Im Freiburger Innovations-Hub arbeiten verschiedene Endress+Hauser-Teams an der Messtechnik der Zukunft.

Im Freiburger Innovations-Hub arbeiten verschiedene Endress+Hauser-Teams an der Messtechnik der Zukunft. (Quelle: Endress+Hauser)

Auch für die Prozessindustrie ist Innovation ein elementarer Erfolgsfaktor. Dabei liegt der Fokus darauf, die Effizienz zu steigern und Abläufe zu optimieren. Die intelligente Erhebung und Analyse von Daten ist in diesem Zusammenhang ein Kernelement. Deshalb spielen smarte Sensoren, Konnektivität und digitale Tools eine immer wichtigere Rolle. Um Kunden mit passenden Lösungen zu unterstützen, hat Endress+Hauser eine zukunftsgerichtete Innovationsstrategie implementiert.

Die Unternehmensgruppe erzielte 2023 mit rund 17 000 Beschäftigten mehr als 3,7 Mrd. € Umsatz. Hans-Jürgen Huber, Managing Director Industrial Internet of Things bei Endress+Hauser Digital Solutions, stellt heraus: „Wir haben 2023 über 267 Mio. € für Forschung und Entwicklung aufgewendet – das sind gut 7 % des Umsatzes und gut 10 % mehr als im Vorjahr.“ Insgesamt sind über 1300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter damit beschäftigt, neue Produkte, Lösungen und Dienstleistungen zu entwickeln. Auch die Verbesserung interner Prozesse in Produktion, Logistik, IT und Verwaltung steht im Fokus, um erfolgreich am Markt agieren zu können. Doch wie genau wird Innovation eigentlich realisiert?

Offene Innovationskonzepte

Zunächst ist es wichtig, die verschiedenen Innovationsmodelle zu betrachten und Schwerpunkte zu setzen. Während erhaltende und inkrementelle Innovationen darauf abzielen, basierend auf Kundenfeedbacks Produkte zu verbessern und beispielsweise die Effizienz zu erhöhen, lösen disruptive oder radikale Innovationen bestehende Produkte ab oder eröffnen neue Märkte. Endress+Hauser legt den Fokus mit ca. 80 % auf die erhaltende, nachhaltige Weiterentwicklung seines Portfolios. „Dafür haben wir intern einen genau definierten Prozess und arbeiten sehr eng am Markt und mit unseren Kunden zusammen“, sagt H.-J. Huber. Im Ergebnis meldete das Unternehmen im letzten Jahr 257 Erfindungen erstmals zum Patent an und 723 Patente wurden weltweit neu erteilt. Damit umfasst das derzeitige Schutzrechteportfolio 8 900 Patente und Patentanmeldungen. Beteiligt waren da ran über 400 Mitarbeiter, die beim Innovatorentreffen 2024 geehrt wurden. „Fest steht: Ohne kompetente und engagierte Menschen ist all dies nicht zu realisieren, weshalb Wertschätzung bei Endress+Hauser eine wichtige Rolle spielt.“

Gleichzeitig verfolgt das Unternehmen verschiedene Initiativen, um über offene Innovationskonzepte neue Impulse einzuholen. Dazu zählen Start-ups, Joint Ventures, strategische Partnerschaften sowie die Kooperation mit Hochschulen und Institutionen. Gebündelt werden diese Initiativen im Freiburger Innovationszentrum (Friz). Dem Thema Digitalisierung widmet sich aufgrund seiner großen Bedeutung die gruppenweite Innovationsplattform Netilion, die Produkte, Lösungen und Dienstleistungen in den Blick nimmt.

Innovations-Cluster schafft optimale Forschungsbedingungen

Das Freiburger Innovationszentrum Friz wurde 2022 nach zwei Jahren Bauzeit fertiggestellt. Es befindet sich auf dem Gelände der Technischen Fakultät der Universität Freiburg und bietet insgesamt mehr als 12 000 m2 Platz. Endress+Hauser nutzt mit seinem Innovations-Cluster dort 3 400 m2 Büroflächen, chemische und biologische Labors sowie Reinräume. Im Friz bündelt das Unternehmen sechs Einheiten, die ein weites Spektrum an Technologien und Disziplinen abbilden und seit 2022 bereits 35 Erfindungen zum Patent angemeldet haben.

