Christoph Behler, Business Development Manager der CC-Link Partner Association (CLPA) in Europa, erläutert, wie TSN die Voraussetzungen für den nächsten Schritt im digitalen Zeitalter schafft.

Christoph Behler, Business Development Manager der CC-Link Partner Association (CLPA) in Europa, erläutert, wie TSN die Voraussetzungen für den nächsten Schritt im digitalen Zeitalter schafft. (Quelle: CLPA)

„Time-Sensitive Networking (TSN) hat sich von einem Novum zu einem wesentlichen Bestandteil der Produktion entwickelt. Dieser Erfolg liegt am Potenzial von TSN für die Konvergenz, das heißt die Zusammenführung von verschiedenen Datenverkehrsklassen, um Industrie-4.0-Applikationen zu ermöglichen“, informiert C. Behler grundlegend. „Nicht zuletzt durch das Engagement von zukunftsorientierten Organisationen wie der CLPA, die von Anfang an eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung und Integration in industrielle Applikationen gespielt hat, sind die Möglichkeiten von TSN heute beeindruckender denn je.“

Die Herausforderungen von Industrie 4.0 und das Potenzial der Konvergenz

Bei vielen Digitalisierungsprojekten geht es darum, die großen und ständig wachsenden Datenmengen zu beherrschen. Ziel ist es, aus den Daten Informationen zur Entscheidungsfindung in Echtzeit abzuleiten. „Eine der größten Herausforderungen ist derzeit noch die Implementierung effektiver Lösungen für die Datenerfassung und Datentransport, unter der Prämisse der Transparenz zu erreichen, damit Analysemöglichkeiten zur Optimierung in Echtzeit geschaffen werden können“, berichtet C. Behler. Eine weitere Hürde bestehe darin, die verschiedenen bereits vorhandenen OT-Systeme in die Lage zu versetzen, miteinander zu kommunizieren, um möglichst effektive Prozessabläufe zu realisieren.

Hinsichtlich der heute bereits weitreichend vorhandenen Industrial-Ethernet-Vernetzung ist C. Behler überzeugt, dass sie den gestiegenen Anforderungen von Industrie-4.0-Applikationen bezüglich Leistung, Konnektivität und Cybersicherheit nur in seltenen Fällen vollständig gewachsen ist. Zudem gibt er zu bedenken, dass Standard-, Safety- und Echtzeitdaten häufig über verschiedene Netzwerke parallel übertragen würden. „Entsprechend komplex sind die Netzwerkarchitekturen, deren Installation, Betrieb und Wartung kostspielig und zeitaufwendig sein können“, sagt er. Infolgedessen ist die für eine optimale Prozesssteuerung erforderliche Datentransparenz nur schwer zu erreichen. „Auch was die Weitergabe dieser Daten an übergeordnete IT-Systeme angeht, damit diese unternehmensweit verfügbar sind, erweisen sich das Datenmanagement und die Konsolidierung von den verschiedenen Datenströmen bislang als sehr aufwendig.“

Erreichung von Datenkonvergenz im gesamten Unternehmen

Erst die Konvergenz von Daten ermöglicht allen beteiligten Komponenten und Systemen, über eine und dieselbe OT-Netzwerkarchitektur zu kommunizieren und bei Bedarf an übergeordnete IT-Systeme angebunden zu werden. „Hierbei wird das gesamte Datenaufkommen im selben Netzwerk gemanagt, und die Konvergenz verringert die Komplexität sowie die Kosten für den Betrieb von mehreren Netzwerken. Auf diese Weise können Unternehmen den Informationsgewinn durch IT- auf OT-Systeme anwenden und umfassende Erkenntnisse über Maschinen, Prozesse und Anlagen generieren und somit ihre Prozesse optimieren, die Effizienz steigern und letztendlich die gesamte Produktivität erhöhen“, ist C. Behler überzeugt.

