Lösungsmöglichkeiten für den Feldbus mit einem Remote IO anhand einer Signalmenge von 120 Geräten verglichen. Unter der Annahme, dass nur analoge Signale zum Einsatz kommen, ergibt sich ein klares Bild: Beim „reinen“ Fisco-Ansatz müssen die 120 Feldgeräte auf insgesamt 20 Feldbusse aufgeteilt werden. Damit ergibt sich ein Verkabelungsaufwand, der relativ stark an die herkömmliche Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung erinnert. Kommen Feldbus-Barrieren zum Einsatz, reduziert sich die Anzahl der Feldbusse auf acht. „Da an ein Remote-IO-System typischerweise bis zu 64 analoge Feldgeräte in der Zone 1 angeschlossen werden können und bis zu 31 derartiger Stationen an einen Profibus DP, wird hierfür nur ein einziger Bus benötigt. Auf der anderen Seite erfordert allerdings ein Remote IO eine zusätzliche Energieversorgung und bietet nicht die Vielfalt an Funktionen und Diagnosen wie die Geräte für den Feldbus“, kommt der Produktmanager zu dem Schluss.

In der Tabelle sind die funktionellen und technischen Aspekte der beiden Lösungen Feldbus und Remote IO gegenübergestellt und bewertet. Anhand eines Bewertungssystems ähnlich der Schulnoten, soll ein neutraler, technischer Vergleich erfolgen. Hierbei gilt „++“ = sehr gut gelöst, Note 1, „+“ = gut gelöst, Note 2, „O“ = lösbar mit Einschränkungen, Note 3, und „-“ nicht ausreichend lösbar, Note 4.

„Doch beeinflusst auch in diesem Vergleich die Anforderung in der Anwendung die einsetzbare Technologie“, so A. Fritsch und begründet: „Wird beispielsweise eine Leitungsredundanz bis in die Feldebene gefordert, so kann nur Remote IO eine sinnvolle Lösung sein, wo hingegen bei der Funktion ,Control in the Field’ die Wahl auf Feldbus fallen muss.“ Das Gesamtergebnis in diesem Vergleich hilft allerdings auch nicht viel weiter in der Beantwortung der Frage „Was ist die beste Lösung?“.

Die beste Lösung

Nachdem die vorstehenden Ausführungen und Beispiele bei der Beantwortung der Frage nicht weiterhelfen konnten, bleiben als Konsequenz nur noch zwei Ansätze übrig: Beide Parteien ziehen sich in ihre Lager zurück, sammeln weiter Argumente für „ihre“ Technik und verurteilen die Befürworter der anderen Fraktion. Inwieweit dies zu einer sinnvollen und vor allem für den Anwender hilfreichen Lösung führt, mag bezweifelt werden. Alternativ dazu sollte man sich überlegen, inwieweit sich die Stärken und Schwächen beider Techniken kombinieren lassen.

„Das Ziel eines jeden Herstellers muss es doch sein, die beste und effektivste Lösung für seine Kunden zu konzipieren und anzubieten“, stellt A. Fritsch heraus. So müsse der Anwender die Möglichkeit haben, je nach Anwendung, Randbedingung oder auch persönlichen Vorlieben, aus konventionellen Trennstufen, Remote IO oder Feldbus wählen zu können und natürlich auch diese Einzellösungen zu einer Gesamtlösung zu kombinieren.

„Dieser Lösungsansatz ist nicht etwa nur Theorie. Wenn man sich existierende Projektlösungen anschaut, so wird man häufig genau diese Kombination finden“, so A. Fritsch und belegt an einem Beispiel: „Im Scip-Projekt in China kamen neben den Feldbussen auch galvanische Trennstufen zum Einsatz. Die Schweizer Firma Novartis hat bei ihrem WSH2084/B150-Projekt je nach Applikation entweder Feldbus mit Feldbus-Barrieren oder Remote IO eingesetzt. So wurden zum Beispiel die komplexeren Messumformer oder Stellungsregler mit Feldbusanschluss verwendet, um so alle Vorteile des großen Funktionsumfangs zu nutzen. Für einfache Digitalsignale kam hingegen eine wesentlich kostengünstigere Lösung mit dem Remote-IO-System IS1 am Profibus DP zum Einsatz.“

