Die Von-Fall-zu-Fall-Entscheidung

Vuforia im Einsatz bei Volvo

Vuforia im Einsatz bei Volvo (Quelle: PTC)

Warum auf diese Art? Die wenigsten Industrieunternehmen im deutschsprachigen Raum arbeiten aktuell schon in volldigitalisierten Fabriken und mit durchgängig vernetzten Prozessen, wie es etwa der Elektromobilitätspionier Next e.GO Mobile SE schon heute praktiziert. In ihren Produktionshallen in Aachen sind alle Prozesse bereits durchgängig erfasst bis hin zu digitalen Feedback-Loops. Hier steht der Qualitätsprüfer mit seinem Tablet vor einem frisch produzierten Modell, scannt die Seriennummer und lässt sich die genauen Konfigurationsvorgaben für die Prüfung anzeigen. Mängel oder wichtige Beobachtungen oder Hinweise werden mittels Foto und Markierungen an die Konstruktions- und Produktionsteams zurückgespielt und in der digitalen Fahrzeugakte vermerkt. Auch die Volvo Group setzt auf die erweiterte Realität für die Qualitätsprüfung und hat einen entsprechenden digitalen roten Faden gesponnen.

In vielen weiteren Industriebereichen gibt es dagegen über mehrere Dekaden hinweg gewachsene Technologieinfrastrukturen, die sich in schwer vernetzbaren Altsystemen, einer fehlenden Digitalarchitektur sowie einer fehlenden Organisation und oft auch noch in etlichen rechtlichen Hindernissen widerspiegeln. Hier scheint es eher unmöglich zu sein, selbst in wenigen Jahren eine solche Durchgängigkeit zu schaffen, bei der die Technologie automatisch eine Vielzahl an digitalen Anwendungen heraussprudeln lässt, da die Szenarien oft einfach zu groß und zu komplex sind. Umso mehr gilt in diesen Fällen, die passenden Use Cases anhand kleinerer Szenarien zu entwickeln und in Pilotprojekten umzusetzen. In der Tat gibt es in vielen diesen Bereichen schon überschaubare Mehrwertszenarien, in denen organisatorisch hinzugelernt werden kann bei einem schrittweisen Aufbau von Digitalarchitekturen und Vernetzungsstrategien. Oftmals lohnt es sich dabei einfach schon, mit den diversen Abteilungen über ihre aktuellen Prozesse und Wünsche zu sprechen, um anschließend Digitalisierungsteilziele festzulegen und zu priorisieren.

Wenn beispielsweise Servicetechniker in einer industriellen Anlage erst eine halbe Anlagenrundreise auf dem Fahrrad drehen müssen, um die zum Reparaturticket ausgedruckten Unterlagen mit Problem- und Auftragsbeschreibung, das Klemmbrett mit der Reparaturcheckliste sowie das dicke Benutzerhandbuch samt Wartungshistorie für eine bestimmte Pumpe zu besorgen, bei der eine Unregelmäßigkeit festgestellt wurde, schreit dieser Vorgang allein schon nach mehr Effizienz in digitaler Form. Im „Idealfall“ bedarf es sogar noch einer Zusatzrunde, sollte etwa ein bestimmtes Bauteil ausgetauscht werden; in jedem Fall aber einer Schlussrunde im Büro, um die Auswertung fein säuberlich in einen Rechner einzutippen. Eigentlich Wahnsinn, aber leider Alltag.

In einem aktuellen Beispiel sieht das heute anders aus: Der Servicetechniker sammelt bereits vor der Fahrt mit seinem Tablet alle Informationen gebündelt über eine One-Stop-Shop-App ein und weiß bereits vor dem ersten Tritt in die Pedale, dass er noch bestimmte Ersatzteile oder weiteres Material mitnehmen sollte, da die ausgelesenen und analysierten Pumpendaten darauf hinweisen. Anschließend fährt er zu besagter Pumpe, scannt diese mit seinem Tablet und legt los. Alle getätigten Schritte und das Reparaturergebnis werden automatisch erfasst und in den entsprechenden Quellsystemen abgelegt, sodass sofort der nächste Auftrag angegangen werden kann.

 

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