Endress+Hauser Level+Pressure hat gemeinsam mit Endress+Hauser Digital Solutions beispielsweise ein neues Hochwasserwarnsystem entwickelt, das in Lenzkirch und Grenzach-Wyhlen zum Einsatz kommt. Wasserstandssensoren erfassen dabei kontinuierlich Daten zum aktuellen Pegel der überwachten Gewässer und melden die Überschreitung von vordefinierten Grenzwerten, sodass frühzeitig vor Hochwasser gewarnt werden kann. Ein weiteres Team forscht an der Sensor- und Messtechnik der Zukunft, die unter anderem dazu in der Lage sein soll, den menschlichen Geruchs- oder Geschmackssinn zu imitieren, beispielsweise zur Qualitätskontrolle in der Lebensmittelindustrie.

Jobst Technologies, ein Teil der Schweizer Tochterfirma Innovative Sensor Technology IST, widmet sich im Friz der Entwicklung, der Produktion und dem Vertrieb von Biosensoren. Schnelle molekulare Vor-Ort-Analysen stehen im Fokus von Endress+Hauser BioSense, einem Joint Venture mit der Hahn-Schickard-Gesellschaft. Sie sollen die Möglichkeit schaffen, bakterielle oder virale Kontaminationen in Wasser und Getränken, genetische Veränderungen in Lebensmitteln oder Verunreinigungen von Milch sofort zu erkennen.

„Innovation braucht den offenen Austausch. Im Friz sind wir nahe an der Forschung und haben gleichzeitig verschiedene Disziplinen am Start – damit sind ideale Voraussetzungen geschaffen“, sagt H.-J. Huber. Um die neuen Entwicklungen im Wettbewerb zu schützen, ist auch die Schutzrechteabteilung von Endress+Hauser mit einigen Mitarbeitern vor Ort.

Weitere übergreifende Zusammenarbeit

Neben dem Innovations-Cluster hat das Unternehmen mit Netilion eine gruppenweite IIoT-Plattform geschaffen, die vom Team Digital Solutions im Friz unterstützt wird. Kernthema ist die Digitalisierung des Produktportfolios, denn sie ist bei Kunden von Endress+Hauser einer der Haupttreiber für Effizienzsteigerungen. Teams aus verschiedenen Organisationseinheiten arbeiten zusammen, um ein cloudbasiertes Ökosystem für das industrielle Internet der Dinge zu realisieren.

Grundlegend für Systeme wie Netilion sind Initiativen wie die Open Industry 4.0 Alliance. Sie zielen darauf ab, die Interoperabilität von Geräten verschiedener Hersteller sicherzustellen und Daten sowie Dienstleistungen in andere IT-Ökosysteme zu integrieren. Somit ist es möglich, über Netilion Services alle Arten von Daten aus dem Feld zu erfassen und zu nutzen, unabhängig vom Gerätetyp oder Hersteller des jeweiligen Assets. Die gesammelten Daten dienen Messtechnikexperten und Datenwissenschaftlern als Basis, um digitale Lösungen für konkrete Anwendungsfälle zu entwickeln. Übermitteln Messgeräte mit Heartbeat Technology Daten über ihren Zustand, lassen sich ungeplante Stillstände der Produktionsanlagen vermeiden, da vor dem Auftreten eines Schadens in Echtzeit ersichtlich ist, wann eingegriffen werden muss. „Damit kommen wir dem Wunsch unserer Kunden nach, eine Aussage zum Gerätezustand vor allem in kritischen Anwendungen mit Korrosion oder Ablagerungen treffen zu können und vorausschauende Wartung zu ermöglichen“, sagt H.-J. Huber.

1 / 2

Ähnliche Beiträge