Remote IO und Feldbus lassen sich jedoch nicht ausschließlich auf Applikationsebene miteinander kombinieren. Selbst ein mechanisch integrierter Ansatz in ein und dem selben Feldgehäuse ist denkbar. In dem Beispiel einer Zone-1-Feldstation wird demonstriert, wie beide Lösungen in ein Gehäuse „verpackt“ werden. Das bedeutet: Gleich welche Art von Feldgeräten in der Anlage zum Einsatz kommt, konventionelle 4...20-mA-Geräte, Hart-Signale, digitale Signale oder Feldbus-Geräte, der Anschluss erfolgt an einer Feldstation. In der Station sind auf der einen Seite die Feldgeräte-Koppler für zum Beispiel FF-H1-Geräte installiert und mit dem Leitsystem über den Feldbus verbunden. Auf der anderen Seite kommt das Remote-IO-System IS1 zum Einsatz, um die restlichen Signale von konventionellen bzw. Hart-Feldgeräten einzusammeln und über den Profibus DP ebenfalls zum Leitsystem zu übertragen. Je nach Anforderung können unterschiedliche Arten von Feldgehäusen mit weiteren oder anderen Einbauten zum Einsatz kommen oder Feldbus- und Remote-IO-Komponenten separat installiert werden.

Noch besser in der Zukunft?

„Aber auch diese Lösung ist noch nicht ganz perfekt: Es werden zwei unterschiedliche Bussysteme verwendet, wodurch auch das Wissen über diese beiden Busse auf Seite der Anwender vorhanden sein muss“, kommentiert A. Fritsch und sagt weiter: „Während bei der Kombination Profibus DP und Profibus PA die Hürde recht niedrig ist, stehen schon fast Welten zwischen Profibus und FF H1. Unterschiede bei den Installationstechniken, den Kabeln und Leitungen, den Kommunikationsbaugruppen und dem Engineering erfordern hier einen gewissen Aufwand, der zwar überschaubar, aber nicht vernachlässigbar ist.“ Allerdings ist er der Meinung, dass sich hier in der Zukunft ein interessanter Lösungsansatz eröffnen wird. „Die Technologie des Industrial Ethernet hält langsam aber sicher Einzug in die Prozessautomatisierung. Während im Bereich der Fertigungsautomatisierung schon erste Lösungen im praktischen Einsatz sind, zum Beispiel Profinet, verhält sich die Prozesstechnik eher abwartend“, stellt er fest. So seien einige kritische Details, wie schnelle Redundanzumschaltungen, noch nicht ausreichend gelöst. Auch müsse die Frage „Wie wird Industrial Ethernet sinnvoll in explosionsgefährdeten Bereichen zum Einsatz kommen können?“ noch ausreichend geklärt werden. Ein weiteres Thema sei die Vielzahl der Ethernet-Protokolle, wie Modbus TCP/IP, Profinet IO, Ethernet/IP oder FF HSE, die eher verwirrend als hilfreich sei.

„Lösungsansätze zeichnen sich aber schon ab, und mit Industrial Ethernet eröffnet sich daher eine wirkliche Integration von Remote-IO und Feldbus in nicht allzu ferner Zukunft“, so A. Fritsch. Als Erklärung fügt er an: „Neue Technologien eröffnen neue Möglichkeiten und sinnvolle Änderungen. Aber wie die Vergangenheit lehrt, kommt es nur selten zum abrupten Wechsel von der einen Technologie zur anderen.“ Als Beispiele nennt er, dass noch immer bei eigensicheren Signalen die schon oft totgesagte Sicherheitsbarriere eingesetzt wird. „Die modernen galvanischen Trennstufen haben sich zwar inzwischen auf breiter Ebene durchgesetzt, konnten aber bisher die Sicherheitsbarriere nicht vollständig verdrängen“, sagt er. Auch das Remote IO mit all seinen Vorteilen habe nicht dazu geführt, dass der Markt für Trennstufen eingebrochen sei. „Im Gegenteil, noch immer ist hier ein leichtes Wachstum auf sehr hohem Niveau festzustellen. So wird auch der Feldbus seine Vorfahren in absehbarer Zeit nicht verdrängen, sondern vielmehr sinnvoll ergänzen. Wenn man sich über neue Technologien und Lösungen Gedanken macht, sollte man nie das eigentliche Ziel aus den Augen verlieren: den bestmöglichen Nutzen für den Anwender.“ Als Resümee zieht er deshalb: „Die intelligente Kombination aus den Stärken der Remote-IO-Technik und der Feldbus-Technologie – je nach Art und Umfang der Anlagen – ergibt die beste und effektivste Lösung, bereits jetzt und noch besser in der Zukunft.“

Weitere Informationen unter www.stahl.de.

Inge Hübner
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