
Eine künstliche Intelligenz berechnet auf Basis von Sensordaten, ob und wann ein Hochwasser droht. Verantwortliche erhalten durch das Netilion Flood Monitoring von Endress+Hauser immer einen aktuellen Überblick über das lokale Risiko (Quelle: Endress+Hauser)
Hochwasser entstehen infolge langanhaltender und großräumiger Niederschläge, kurzem und lokal begrenztem Starkregen oder durch Schneeschmelze im Winter oder Frühjahr. Besonders betroffen sind dabei gebirgige Regionen, aber auch Landschaften, die von Tälern oder Schluchten geprägt sind. Gerade kleinere Gewässer und Bachläufe, die oftmals nicht oder nur geringfügig überwacht werden, entwickeln sich dann schnell von kleinen Rinnsalen zu reißenden Strömen.
Bei Niederschlägen versickert ein Teil des Wassers im Boden und trägt zur Grundwasserneubildung bei. Ein weiterer Teil wird im Boden zwischengespeichert oder verdunstet. Der Rest fließt über die Bodenoberfläche in die Gewässer. Wie viel Wasser tatsächlich abfließt, hängt von den Eigenschaften des Bodens, dem Versiegelungsgrad und somit der Wasserdurchlässigkeit sowie der Topografie der Landschaft ab. All diese Punkte begünstigen im schlechtesten Fall einen schnellen Oberflächenabfluss, der so zu einer Überschwemmung führen kann. Oftmals zählen hier Minuten, um rechtzeitig Schutzmaßnahmen einleiten zu können.
Frühwarnsystem bietet Schutz
Eine Hilfe leistet das Frühwarnsystem Netilion Flood Monitoring, das mit Sensormessungen und künstlicher Intelligenz (KI) die Hochwassergefahr prognostiziert und frühzeitige Maßnahmen ermöglicht. Entwickelt wurde es gemeinsam vom Messtechnikspezialisten Endress+Hauser und Okeanos Smart Data Solutions, einem Start-up mit Wurzeln an der Ruhr-Universität Bochum.
Ziel des Frühwarnsystems ist es, die Entscheidungsträger von Behörden, Kommunen und Rettungskräften im Falle eines drohenden Hochwassers mit genügend Vorlauf zu informieren. „Wir möchten mit unserer Lösung dafür sorgen, dass die Anwender das Überschwemmungsrisiko für ihr Gebiet genau einschätzen und zielgerichtet die nötigen Entscheidungen treffen können“, sagt Florian Falger, der zuständige Market Manager beim Messtechnikhersteller Endress+Hauser. Ob Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Feuerwehrleute, das Technische Hilfswerk (THW) oder Mitarbeitende von Bauhöfen oder Ingenieurbüros: Sie alle werden online per Smartphone oder Computer minutengenau darüber informiert, wie sich Gewässer in ihrem Gebiet entwickeln und ob kritische Werte erreicht sind.
Grundlage hierfür sind lokale Messwerte, die direkt an den Bachläufen und deren Umgebung gesammelt werden. Um ein Gebiet so gut wie möglich zu verstehen, werden Pegelmessgeräte, Starkregensensoren und Bodenfeuchtsensoren installiert. Die verschiedenen Sensoren senden ihre Messwerte in die Cloudplattform Netilion von Endress+Hauser. Dort verrechnet eine künstliche Intelligenz sie miteinander. Auf Basis der Werte sowie weiterer Daten, wie der Wetterprognose und der Beschaffenheit des Geländes, kann die KI vorhersagen, ob und wann ein Hochwasser droht und an welchen Stellen die Ursachen dafür liegen. An die Anwender wird diese Vorhersage als eindeutige Information ausgespielt. Das heißt, sie müssen die Messdaten nicht selbst interpretieren.
Dabei gilt: Je länger das System im Einsatz ist und je mehr Daten zusammengetragen werden, desto tiefer sind die Erkenntnisse, die sich daraus ableiten lassen. „Der große Vorteil einer künstlichen Intelligenz liegt darin, dass sie sich selbstständig optimiert. Der Algorithmus lernt mit der Zeit dazu und versteht ein Gebiet somit immer genauer“, sagt Okeanos-Gründer Benjamin Mewes. „Die Digitalisierung ermöglicht also nicht nur schnellere Entscheidungen, sondern auch langfristige Verbesserungen der Hochwasserschutzkonzepte.“ Beispielsweise können kritische Stellen durch das gewonnene Wissen über die Gebietsreaktion gezielter gesichert werden.