Zeitliche Umsetzung

Bleibt die Frage nach der zeitlichen Umsetzung von modularen Anlagen: „ZVEI und Namur sind eng an diesem Thema dran“, weiß Dr. J. Oprzynski. Der entsprechende ZVEI-Arbeitskreis bestätigt: Modulare Automatisierung ist möglich. „Ein Whitepaper aus Lieferantensicht wird im Februar 2015 veröffentlicht.“ Es liegen bereits erste Konzepte für die Weiterentwicklung der Automatisierung vor. „Wir hoffen, dass der ZVEI-Arbeitskreis zusammen mit der Namur in 2015 die Konzepte für die modulare Automatisierung weiter vorantreiben werden“, schließt der Siemens-Mann an. Dr. S. Lohmann ist ebenfalls überzeugt, dass die Anforderungen in Form von Meilensteinen definiert und Schritt für Schritt umgesetzt werden. Ebenso bestätigt Dr. T. Albers, dass derzeit Konzepte aufgebaut und in Kürze auch deren Umsetzung in der Praxis gezeigt werden.

Wie dann die herstellerunabhängige und herstellerübergreifende Umsetzung der Beschreibung der Module aussieht, muss noch erarbeitet werden. Diskutiert wird laut Dr. J. Oprzynski über OPC UA und andere Schnittstellen sowie Datenmodelle. Allerdings müsse nicht nur die Modularisierung, sondern auch das Engineering von Anlagen optimiert werden: „Konzepte zur einheitlichen Beschreibung der einzelnen Module, inklusive Engineering und HMI, müssen im nächsten Schritt standardisiert und umgesetzt werden“, unterstreicht Dr. J. Oprzynski.

In Bezug auf Feinchemie und Pharma kann sich A. Haller vorstellen, dass in zehn Jahren bis zu einem Viertel aller Anlagen modularisiert sein wird: „Ein wichtiger Grund ist, dass Modularisierung dabei hilft, Anlagen auch bei kurzlebigen Produkten in Betrieb zu halten, denn die Umrüstung auf ein neues Produkt ist schnell möglich.“ Prof. L. Urbas verweist in diesem Zusammenhang auf den hohen Wettbewerbsdruck in der Chemieindustrie, die Kosten zu optimieren. Er sieht erste Anwendungen zunächst im Neuanlagengeschäft: „Gerade bei einem hohen Investitionsrisiko spielt die Modularisierung ihre Trümpfe aus.“ Dr. J. Oprzynski bestätigt: „Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit sind die Treiber für das Konzept der Modularität.“ Dr. S. Lohmann ist überzeugt, dass „modulare Anlagen das Investitionsrisiko senken.“ Als Beispiel nennt er den Markt personenbezogener Medikamente, die flexibel und individuell produziert werden müssen. „Weitere Felder und Märkte werden sich auftun. Es steckt sehr viel mehr Potenzial darin, als wir heute glauben.“

Plug-and-produce als Zukunftsoption?

„Plug-and-produce ist durchaus umsetzbar, aber der Zeithorizont kann nicht eindeutig festgelegt werden“, glaubt Dr. S. Lohmann. Laut A. Haller muss dafür eine modulare Verfahrenstechnik vorhanden sein. „Die technologischen Grundlagen sind vorhanden“, setzt er fort. „Die Automatisierer stehen in den Startlöchern, die Anlagenbauer müssen nun modulare Anlagen bauen.“

Dr. T. Albers sieht das kritischer: „Ein USB-Stick hat exakt nur eine Aufgabe zu erfüllen. Ein Modul ist sehr viel vielfältiger.“ Das Ziel sei ein erheblich vereinfachtes Integrationsengineering. Aber das wird nicht dazu führen, dass es kein Engineering mehr gibt. Daher werde es im eigentlichen Sinne auch kein echtes Plug-and-produce geben. Dem schließt sich J. Kalhoff an: „Wir haben zwar einen Bedarf an einfacher Funktionalität, die Form eines vollständigen Plug-and-produce ähnlich dem USB-Drucker am PC wird eher mittel- als kurzfristig machbar sein.“

Für Prof. L. Urbas ist das eine Definitionsfrage: „Im Prinzip haben wir Plug-and-produce bereits realisiert. Es handelt sich aber um Plug, Configure, Check and Produce. Und dabei ist das Engineering ein wichtiger Bestandteil. „Risiken müssen beherrschbar bleiben“, warnt er dabei. „Es muss immer festgestellt werden können, ob alles richtig gemacht wurde. Selbst wenn jedes Modul über alle Zertifikate verfügt, bleibt der Check extrem wichtig.“ Für Dr. J. Oprzynski ist Plug-and-produce ein Leitbild. Auf den Weg dahin sind noch einige Hürden, zum Beispiel in Bezug auf HMI und einheitliche Beschreibungssprache, zu nehmen.

Literatur

[1] ZVEI-White Paper „Modulbasierte Produktion in der Prozessindustrie – Auswirkungen auf die Automation im Umfeld von Industrie 4.0, www.zvei.org

Ronald Heinze
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