Abbildung aufgeschlagenes Buch Studie

(Quelle: fotolia.com / kwanchaift)

ISG hat im Herbst 2020 mehr als 40 Topmanager großer Fertigungsunternehmen und Automobilkonzerne in der EMEA-Region für ihre Intensivstudie befragt. „Dabei zeigt sich, dass die Einschätzungen der Experten zum Teil stark auseinandergehen. Vielerorts ist eine erhebliche Zurückhaltung erkennbar, wie stark man seine unternehmerischen Fähigkeiten anpassen sollte, um die Auswirkungen der Pandemie sicherer zu managen. Nur eine Minderheit hat bereits entschieden, die Weichen teilweise neu zu stellen“, berichtet ISG-Partner Christian Decker, der das Design der Studie mitbestimmt hat. 

Wie uneins die Branche in vielen Fragen derzeit noch ist, zeigt sich laut der Experten zum Beispiel bei der Steuerung der Ökosysteme: Zwar zählen gut zwei Drittel (68 %) der befragten Experten den Umgang mit Disruptionen in der Lieferkette zu den Schlüsselprioritäten der kommenden 18 Monate. Doch wie man diese Herausfo­derung in der Praxis angehen soll, darüber ist sich bisher nur einer Minderheit im Klaren. Beispielsweise hat ISG danach gefragt, ob ausgewählte geschäftskritische Funktionen zurück ins Unternehmen sollen. Nur gut ein Drittel (35 %) der Befragten kann sich ein entsprechendes Re-Insourcing aktuell vorstellen. Die weit überwiegende Mehrheit ist noch unentschlossen (43 %). Das übrige Fünftel (22 %) sieht in ihren Unternehmen keine Bewegung in diese Richtung.

Eine weitere Möglichkeit, weniger anfällig für Lieferkettenprobleme zu werden, liegt in der Übernahme von Partnerunternehmen. Auch dieser Plan findet derzeit eher wenig Zuspruch. Gerade einmal jeder Siebte (13 %) stimmt dem Statement zu: "Wir werden andere Marktteilnehmer übernehmen oder mit ihnen fusionieren." Doppelt so viele Teilnehmer (26 %) sind genau gegenteiliger Meinung. Der Rest – mit 57 % mehr als die Hälfte der Befragten – weiß derzeit noch nicht zu sagen, wie sich die M&A-Tätigkeit ihrer Unternehmen vor dem Hintergrund der Pandemie entwickeln wird.

Denkt man stattdessen eher über die Bildung von Konsortien nach? Auch hier hat ISG nachgefragt. Doch erneut bilden sich keine eindeutigen Präferenzen heraus. Dabei ist die Gruppe der Unentschlossenen diesmal besonders groß: Gut drei Viertel der Befragten (77 %) können zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen, ob man die Arbeit in Konsortien stärker priorisieren werde oder nicht.

Somit lässt sich festhalten: Eine große Mehrheit der Befragten sieht, dass der Handlungsdruck für das Lieferkettenmanagement steigt. Gleichzeitig geht jedoch nur eine Minderheit davon aus, dass es Veränderungen auf Organisationsebene geben wird. Zahlreiche Teilnehmer sind derzeit noch unentschieden. Kann es daher sein, dass der eigentliche Anpassungsbedarf eher auf Prozessebene gesehen wird?

Informationsübermittlung automatisieren

Tatsächlich ist das Problembewusstsein auf der Ebene der Arbeitsabläufe besonders hoch: Sechs von sieben Befragten (87 %) teilen die Einschätzung, dass ihre Geschäftsprozesse durch Covid-19 erheblich beeinträchtigt werden. Und auch unter den etwas vorsichtiger gestimmten Studienteilnehmern findet sich niemand, der keine Wirkungen erkennen kann.

Doch wie gehen die Unternehmen die operativen Herausforderungen in der Praxis an? Der unmittelbarste Weg, die hohe Abhängigkeit von physischen Interaktionen abzubauen, liegt darin, die Übermittlung der Informationen zu automatisieren, die für das korrekte Ausführen der Abläufe gebraucht werden. Studien­teilnehmer nennen hier eine Vielzahl von Möglichkeiten. Das Spektrum reicht vom Einsatz von Augmented-Reality-Werkzeugen wie Datenbrillen bis zu Predictive-Maintenance-Lösungen, die immer stärker auch mit Data Analytics und Künstlicher Intelligenz arbeiten.