Unternehmen, die auf dem Weg zur Digitalisierung bis hin zur vollständigen Prozessoptimierung von Industrie 4.0 sind, benötigen aus Sicht des Experten eine Netzwerkinfrastruktur, die folgende Anforderungen erfüllt:

  • Konvergenz von unterschiedlichen und zeitkritischen Datenverkehrsklassen, wie E/A-, Motion- und Safety-Daten,
  • Konvergenz des Prozess-Echtzeit-Datenverkehrs mit nicht echtzeitkritischem Datenverkehr aus anderen Quellen, wie Bildverarbeitungssystemen, Barcode-Lesegeräten, Druckerservern, Qualitätssicherungs- und Wartungssystemen usw.,
  • Konvergenz verschiedener nicht interoperabler Industrial-Ethernet-Protokolle,
  • Konvergenz von OT- mit IT-Systemen sowie
  • die Gewährleistung von Cybersicherheit, damit der gesamte Datenverkehr sicher und vor unbefugtem Zugriff geschützt ist.

„Während das herkömmliche Industrial Ethernet nicht in der Lage ist, Lösungen für all diese Herausforderungen zu bieten, liefert eine ergänzende Technologie die perfekte Lösung – Time Sensitive Networking“, lautet die Antwort von C. Behler.

Die Lösung

TSN ist eine Erweiterung des industriellen Standard-Ethernets, die von der Arbeitsgruppe 802.1 des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) definiert wurde, um dessen Leistung zu verbessern. „Der Hauptvorteil dieser Technologie besteht darin, dass es das Ethernet inhärent deterministisch macht und somit die Grundvoraussetzung für eine konvergente Netzwerkarchitektur schafft“, erläutert C. Behler. In der Praxis bedeutet Determinismus, dass der Datenfluss in einem Netzwerk vorausberechenbar wird, da Latenz (Übertragungsverzögerungen) und Jitter (Schwankungen dieser Verzögerungen) präzise gesteuert werden. „Dies ermöglicht die vorausberechenbare Übertragung aller Datenverkehrsklassen, die sich somit ein Netzwerk teilen“, erklärt er weiter. Das Endergebnis ist eine Echtzeit-Performance des Netzwerks für alle Datenverkehrsklassen und somit eine uneingeschränkte Eignung für Steuerungsaufgaben, da die Synchronisation aller Systemkomponenten gewährleistet ist. „Mit TSN ist also eine konvergente Netzwerkarchitektur möglich“, bringt er es auf den Punkt.

ONE – ein Netzwerk, eine Lösung

Mit CC-Link IE TSN wurde dann eine Spezifikation bereitgestellt, die Gigabit-Ethernet-Bandbreite mit TSN kombiniert. Sie bietet die erforderliche Offenheit und Leistungsfähigkeit sowie eine gesteigerte Funktionalität. „Die CLPA war die erste Organisation, die das Industrial Ethernet mit TSN-Funktionalität kombinierte und bereits 2018 CC-Link IE TSN vorstellte“, erinnert C. Behler stolz. Kurz darauf hätten die Early Adopters mit der Entwicklung und Implementierung von CC-Link-IE-TSN-kompatiblen Entwicklungswerkzeugen und Automatisierungsprodukten begonnen. „In der Folge entwickelte sich eine Eigendynamik und inzwischen nutzen große Endanwender diese Technologie oder planen deren Einsatz“, berichtet er weiter. TSN ertüchtigt somit das Industrial Ethernet um die erforderlichen Eigenschaften, damit Hersteller konvergente Netzwerkarchitekturen aufbauen und ein Backbone für das IIoT bereitstellen können. „Allerdings gibt es noch einen weiteren, nicht minder wichtigen Aspekt: die Bandbreite“, stellt C. Behler heraus. So schaffe TSN zwar alle Voraussetzungen für die gemeinsame Nutzung des Netzwerks durch unterschiedliche Datenverkehrsklassen. „Für die erforderliche Datenübertragungskapazität muss aber immer auch ausreichend Bandbreite für die stetig zunehmende Anzahl der vernetzten Komponenten gewährleistet sein“, fügt er an.

Bis vor Kurzem konnten die meisten Industrial-Ethernet-Systeme mit einer Bandbreite von 100 Mbit/s eine ausreichende Leistung bieten. „Da jedoch im Zuge von Industrie 4.0 immer mehr Komponenten miteinander kommunizieren, macht der daraus resultierende Anstieg des Datenvolumens eine Aufrüstung auf die Gigabit-Bandbreite erforderlich“, so C. Behler. Und auch hierfür werden mit TSN die optimalen Voraussetzungen geschaffen.

 

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