„Es gibt viele Herausforderungen für unser Unternehmen. Die beiden größten Themen aber sind Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beide wirken als Katalysator für Innovation“, sagt Dr. Peter Selders, seit Anfang 2024 neuer Chief Executive Officer der Endress+Hauser-Gruppe. (Quelle: Endress+Hauser)
Dr. P. Selders ist kein Neuling bei Endress+Hauser. Er startete 2004 als Entwickler für keramische Drucksensoren. Im Lauf seiner 20-jährigen Zugehörigkeit hatte er dann verschiedene Positionen in Produktion und Entwicklung innerhalb der Firmengruppe inne. Zuletzt leitete er das Kompetenzzentrum für Füllstands- und Druckmesstechnik. Seine berufliche Laufbahn startete er in der Halbleiterindustrie. „Diese Technologie fasziniert mich bis heute. Allerdings ist die Halbleiterindustrie massiven zyklischen Schwankungen unterlegen. Da ich für ein börsennotiertes Unternehmen arbeitete, hatte jede Veränderung im wirtschaftlichen Umfeld Auswirkungen: Wenn es nicht gut lief, wurden Projekte gestoppt und Kolleginnen und Kollegen mussten gehen“, erinnert sich Dr. P. Selders und bilanziert: „Unter diesen Umständen ist es unmöglich, langfristige Ziele zu verfolgen.“ Die Suche nach einer stabilen Perspektive hat ihn dann zu Endress+Hauser geführt. „Hier begegnet man einander offen und auf Augenhöhe. Wir schenken den Menschen Vertrauen, übertragen ihnen Verantwortung und lassen ihnen Freiheit, Dinge zu gestalten“, erklärt er.
Dr. P. Selders hat die Unternehmensgruppe mit rund 16 000 Mitarbeitern in herausfordernden Zeiten, aber mit zuletzt einem Rekordumsatz von netto 3,72 Mrd. € im Jahr 2023 übernommen. Das ist ein Plus von 11 % zum Vorjahr und nicht zuletzt auch dem erfolgreichen Agieren von M. Altendorf zu verdanken. „Endress+Hauser hat sich 2023 hervorragend entwickelt. Matthias Altendorf hat mir ein Unternehmen übergeben, das in einer ausgezeichneten Verfassung ist. Es besteht kein Grund, den eingeschlagenen Weg zu verlassen“, sagt Dr. P. Selders und lenkt dann ein: „Natürlich ist das nur die halbe Wahrheit: Die Welt, unsere Kunden und unsere Branchen verändern sich. Somit müssen wir uns auch kontinuierlich weiterentwickeln, um erfolgreich zu bleiben. Ein Unternehmen wie das unsere darf nie stehen bleiben, denn jeder noch so kurze Stillstand könnte ein Zurückfallen bedeuten.“ Aus seiner Sicht können Menschen mit kontinuierlicher Optimierung besser umgehen als mit großen abrupten Veränderungen. „Deshalb müssen und werden wir das Unternehmen ständig weiterentwickeln. Die Dinge in die richtige Richtung lenken – wie bislang auch schon: Schritt für Schritt. Das ist meine Verantwortung als CEO in den nächsten Jahren und darauf freue ich mich.“
Im Weiteren verwies der neue CEO auf die letzten zehn bis 15 Jahre, in denen es viele Krisen und Umbrüche gegeben hat. „Die Finanzkrise, Handelskonflikte, die Corona-Pandemie, der Angriff auf die Ukraine, die Energiekrise und jetzt die Eskalation des Nahost-Konflikts“, wird er konkret. Da weitere Unwägbarkeiten und Herausforderungen vorprogrammiert sind, meint er: „Wir müssen als Organisation lernen, mit der Unvorhersehbarkeit und Unsicherheit umzugehen und uns schnell an neue Bedingungen anzupassen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um etwas zu tun – wir können aus einer Position der Stärke heraus an diesen Themen arbeiten, sie selbst gestalten, ehe wir zum Handeln gezwungen werden.“
Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Fokus
Als die beiden aus seiner Sicht größten Herausforderungen nennt er Nachhaltigkeit und Digitalisierung. „Beide Begriffe beschreiben langfristige Entwicklungen, die wichtig für uns, unsere Kunden und für die Gesellschaft sind. Beide unterliegen keinen Zyklen und werden zukünftig immer weiter an Bedeutung gewinnen. Und beide wirken als Katalysator für Innovationen“, erklärt Dr. P. Selders. Er stellt heraus, dass Digitalisierung kein Selbstzweck sei und für sich allein keinen Nutzen bringe. „Aber Digitalisierung ist ein Wegbereiter. Sie ermöglicht uns, innovative Antworten zu finden auf Herausforderungen, wie den demografischen Wandel, die Folgen des Fachkräftemangels oder das Ziel der Nachhaltigkeit. Deshalb wollen wir die Möglichkeit der Digitalisierung ausschöpfen – in unseren Produkten, Lösungen und Dienstleistungen. Das gilt auch in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden und natürlich auch in unseren internen Prozessen.