Industrie 1.0 bis 3.0 als Vorläufer

Abbild I40

Bild 2: I40 (Quelle: ABB)

Die Erfindung des automatischen Webstuhls 1784 und die Kombination mit Dampf- oder Wasserkraft war die erste Stufe der Mechanisierung und Automatisierung menschlicher Arbeit, mit damals kaum vorstellbaren Konsequenzen und einer Verhundertfachung der Produktivität bei der Stoffherstellung.

Die zweite industrielle Revolution beginnt 1870 mit der Arbeitsteilung in den Schlachthäusern Cinncinnatis und wird mit der legendären Fließbandfertigung bei Ford in den USA perfektioniert. Die Produktivität bei Ford explodierte, der Tageslohn wurde auf 5 Dollar verdoppelt und der Preis des legendären Ford-­Modells T wurde von ca. 870 Dollar auf ca. 270 Dollar reduziert. Mit rechnerisch rund drei Monatslöhnen konnte ein Arbeiter ein solches Fahrzeug finanzieren – wiederum ein großer Schritt in Richtung Automatisierung mit dramatischen Folgen für Produktivität und Arbeitsumgebung der Menschen.

Die dritte industrielle Revolution brach schließlich im Jahr 1969 an, als die ­erste digitale und frei programmierbare Steuerung die bis dahin vorherrschende Festverdrahtung analoger und binärer Logik und Steuerprogramme abzulösen begann. Sie ist das Fundament der gesamten heutigen Automatisierungspyramide und moderner Prozessleitsysteme. Die weitreichenden Konsequenzen dieser Entwicklung sehen wir heute in hoch automatisierter Industrieproduktion.  

Technische Treiber hinter Industrie 4.0

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass erstmalig eine industrielle Revolution ausgerufen wird, noch bevor sie stattgefunden hat. Welche Besonderheiten initiieren Industrie 4.0 gerade jetzt? Mit folgenden Hypothesen sollen die Triebkräfte hinter Industrie 4.0 verdeutlicht werden.

Hypothese 1: Kommunikationsinfrastruktur in Produktionssystemen wird in absehbarer Zeit so preiswert sein, dass sie künftig überall Einzug halten wird, weil sie so überaus sinnvoll und nützlich für vielfältige Zwecke einsetzbar ist: für Engi­neering, Konfiguration, Service, Diagnose, Bedienung und Wartung von Geräten, Maschinen und Anlagen. Sie wird immer selbstverständlicher in allen Bereichen der Produktion und Industrie vorhanden sein. Dieser Trend ist unaufhaltsam und wird von niemandem forciert – es passiert einfach.

Hypothese 2: Geräte, Maschinen, An­lagen und Fabriken werden mehr und mehr über diese Kommunikationsinfrastruktur mit einem Netz verbunden (dem Internet oder einem privaten Fabriknetz oder Firmenverbundnetz). Die physischen Objekte veröffentlichen im Netz Daten über sich selbst. (Das Netz meint hier nicht notwendig das Internet. Es kann ebenso ein geschlossenes Unternehmens- oder Produktionsnetz sein.) Die physischen Objekte erhalten eine zweite Identität als Datenobjekte im Netz. Sie werden im Netz suchbar, erkundbar und analysierbar, geben Auskunft über ihre Funktion und ihre Bedürfnisse. Dies führt zu einer Explosion verfügbarer Objekte und Einzeldaten.

Hypothese 3: Geräte, Maschinen, An­lagen und Fabriken speichern Wissen über sich selbst außerhalb ihres „Körpers“ in ihrer virtuellen Präsenz im Netz. Sie kennen und veröffentlichen ihren eigenen Zustand, ihre Historie, aber auch Dokumente, 3D-Modelle oder Anforderungen im Netz. Diese Informationen sind aktuell, updatefähig und zunehmend vollständig. Dazu gehören auch Funktionen, Verhandlungsfähigkeiten oder Erkundungsfunktionen. Dies macht Geräte gewissermaßen „selbstbewusst“. Die Datenobjekte im Netz ergänzen das zugehörige physische Gerät und bilden dort eine zweite Identität. Viele solche Datenobjekte im Netz werden gemeinsam zu einem Wissensschatz.

Hypothese 4: Software-Dienste werden im weiteren Verlauf die verfügbaren Daten miteinander verknüpfen und eine Wertschöpfung betreiben, die bisher nicht oder nur unwirtschaftlich möglich oder vorstellbar war.


Anhand dieser Hypothesen wird die Idee hinter Industrie 4.0 spürbar. Aber sie sind noch nicht Industrie 4.0 selbst.

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