Studienleiter Harald Müller: „Schon in wenigen Jahren wird der Einsatz Künstlicher Intelligenz im Büroalltag und in der Produktion zur Selbstverständlichkeit werden. Darauf müssen sich die Wirtschaft, die Sozialpartner und die Politik vorbereiten.“ (Quelle: BWA)
Angesichts des aktuellen KI-Booms scheint diese Einschätzung wenig überraschend, dennoch lässt ein weiteres Ergebnis aufhorchen: Humanoide Roboter mit „KI im Kopf“ sollen sich innerhalb der nächsten 15 Jahre im großen Stil im Arbeitsalltag breit machen, heißt es in dem BWA/DC-Report „Auswirkungen von KI+Robotik auf die Arbeitswelt“.
„Die KI-Durchdringung nicht nur in den Computersystemen, sondern weit darüber hinaus in der realen Welt, wird viel schneller erfolgen als gemeinhin angenommen“, erklärt Studienleiter Harald Müller, Geschäftsführer der BWA und Co-Chair des „Real-World AI Forum“ im Diplomatic Council. Für die Studie wurden 150 Führungskräfte aus großen und mittelständischen Unternehmen (Arbeitgeber) sowie Gewerkschaftsfunktionäre als Vertreter der Arbeitnehmerseite systematisch nach ihrer Einschätzung zur KI- und Robotik-Entwicklung in Deutschland befragt.
KI im Büro spätestens ab 2027, in der Produktion ab 2030
Demnach sind über zwei Drittel (69 %) der Befragten sicher, dass KI spätestens 2027 mehr oder minder zum Büroalltag gehören wird, vergleichbar der Office-Software von Microsoft. Der Einzug in Fertigungshallen soll etwas länger dauern. Laut Studie ist ein gutes Drittel (35 %) davon überzeugt, das KI in der Produktion ab 2030 eine maßgebliche Rolle spielen wird. Über die Hälfte (55 %) tippen darauf, dass es erst 2040 soweit sein wird.
„Eine überraschend hohe Bedeutung messen Arbeitgeber wie Arbeitnehmer KI-Robotern zu“, zitiert Harald Müller aus der Studie. Beinahe ein Fünftel (18 %) der Befragten kann sich vorstellen, dass Humanoide – also Roboter, die im Aufbau uns Menschen ähnlich sehen und mit KI-Steuerung vergleichbare Tätigkeiten wie Menschen verrichten können – bereits 2030 aktiv sein werden. Weitere 15 % sehen den Einsatz der KI-Roboter bis dahin zumindest auf Teilgebieten voraus. Zehn Jahre später, 2040, werden die Humanoiden auf breiter Front im Alltag präsent sein, prognostizieren 40 % der Befragten. 46 % bleiben allerdings auch langfristig skeptisch; sie glauben nicht an den Aufmarsch der KI-Roboter vor dem Jahr 2050.
Der Studienleiter ordnet die Umfrageergebnisse ein: „Die entscheidende Frage ist, ob man KI-Roboter als Sprunginnovation einstuft, vergleichbar mit dem Internet oder dem Smartphone. 20 bis 35 % der Befragten gehen offenbar genau davon aus. Aber 40 bis 50 Prozent sind skeptisch und folgen der Devise ‚Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird‘.“
KI-Roboter und ihre Auswirkungen auf Arbeitsplätze
Der BWA-Geschäftsführer geht selbst allerdings davon aus, „dass diese Entwicklung noch viel heißer wird, als wir es heute absehen“ und rät Unternehmen und Gewerkschaften gleichermaßen, sich darauf einzustellen. Denn falls die Humanoiden künftig unseren Alltag tatsächlich so dominieren werden wie Smartphone und Internet, dann könnten sie rund die Hälfte aller Arbeitsplätze ersetzen, meinen über drei Viertel (77 %) der befragten Führungskräfte aus der Wirtschaft und Gewerkschaftsfunktionäre. 58 % sind fest davon überzeugt, dass in Zukunft beinahe ein Drittel aller Jobs von den „intelligenten Maschinen mit Armen und Beinen“ wegrationalisiert werden.
Als Gewinner der „KI-Roboter-Revolution“ macht die Studie die Arbeitgeberseite aus – davon sind zumindest 64 % der Befragten fest überzeugt. „Die Produktivitäts- und Kostenvorteile versprechen sprudelnde Gewinne“, sagt Harald Müller, „die die Unternehmen hierzulande angesichts der wirtschaftlichen Flaute und des steigenden internationalen Wettbewerbsdrucks allerdings auch dringend nötig haben.“ 45 % der Befragten sehen aber auch Vorteile für die Arbeitnehmerseite – etwa, weil die „Blechkameraden mit Computerhirn“ eintönige oder schwere Arbeiten übernehmen können. Nimmt man die Firmengröße als Maßstab, wird vor allem die Konzernwelt von den KI-gesteuerten Robotern profitieren, meinen 79 % der Befragten. Immerhin 46 % sehen in dieser Entwicklung auch große Potenziale für die mittelständische Wirtschaft. „Viele Mittelständler werden sich erstmals einen Roboter in der Fertigung leisten können“, verdeutlicht Studienleiter Harald Müller. Der Grund: Während Industrieroboter „alter Schule“ aufwändig für eine bestimmte Aufgabe programmiert werden müssen, soll die künftige Generation der Humanoiden dank maschinellem Lernen und universeller Form und Funktionalität (Menschen-ähnlich!) nach kurzer Anlernphase sehr viele verschiedene Tätigkeiten übernehmen können.
Die Kostenstruktur soll die humanoiden Helfer künftig für den Mittelstand erschwinglich machen, heißt es in der Studie. Zu Anfang wird ein solcher Roboter etwa so viel kosten wie ein Kleinwagen, schätzen zwei Drittel der befragten Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter. Durch Mietkauf und Leasing fällt er damit in den bei Firmenfahrzeugen üblichen Finanzierungsrahmen, meinen 48 %. Zudem werden KI-Roboter zügig im Preis fallen, sagen 58 Prozent der Befragten voraus. Beinahe ebenso viele (56 Prozent) gehen von Produktverbesserungen im Jahresrhythmus aus. Studienleiter Harald Müller erklärt: „Über die Hälfte der Befragten sieht bei den KI-Robotern offenbar eine ähnliche Entwicklung wie bei Smartphones voraus: Jedes Jahr werden die Geräte etwas besser. Aber bei der Frage, ob Humanoide innerhalb der ersten 15 Jahren ihrer Existenz genauso populär wie das vor 18 Jahren erfundene Smartphone werden, herrscht Uneinigkeit und häufig auch schlichtweg Ungläubigkeit. Ähnlich wie sich kaum jemand ein Smartphone vor sagen wir 20 Jahren vorstellen konnte, ist heute die Vorstellung, dass tatsächlich Roboter unterwegs sind, wie man sie bislang nur aus Science-Fiction-Filmen kennt, schwer zu begreifen.“ Immerhin: Ein knappes Drittel (30 %) der von der Bonner Wirtschafts-Akademie und der Denkfabrik Diplomatic Council befragten Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter ist überzeugt, dass KI-Roboter künftig „so selbstverständlich wie Smartphones“ werden.