“ Dabei stehe Digitalisierung für das Nutzen aller verfügbaren neuen Technologien, die sich weiterhin dynamisch entwickeln werden. Als Beispiel nennt er KI mit Blick auf ChatGPT oder Microsoft Copilot. „Diese Entwicklung in der Digitalisierung werden wir auch nutzen, um kontinuierlich an der Spitze des technologischen Fortschritts zu bleiben.“
Im Unterschied zur Digitalisierung gibt er Nachhaltigkeit als ein Thema an, das an sich schon Mehrwert schaffe. Denn: „Nur mit Klima- und Umweltschutz wird auch in Zukunft lebenswertes Leben auf dieser Erde möglich sein. Nachhaltigkeit ist deshalb kein Ideal, sondern eine Notwendigkeit“, sagt er. Dabei greifen aus seiner Sicht verschiedene Handlungsstränge ineinander. So gehe es darum, den CO2-Ausstoß zu reduzieren und die Biodiversität zu erhalten. „Das gelingt uns, indem wir weniger Energie verbrauchen und diese Energie nachhaltiger erzeugen und indem wir weniger Ressourcen verbrauchen sowie diese Ressourcen klüger nutzen“, sagt er. Dafür seien auch mehr lokale Wertschöpfung und der Umbau zu einer Kreislaufwirtschaft erforderlich. Aus diesem Grund gehören für ihn die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung zusammen. Dabei würde sich Nachhaltigkeit nicht allein über Idealismus und Verzicht erreichen lassen. Deshalb meint er: „Es muss uns gelingen, Nachhaltigkeit mit wirtschaftlichem Fortschritt zu kombinieren. Wir brauchen Nachhaltigkeit zu wettbewerbsfähigen Preisen. Und weil Digitalisierung der Schlüssel zu mehr Effizienz ist, wird es ohne Digitalisierung keine Nachhaltigkeit geben.“
Im Weiteren verweist er darauf, dass ein Unternehmen nur dann als glaubwürdiger Partner für das Thema Nachhaltigkeit wahrgenommen wird, wenn es selbst nachhaltiger wird. „Und das tun wir“, bekräftigt Dr. P. Selders. Inzwischen habe man eine recht genaue Vorstellung vom CO2-Fußabdruck des eigenen Unternehmens. „Alles in unserem eigenen Einflussbereich, also Emissionen durch unseren Energiekonsum oder die bezogene Energie – sprich Scope 1 und 2 –, können wir über kurz oder lang klimaneutral gestalten. Dies gelingt uns unter anderem durch den Einkauf von Energie aus regenerativen Quellen, die Elektrifizierung unserer Fahrzeugflotte, durch Effizienzmaßnahmen in unseren Betrieben sowie Gebäuden und vieles mehr.“ Mit Blick auf Scope 3 gibt er an, dass mehr als 96 % des CO2-Fußabdrucks bei Endress+Hauser in den vor- und nachgelagerten Lieferketten entsteht. Hier zählen beispielsweise der Einkauf von Stahl und Aluminium oder die Nutzung der eigenen Produkte bei den Kunden. „Dies wird ein längerer Weg für uns“, erklärt er. „Wir untersuchen zum Beispiel, ob wir die Lebensdauer unserer Geräte, die ohnehin sehr langlebig sind, weiter verlängern können.“ Eine Möglichkeit wäre dabei der Austausch der Elektronik in den Geräten, da diese häufig nach 15 oder 20 Jahren veraltet ist. Weitere Überlegungen gehen dahin, den Materialbedarf konstruktiv zu verringern oder die eigenen Produkte in eine Kreislaufwirtschaft einzubinden. Auf lange Sicht wird zudem der Einsatz von CO2-neutralem Stahl und Aluminium eine Lösung sein. „Die größte Wirkung haben wir als Endress+Hauser aber ohnehin in einem Bereich, der in Scope 1 bis 3 gar nicht erfasst ist: Unsere Mess- und Analysetechnik bietet einen großen Hebel, industrielle Prozesse nachhaltiger zu gestalten, Ressourcen zu schonen, weniger Energie zu verbrauchen und die Umwelt zu schonen. Sie ist auch der Schlüssel, um auf neue umweltfreundlichere Verfahren umzustellen – egal ob es um Erzeugung, Transport und Einsatz von Wasserstoff geht oder um das Herausfiltern, Abscheiden, Nutzen und Lagern von CO2. Wir wollen der Partner sein für die nachhaltige Transformation der Prozessindustrie. Wir unterstützen unsere Kunden, ihre Scope-1- und -2-Emissionen nachhaltig zu verringern“, so Dr. P. Selders.