Schwächen schwächen und Stärken stärken
Dies ist ein bekanntes Motto aus dem Bereich der Persönlichkeitsentwicklung und des Selbstmanagements. Sich auf die Stärkung seiner positiven Eigenschaften und Fähigkeiten zu konzentrieren und gleichzeitig zu versuchen, seine Schwächen zu überwinden: Diese Strategie passt auch gut zur Digitalisierung von Unternehmensprozessen.
Bei der Umsetzung gemäß diesem Leitsatz werden im ersten Schritt die Unternehmensbereiche identifiziert und nach deren Einfluss auf den direkten Unternehmenserfolg kategorisiert (Bild 2).
Die Fachbereiche der Kategorie Kernkompetenz zeichnen das Unternehmen aus und sind meist fachlich komplex. Hier finden sich in der Regel analoge oder bereits digitale Prozesse, die den Wettbewerbsvorteil des Unternehmens darstellen.
In der Kategorie Unterstützung werden alle Fachbereiche erfasst, die zwar nicht den fachlichen Kern des Unternehmens bilden, aber für die Aufgaben der Kategorie Kernkompetenz notwendig sind. Die fachlichen Modelle dieser Bereiche können dabei durchaus unternehmensspezifische Anforderungen haben.
Die letzte Kategorie ist die Organisation. Hier finden sich die Fachbereiche, die keinen Wettbewerbsvorteil bieten und nicht unternehmensspezifisch sind. Ein klassisches Beispiel ist die Personalabteilung, die zwar für ein Unternehmen essenziell ist, aber mit der man sich als Schaltschrankbauer nicht von seinen Mitbewerbern unterscheidet.
Nach einer entsprechenden Kategorisierung lassen sich bereits erste Handlungsempfehlungen ableiten. So können Fachbereiche der Kategorie Organisation und meist auch diejenigen der Kategorie Unterstützung in der Regel durch die Einführung einer marktüblichen Standardsoftware bestens digitalisiert werden. Dies deckt dann den Teil „Schwächen schwächen“ des einleitenden Mottos ab.
Die Digitalisierung von Prozessen in den Fachbereichen der Kategorie Kernkompetenz stellt die höchsten Anforderungen, erfordert jedoch auch die höchste Aufmerksamkeit, da es sich hier um die wirklich unternehmens- und wettbewerbsrelevanten Prozesse handelt. Handelsübliche Standardsoftware führt in diesen Bereichen in der Regel zum Verlust der Alleinstellungsmerkmale und damit des Wettbewerbsvorteils. Das bedeutet nicht, dass der Einsatz vollständig vermieden werden soll, jedoch muss der Einsatz gut durchdacht und die Integration den spezifischen Anforderungen gerecht werden. Der Digitalisierungsplan für diese Fachbereiche orientiert sich daher bei allen Entscheidungen an den praxisorientierten Anforderungen der Prozesse, den Anforderungen der ausführenden Mitarbeiter und der Unternehmensziele. Ganz nach dem Motto „Stärken stärken“.
Die Rolle der detaillierten Analyse
Eine gründliche Analyse des Informationsflusses ist der erste Schritt zur Optimierung. Es ist wichtig, sämtliche Arbeitsschritte eines Prozesses zuerst vollständig zu verstehen, dann die Optimierungspotenziale identifizieren zu können. Wenn Mitarbeiter zum Beispiel Zeit damit verbringen müssen, nach benötigten Bauteilen oder Informationen zu suchen, führt dies zu Produktivitätsverlusten, längeren Durchlaufzeiten und ineffizienten Arbeitsabläufen. Hier kann eine digitalisierte Werkerassistenz, also ein softwaregestütztes Arbeitsplatzsystem, welches direkt den Arbeitsschritt mit den erforderlichen Daten unterstützt, gewinnbringend eingesetzt werden.
Wird die Integration und Digitalisierung jedoch ad hoc und ohne vorhergehende Analyse gestartet, werden als Maßnahme zur Optimierung gerne schnell weitere Daten in die Fertigungsunterlagen aufgenommen, detailliertere Beschreibungen und Listen hinzugefügt. Jedoch meist mit dem Effekt, das Problem weiter zu verschlimmern. Maschinen und Computer können große Datenmengen effektiv verarbeiten und filtern. Das menschliche Gehirn ist im Gegensatz dazu jedoch darauf ausgelegt, die Daten zu erfassen und zu interpretieren. Es ist extrem kreativ und fähig zur Innovation. All das sind genau die Stärken, die unsere Elektrofachkräfte ausmachen und auf die wir im Schaltschrankbau dringend angewiesen sind. Nicht gut umgehen können wir jedoch mit der schnellen Verarbeitung großer Datenmengen (Bild 3).
Mehr Daten sind für die Automatisierung in der Regel erforderlich und verbessern automatisierte Prozesse merklich. In einer manuellen Fertigung stehen dagegen mehr Daten meist im Weg und fördern durch erhöhten Suchaufwand die Verschwendung im bereits genannten Sinne des Lean Managements.
Die Annahme, dass mehr Daten zu einem besseren Prozess führen, stammt meist daher, dass dies bei einem maschinellen Automatisierungsvorhaben auch der Fall ist. Hier liegt in der Regel die Situation vor, dass die Maschine, die mit den vorliegenden Papierunterlagen das Projekt nicht umsetzen kann, mit mehr Daten dazu erst in die Lage versetzt wird. Im Gegensatz dazu kann die Elektrofachkraft jedoch bereits mit den vorhandenen Unterlagen den Schaltschrank korrekt aufbauen. Andernfalls würde man auch nicht von einem bestehenden Schaltschrankbau sprechen.
Die Herausforderung liegt also nicht darin, mehr Daten bereitzustellen, sondern die vorhandenen Daten so zu sortieren und filtern, dass sie den Mitarbeitern zielgerichtet bereitstehen.