Abbild FTS

Bild 1: FTS (Quelle: IPA)

Da fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) im Produktionsprozess vielfältige intralogistische Aufgaben übernehmen, müssen sie entsprechend zuverlässig und zugleich effizient agieren, aber auch größtmögliche Sicherheit bieten und Kollisionen vermeiden. So fordern Ausrüster mobiler Robotersysteme zur weiteren Anwendungserschließung Navigationsverfahren mit Verfügbarkeiten von quasi 100 % in der Produktionslogistik.

Bisherige Liniennavigation

Bisher sind in der Logistik überwiegend spurgebundene Navigationslösungen (Liniennavigation) zu finden. Dies bedeutet, dass jedes FTF einer vordefinierten optischen, magnetischen oder induktiven Leitlinie folgt, die physisch angebracht sein muss und Teil einer regelmäßigen Instandhaltung ist. Entsprechende Sensorik, wie Kameras, Hallsensoren oder Antennen, sorgen dafür, dass das FTF die Spur hält, weitere Sensoren erfassen Hindernisse. Ist die Leit­linie blockiert oder fehlerhaft, stoppt das FTF und das Problem muss manuell behoben werden.
Liniennavigation funktioniert zwar sicher und zuverlässig, allerdings schöpft ein FTS, also der Verbund von einem oder mehreren FTF mit Leitsteuerung, damit nicht das Potenzial aus, das Technologien für mobile Navigation heute bieten können. Nachteil der Liniennaviga­tion ist zum Beispiel ihre Unflexibilität: Wenn die FTF andere Bahnen als geplant fahren sollen, muss die ganze Infrastruktur angepasst werden. Außerdem sind liniengeführte FTF in dynamischen Umgebungen nicht effizient: Sie sind an die physische Leitlinie gebunden, können also weder Hindernisse umfahren noch Freibereiche in einer Produktionsumgebung dynamisch nutzen.

Vorzüge freier Navigation

Freie Navigation ermöglicht es durch neue Technolo­gien, genau diese Einschränkungen zu überwinden. Sie ist in der Servicerobotik bereits Stand der Technik und wird am Fraunhofer-Institut für Produk­tionstechnik und Automatisierung (IPA) kontinuierlich weiterentwickelt. Seit einigen Jahren setzen die Wissenschaftler die Technolo­gien aus der Servicerobotik auch für fahrerlose Transportsysteme in industriellen Umgebungen ein, damit FTS variabler und dynamischer agieren können.

Frei navigierende FTF folgen nicht mehr vorgegebenen Leitlinien, sondern orientieren sich an vorhandenen natürlichen Umgebungsmerkmalen im Produktionsumfeld, zum Beispiel Säulen oder Wandverläufe. Sie kommen ohne aufwendige Infrastruktur aus, sodass die Einrichtung des FTS einfacher und eine Änderung der Fahrbahnen leicht möglich ist. Die FTF können sich auch in neuen oder veränderten Umgebungen lokalisieren und ihre Bahn bei Bedarf dynamisch und (zeit-)effizient berechnen. Vor einem Hindernis müssen sie nicht mehr stehenbleiben, sondern können ihm entsprechend der räumlichen Umgebung ausweichen. Die Möglichkeiten reichen bis hin zur Berechnung der jeweils optimalen Bahn innerhalb des zur Verfügung stehenden Freibereichs.

Schlüsseltechnologien für mobile Navigation

Damit mobile Systeme wie FTF frei navigieren können, müssen sie mithilfe ihrer Sensoren drei Schlüsseltechnologien beherrschen: Erstens die Lokalisierung (Wo bin ich?), um zu wissen, wo sich das FTF innerhalb einer Umgebung befindet. Zweitens die Bahnplanung (Wie komme ich zum Ziel?), um die optimale Bahn zum Ziel zu ermitteln. Und schließlich die Bahnregelung, damit diese kollisionsfrei und genau zurückgelegt wird. Erkennt ein FTF neue Hindernisse auf der zunächst berechneten Bahn, passt es diese an die Bewegung des Hindernisses an.

Lokalisierung erfolgt einerseits über odometrische Informationen, also über die Schätzung der gefahrenen Bahn ab einem beliebigen Punkt anhand der Rad­umdrehungen. Sensoren wie Laserscanner machen die Lokalisierung noch robuster. Sie helfen, Umgebungsmerkmale zu erkennen und die Position relativ zu diesen zu bestimmen. Diese Informationen werden mit einer vorhandenen Umgebungskarte abgeglichen, welche  die Software aus vorhandenen CAD-Daten erzeugt. Optional kann sich das mobile System die Umgebungskarte eigenständig mit dem sogenannten SLAM-Algorithmus (Simultaneous Localisation and Mapping) inkrementell erzeugen.

Basierend auf der vorhandenen bzw. erstellten Umgebungskarte berechnet die Navigationssoftware auf dem FTF zunächst die optimale Bahn zum vorgegebenen Ziel. Einmal losgefahren, muss das FTF aber seine Bahn ständig überprüfen und bei Bedarf ändern. Hier kommen verschiedene Bahnplanungsverfahren zum Einsatz, welche die Bahn basierend auf lokalen Sensorinformationen stetig anpassen und gegebenenfalls Ausweichmanöver berechnen.

Dabei gilt: Mit je mehr Sensoren die einzelnen FTF ausgestattet und je ausgefeilter die Navigationsalgorithmen sind, desto verlässlicher können sie auf dynamische Einflüsse in der Umgebung reagieren. Allerdings steigen damit auch die Kosten für die eingesetzten Sensoren und für die nötige Rechenleistung. Ziel der Wissenschaftler am Fraunhofer IPA ist es deshalb, sowohl die Kosten für freie Navigation zu senken und zugleich die Navigation technologisch auf ein höheres Level zu bringen. Dies macht eine cloudbasierte Lösung möglich. Sie bietet nicht nur nahezu unbegrenzte Rechenkapazität und in Bezug auf die eingesetzte Hardware „schlanke“ FTF, sondern durch die Bündelung aller Sensordaten auch eine vorausschauende und folglich noch effizientere Bahnplanung. Nicht zuletzt lässt sich eine vereinfachte Inbetriebnahme und Instandhaltung einer FTF-Flotte realisieren.

 

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