Trotz aller Optionen, die die Digitalisierung hier öffnet, geht jedoch nur eine Minderheit davon aus, dass sich die digitale Roadmap ihres Unternehmens spürbar ändern wird: Lediglich jeder Zehnte sieht einen hohen Anpassungsbedarf. Weitere 50 % der Befragten erwarten eher moderate Änderungen. Die übrigen 40 % sehen kaum und zum Teil sogar gar keinen Anlass für Veränderungen. Somit hält die weit überwiegende Mehrheit der Befragten die Grundzüge ihrer Roadmaps auch unter den Vorzeichen der Pandemie für ausreichend.

Virtualisierungsschub verändert Kundenbedürfnisse

Auch die in der Coronakrise nochmals gestiegenen Kundenanforderungen ändern an dieser Einschätzung nichts. 92 % der Experten sind sich einig, dass der Virtualisierungsschub der vergangenen Monate die Kundenbedürfnisse langfristig verändern wird. Doch was genau treibt den Wandel? Neun von zehn Befragten (89 %) nennen als wichtigsten Punkt den Wunsch nach mehr digitaler Kundenbeteiligung. Hier geht es insbesondere darum, die Nutzer noch stärker als bisher an der Auslegung der Produkte zu beteiligen. Der zweitwichtigste Treiber für die Virtualisierung des Kundengeschäfts liegt im Bereich Vertrieb und Marketing: Zwei Drittel der Befragten sind sich sicher, dass ihre Kunden mehr Wahlfreiheit wünschen, über welche Kanäle sie mit ihnen kommunizieren können. An dritter Stelle folgt ein weiterer produktbezogener Treiber: Eine höhere Benutzerfreundlichkeit sehen knapp 40 % der Befragten als Kundenbedürfnis, das angesichts der Corona-Erfahrungen noch einmal stärker zunehmen wird, als dies ohnehin schon der Fall war.

Ausblick

Die befragten Fertigungsunternehmen und Automobilhersteller kommen mit diesen Anforderungen unterschiedlich gut zurecht. Zahlreiche Studienteilnehmer räumen ein, nicht ausreichend genug vorbereitet zu sein, um dem Wunsch nach virtueller Kundeninteraktion und digitaler Abwicklung von Geschäfts­prozessen umfassend genug nachzukommen. Zudem gehen die Befragten davon aus, dass sich die grundlegenden Veränderungstrends ihrer Märkte weiter fortsetzen werden. Zudem äußern viele der Befragten keinerlei Zweifel daran, dass es auch zukünftig externe Schocks geben wird, die in ihrer Wirkungsweise Covid-19 vergleichbar sein werden.

Vor diesem Hintergrund ist die überwiegende Mehrheit der Befragten sicher, dass sich ihre Unternehmen noch systematischer auf die Anforderungen der virtuellen Welt einstellen und den daraus resultierenden Wandel aktiv vorantreiben müssen. „Weitaus stärker als dies ohnehin schon der Fall war, geht es darum, den Lebenszyklus der Kundenbeziehungen zu verstehen. Erst dann lassen sich die Produkte und Services eines Unternehmens sowie die damit verbundenen Wertschöpfungsprozesse tatsächlich genau darauf ausrichten, was der Kunde aktuell am Nötigsten hat“, resümiert C. Decker und betont: „Um ein entsprechendes Maß an Kundenzentrierung zu erreichen, braucht es die cross-funktionale Zusammenarbeit aller Wertschöpfungsbereiche.“ Der Weg dorthin führe über ein neues Operating Model. Zeitnah finden darin genau diejenigen Mitarbeiter und Partner zusam­men, die über genug Wissen, Fähigkeiten und Mittel verfügen, um die Produkte des Unternehmens so auszugestalten, dass sich veränderte Kundenbedürfnisse marktgerecht erfüllen lassen.

ISG (ih)

Ähnliche Beiträge